In den bayerischen Alpen gibt es etwa 30.000 Hektar reine Fichtenbestände. Ihre Entstehung wurde durch Kahlschläge zur Zeit der Salinenwirtschaft, Reparationshiebe nach den Weltkriegen und lange Jahre der Waldweide begünstigt. Die Bestände sind sehr dicht aufgewachsen und anfällig gegenüber verschiedenen Störungen, wie z.B. Nassschnee, Sturm und Borkenkäfer. Die Anfälligkeit wird durch Schälschäden des Rotwilds noch erhöht. Die montanen Fichtenbestände wurden aus Kostengründen oftmals nicht durchforstet. Dadurch konnte kein Licht auf den Boden gelangen und es stellte sich keine Verjüngung ein. Waldbauliche Eingriffe zur Stabilisierung erscheinen notwendig.
Die zwei Aspekte der Stabilität
Der Begriff "Stabilität" umfasst in der ökologischen Literatur zwei verschiedene Aspekte:
Resistenz: Die Fähigkeit eines Systems, trotz der Anwesenheit von Störungen in einem Gleichgewichtszustand zu verharren. Diese ergibt sich im montanen Fichtenwald aus der Beschaffenheit des Altbestandes. Zu den wichtigen Kriterien zählen eine hohe Vitalität der Bäume, niedrige Schlankheitsgrade (h/d-Verhältnisse), große Kronenlängen und eine hohe Strukturvielfalt.
Elastizität: Die Fähigkeit eines Systems, nach Auftreten einer Störung möglichst schnell in ein Ausgangsgleichgewicht zurückzukehren. Wichtigstes Kriterium ist hier die Verjüngung, vor allem Dichte, Baumartenmischung und Höhe der jungen Bäume.
Ob waldbauliche Eingriffe für mehr Resistenz und Elastizität in den Fichtenbeständen sorgen können, wurde in einer rückblickenden Studie untersucht. Dabei wurden behandelte und unbehandelte Bestände in drei verschiedenen Altersstadien (Jugend-, Wachstums- und Reifestadium) verglichen.
Die Ergebnisse
In den behandelten Beständen ist der mittlere Durchmesser höher, das mittlere h/d-Verhältnis geringer und die mittlere Kronenlänge größer als in den unbehandelten Beständen. Allerdings sind diese Effekte von geringerem Ausmaß als erwartet.
h/d-Verhältnis: Die Schlankheitsgrade sanken im besten Fall um etwa zwei Prozentpunkte (Abb. 2). Die größten Effekte wurden in Beständen der Jugendphase erzielt.
Kronenlänge: Die größten Unterschiede hinsichtlich der Kronenlänge wurden in den Reifestadien nachgewiesen (Abb. 3). Das liegt daran, dass in diesen Beständen bereits zweimal eingegriffen wurde. Um die Resistenz der Altbestände zu erhöhen, darf man nicht erst im Alter 50 mit der Durchforstung beginnen und muss die Bestände kontinuierlich pflegen.
Struktur: Im Hinblick auf die Strukturen zeigte sich kein klarer Behandlungseffekt. Deutliche Veränderungen könne hier wohl nur über die Erhöhung des Mischungsanteils in der Folgegeneration erzielt werden.
Vitalität: In den behandelten Beständen lag der Anteil sehr vitaler Fichten durchschnittlich um etwa zehn Prozent höher, die Anteile an Bäumen mit geringer Vitalität waren deutlich niedriger.
Verjüngung: Die behandelten Bestände wiesen generell mehr Pflanzenzahlen je Hektar auf, vor allem bei Pflanzen mit einer Höhe über 20 Zentimetern. Unbehandelte Bestände sind so dunkel, dass die Verjüngung zwar ankommt, aber meist wieder vergeht bevor sie diese Höhe erreicht hat. Überraschend hoch war der Anteil an Mischbaumarten in der Verjüngung (Abb. 4 und 5).
Trotz der teilweise recht günstigen Verjüngungssituation sprechen zwei Gründe für die Ergänzungspflanzung: Zum einen werden die minimal nötigen Pflanzenzahlen in Schutzwäldern (mindestens 1.000 Stück je Hektar) vielfach nicht erreicht. Zum anderen ist die Anzahl der Samenbäume bei den Mischbaumarten im Altbestand sehr gering. Daher ist im Folgebestand keine breite genetische Basis vorhanden. Ergänzungspflanzungen können dies ausgleichen. Damit wird z.B. vermieden, dass die Bestände aufgrund einer schmalen genetischen Basis nicht als Erntebestände zugelassen werden können. Entscheidend für das Aufwachsen einer gemischten Verjüngung ist ein angepasster Schalenwildbestand.
Fazit
Bei der Stabilisierung montaner Fichtenbestände liegt das größere Erfolgspotential in der Verjüngung. Die Resistenz in den Altbeständen zu erhöhen ist zwar in begrenztem Umfang möglich, aber nur wenn man sehr früh und regelmäßig eingreift. Die Elastizität zu erhöhen ist dagegen deutlich einfacher, vorausgesetzt der Wildbestand ist angepasst. Die Strategie zur Stabilisierung montaner Fichtenbestände sollte einerseits eine Pflegeoffensive in sehr jungen Beständen und andererseits eine frühzeitige gezielte Verjüngung der Bestände unter Beteiligung von Mischbaumarten beinhalten.