Wie schnell wachsen Bäume in die Höhe? Dieser Kennwert wird als Bonität oder Standortsgüte bezeichnet und ist für die Forstwirtschaft interessant. In den Alpen beeinflusst die Standortsgunst auch die Geschwindigkeit, mit der junge Bestände die Schutzfunktion erfüllen und dem Äser des Schalenwilds entwachsen. Dabei sind Bodeneigenschaften wichtiger als die Temperatur, wie Untersuchungen zeigen.
Stickstoff, Phosphor und Humus
Die untersuchten Fichtenbestände wiesen, normiert auf ein Alter von 100 Jahren, Oberhöhen zwischen 14 Meter (steiler SW-Hang auf Dolomit, 1.500 m) und 44 Meter (mäßig geneigter S-Hang auf Molasse, 1.000 m) auf. Dieses enorm weite Spektrum reicht von blankem Überleben bis zu Spitzenwerten.
Allein die Nährelemente Phosphor (P) und Stickstoff (N) sind nach allen Kriterien (siehe Kasten) begrenzend für das Wachstum. So lag der P-Gehalt von Nadeln der schwach wüchsigen Fichtenbestände stets im latenten, für mehr als ein Zehntel der Bestände sogar im akuten Mangel. N-Mangel war zwar etwas seltener, allerdings waren die wüchsigen Fichtenbestände auffallend gut mit diesem Element versorgt. Auf Mangel an beiden Elementen weisen gelblich bis stumpf grün gefärbte, oft auffallend kurze Nadeln hin.
Nährstofflimitierung und Schwellenwerte
Nach dem "Gesetz des Minimums" wird das Pflanzenwachstum durch die jeweils knappste Ressource begrenzt. Bei der Beurteilung von Waldbeständen ist man dabei auf eine Kombination von Statistik und Erfahrungswissen angewiesen. Ob ein Nährelement limitierend ist, wurde in der Studie anhand dreier Kriterien beurteilt:
1. Welches Gewicht erhält das Element in der Schwellenwertanalyse?
2. Welche Form hat die Ernährungs-Wachstumsbeziehung?
3. Entspricht der Schwellenwert dem Erfahrungswissen?
Im Bergwald erfüllen nur N und P alle drei Kriterien.
Die Begrenzung des Wachstums durch den Stickstoff ist in der heutigen Zeit überraschend. Die hohen, durch starke Niederschläge jedoch verdünnten Einträge werden in den jungen, steinigen Böden der Kalkalpen offenbar nur gering angereichert. So hängen Nährstoffverfügbarkeit und Wachstum immer noch eng vom Humuszustand ab, der vielerorts von früherer Holznutzung und Waldweide geprägt ist.
Die höchsten Bäume stehen auf sauren Böden der Molasse- und Flyschvorberge. Auf den anstehenden Kalksteinen und Dolomiten besteht ein Überangebot an Calcium (Ca) und Magnesium (Mg), das die Aufnahme anderer Nährstoffe und das Wachstum hemmt. Auf wenig verwitterten Dolomitböden, wo mächtige Tangelhumusauflagen das einzige Wurzelsubstrat darstellen, findet man Kaliummangel, aber selten.
Diagnose leicht gemacht
Wie kann man Nährstoffmangel und geringe Standortskraft diagnostizieren? Es stehen ja nicht immer hundertjährige Fichten als Bioindikator zur Verfügung. Die Antwort sind Zeigerpflanzen, die weisen die Verfügbarkeit von allem an was Pflanzen brauchen. Bestimmt man alle Pflanzen in einem Bergwaldbestand und mittelt ihre Zeigerwerte nach Ellenberg, kann man aus letzteren die Bonität von Fichten mit geringer Fehlerquote vorhersagen. Dabei wirken mit fast gleichem Gewicht zusammen:
- N- und P-Verfügbarkeit (Nährstoffzahl)
- Ca- und Mg-Überschuss (Reaktionszahl)
- Trockenheit (Feuchtezahl)
- Wärmemangel (Temperaturzahl)
Die Alpenflora enthält neben vielen Kalkzeigern auch auffallend viele Zeiger für Mangel an Phosphor und Stickstoff; Bergwälder und Almen haben vielerorts ihren mageren Charakter bewahrt.
Fazit: Humuspflege
Wie müssen Bewirtschafter mit Bergwäldern umgehen, die unter Nährstoffmangel leiden? Damit die Wuchsleistung nicht weiter absinkt und die Schutzfunktionen weiterhin erfüllt werden können, muss man mit dem Humus pfleglich umgehen. Daher sind kräftige Auflichtungen zu vermeiden. Weiterhin sollte man möglichst viel, möglichst nährstoffhaltige Biomasse (Bodenvegetation, Nadeln, Reisig, Rinde) im Wald belassen, um den Humusvorrat zu erhalten und aufzubauen. Auf degradierten Standorten mit Wuchsstockungen unterstützt das Belassen von Totholz den Aufbau eines speicherfähigen Wurzelraumes. Bei fehlendem Humusvorrat ist eine Kopfdüngung mit mineralischem NPK-Dünger nur kurzfristig wirksam. Das Ziel der Humuspflege muss auf schwach wuchskräftigen Kalkböden sorgfältig gegenüber technischen und waldhygienischen Vorteilen der Ganzbaumnutzung abgewogen werden.