Das Bundesamt für Umwelt gab 2007 erstmals eine Rote Liste der gefährdeten Pilzarten heraus. Sie ist auf die Grosspilze beschränkt. Das sind die Pilze, deren Fruchtkörper von blossem Auge erkennbar sind (grösser als 2 mm).
Die Pilzspezialisten der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL haben in der Liste 937 gefährdete Pilzarten aufgeführt. Die Liste enthält nicht nur seltene Arten wie den Rosaroten Saftling (Hygrocybe calyptriformis, vom Aussterben bedroht, schweizweit geschützte Art), sondern auch gemeinhin bekannte Pilze wie den Kaiserling (Amanita caesarea, verletzlich) oder den Lärchenschwamm (Laricifomes officinalis, verletzlich, schweizweit geschützte Art).
In der Schweiz sind mehr als 5000 Pilzarten bekannt. Von den rund 3000 Arten, bei denen die Kenntnisse für eine Beurteilung ausreichen, sind 32% Prozent mehr oder weniger akut gefährdet.
Bedrohte Arten finden sich in allen Lebensräumen. Auf mageren Wiesen und Weiden oder in Mooren ist der Anteil bedrohter Pilzarten jedoch am grössten. Grund: Ihre bevorzugten Lebensräume gehen durch die Intensivierung der Landwirtschaft, durch Bautätigkeit oder durch Luftschadstoffe verloren. In der alpinen Stufe – hier sind die Populationen meist nur sehr klein – finden sich 20 Prozent der gefährdeten Pilzarten.
Abgestorbenes Holz als Lebensgrundlage für viele Waldpilze
Kleiner ist der Anteil von im Wald vorkommenden Pilzen (15 Prozent) auf der Roten Liste. Dies dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass der Schweizer Wald seit über 100 Jahren zurückhaltend genutzt sowie kleinflächig und oft naturnah bewirtschaftet wird. Allerdings sind viele Waldpilzarten von Totholz abhängig, das heute in vielen Wäldern nur in geringen Mengen vorhanden ist. Zudem sind bestimmte Luftschadstoffe, die den Nährstoffgehalt des Bodens erhöhen, ein Problem für die Mykorrhizapilze (Pilzarten, die auf eine Lebensgemeinschaft mit Waldbäumen angewiesen sind; siehe Kasten).
Die Liste macht deutlich: Die Pilze sind vor allem dort bedroht, wo ihnen der Lebensraum entzogen wird. Folglich plädieren die Empfehlungen der Roten Liste dafür, dass mehr abgestorbenes stehendes oder liegendes abgestorbenes Holz als Lebensgrundlage für Pilze in den Wäldern belassen wird. Zentral sind die Erhaltung der wertvollen Biotope, der schonende Umgang mit dem Waldboden sowie die Reduktion der Luftschadstoffe.
Mykorrhizapilze leiden besonders unter Stickstoffeintrag
Wenn aus der verschmutzten Luft zusätzliche Nährstoffe in ursprünglich saure, karge Böden gelangen, setzt dies vor allem den so genannten Mykorrhizapilzen empfindlich zu. Mykorrhizapilze siedeln sich an den Wurzeln von Bäumen an und machen für diese aus dem nährstoffarmen Boden zusätzliche Stoffe verfügbar.
Im Gegenzug versorgt der Baum die Pilze mit lebensnotwendigem Zucker - eine dauernde Lebensgemeinschaft entsteht zwischen Pilz und Baum. Dieses sensible Gleichgewicht wird durch Immissionen - vor allem Stickstoffeintrag - deutlich gestört. In der Folge verändert sich der Artenbestand an Pilzen: Hochspezialisierte Gattungen müssen weniger spezialisierten Arten weichen und gehen lokal in ihrem Bestand zurück.
Rote Listen als wichtiges Instrument des Naturschutzes
Rote Listen sind ein wichtiges Instrument des Naturschutzes. Sie zeigen an, welche Pflanzen, Tiere oder Pilze gefährdet, selten und verletzlich, vom Aussterben bedroht, ausgestorben oder verschollen sind, und machen damit deutlich, wo im Artenschutz Handlungsbedarf besteht. Die Rote Liste Pilze wurde nach den international anerkannten Kriterien der World Conservation Union (IUCN) erstellt.
Um auch der Entwicklung der Artenvielfalt Rechnung zu tragen, werden die Roten Listen regelmässig revidiert. Diese Überarbeitungen dienen gleichzeitig als Erfolgskontrolle von Naturschutzmassnahmen, da sie aufzeigen, wie sich die Gefährdung der verschiedenen Arten entwickelt. In so genannten Blauen Listen werden jeweils diejenigen Arten aufgeführt, welche dank bestimmten Massnahmen in den letzten 10 bis 15 Jahren zugenommen bzw. nicht weiter abgenommen haben.
Seit 1991 sind Rote Listen formal in der Natur- und Heimatschutzverordnung verankert. Im Landschaftskonzept Schweiz sind ihnen zwei Sachziele gewidmet:
- Die vom Menschen ausgehenden Einflüsse auf Natur und Landschaft sollen so gestaltet werden, dass keine zusätzlichen Arten in die Roten Listen aufgenommen werden müssen.
- Gefährdete Arten und deren Lebensräume sollen soweit erhalten werden, dass keine Art in der Gefährdungseinstufung schlechter klassiert werden muss und dass die Zahl der Arten in den Roten Listen jährlich um 1% reduziert werden
Abb. 2 - Die Fingerhutverpel (Verpa conica) ist ein Frühlingspilz der Auenwälder und potenziell gefährdet. Gefahr droht dem Pilz durch Zerstörung oder Veränderung der Auengebiete. Foto: G. Martinelli
Pilze sammeln: einschränken oder freigeben?
Wie einzelne Studien unlängst gezeigt haben, scheint das Sammeln von Speisepilzen keinen grossen Einfluss auf den jährlichen Fortbestand der Arten zu haben. Das mit dem Pilzsammeln verbundene Betreten des Waldbodens dagegen reduziert die Fruchtkörpermengen nachweislich. Über die langfristigen Auswirkungen des Pilzsammelns auf die vorhandenen Pilzsporenmengen und die Regeneration der Bestände ist indes noch wenig bekannt. In Gebieten, in denen sich Bäume und Pilze nach Ereignissen wie Stürmen oder grösseren Rodungen neu ansiedeln müssen, ist es wichtig, dass die umgebenden Pilzbestände genügend Fruchtkörper bilden können. In stabilen und intakten Wäldern ist das Sammeln weniger bedenklich. Das Bundesamt für Umwelt hält im Sinne des Vorsorgeprinzips an folgenden Massnahmen fest:
- Kantonale Schonfristen und Gewichtsbeschränkungen, um eine ausreichende Sporenbildung und -verbreitung zu gewährleisten
- Koordination dieser Sammelbeschränkungen unter den Kantonen, um grossräumig einheitliche Bestimmungen zu erreichen
- Pilzsammelverbot in bestimmten Schutzgebieten, um wertvolle Pilzreservate und sensible Lebensräume zu schonen
- Schutz und nachhaltige Nutzung der Standorte mit gefährdeten Pilzen, um einzelne gefährdete Populationen gezielt zu erhalten bzw. zu fördern
Abb. 3 -Der Lärchenschwamm (Laricifomes officinalis) gilt seit alters her unter dem Namen Apothekerschwamm als Heilmittel, wohl aufgrund seiner abführenden und schweisshemmenden Wirkung. Foto: M. Maggetti
(TR)