Noch vor wenigen Jahrzehnten spielten Baumarten wie Birke, Erle, Vogelbeere, Aspe und Weiden im praktischen Waldbau kaum eine Rolle. Die natürlich aufkommende Verjüngung aus diesen Weichlaubhölzern wurde meist als lästige Begleiterscheinung bei der Kulturbegründung gesehen – und als Platzräuber und Konkurrenz für die Hauptbaumarten frühzeitig entnommen.
Mit der Etablierung einer naturnahen Forstwirtschaft in den letzten Jahrzehnten sieht man jedoch diese Pionierbaumarten zunehmend aus einem neuen Blickwinkel.
Hier spielt zum einen ihre naturschutzfachliche Bedeutung eine Rolle. Darüber hinaus zeigen neuere Ergebnisse der Waldbauforschung deren Wert und neue Einsatzmöglichkeiten – und, dass der Stellenwert der Pioniere wohl spätestens mit der Häufung kalamitätsbedingter Kahlflächen und der in den Trockenjahren verstärkt auftretenden Anwuchsprobleme einen anderen Stellenwert bekommen.
Was macht Pionierbaumarten aus?
Baumarten, die in frühen Verjüngungsstadien vorwiegend auf Freiflächen vorkommen, werden als Pionierbaumarten bezeichnet. Sie haben folgende gemeinsame Eigenschaften:
- Sie stellen sich rasch natürlich auf Freiflächen ein – auch wenn wenig Altbäume in der Nähe sind.
- Sie blühen und fruktifizieren schon in jungen Jahren.
- Sie bilden nahezu jährlich und häufig auch große Samenmengen aus.
- Ihre Samen werden leicht durch Wind, Wasser oder auch Tiere verbreitet.
- Sie verbreiten sich schnell über teils sehr weite Distanzen.
- Sie haben ein geringes Samengewicht mit wenig Reservestoffen für die Keimung und Etablierung.
- Sie haben eine geringe Schattentoleranz.
- Sie stellen geringe Ansprüche an die Standortsgüte und können offenen Waldboden (Mineralboden) gut nutzen.
- Sie sind gegenüber den extremen Bedingungen wie Frösten, starker Sonneneinstrahlung und Wind hart im Nehmen.
- Sie haben ein schnelles Jugendwachstum und erreichen zu einem frühen Alter (8 bis 15 Jahren) den höchsten jährlichen Höhen- und Dickenzuwachs.
- Sie haben meist eine geringe Lebensdauer, da ihr Holz nicht sehr widerstandsfähig ist.
Neben den eher kurzlebigen Arten wie Birke, Erle, Weide, Aspe und Vogelbeere – um die es in diesem Beitrag gehen soll – zählen auch die langlebigeren Baumarten wie Lärche, Kiefer und die nichtheimische Robinie zu den Pionierbaumarten. Die Eigenschaften der Pionierbaumarten, besonders die Härte gegenüber Extrembedingungen, führen zu Überlegungen, ob unsere Wälder nicht durch die stärkere Beteiligung von Pionierbaumarten im Klimawandel profitieren könnten. Oder mehr noch: Ob diese Baumarten nicht sogar auch ihren Teil zur Lösung waldbaulicher Probleme beitragen können.
Weichlaubholz passt sich an
Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Pionierbaumarten an neue Herausforderungen, wie sie der Klimawandel mitbringt, auf mehreren Wegen gut anpassen können:
- Innere Anpassung: Innere Anpassung bedeutet, dass sich das Erbgut von Bäumen an veränderte Umweltbedingungen anpassen kann. Weichlaubhölzer blühen und fruchten schon im jungen Alter, dabei erzeugen sie eine hohe Anzahl an Samen. Deshalb unterliegen die Sämlinge der Pioniere von Anfang an einer hohen genetischen Selektion. So kommt es zu einer schnellen Anpassung an neue standörtliche Bedingungen und klimatische Herausforderungen.
- Äußere Anpassung: Äußere Anpassung bedeutet, dass sich ein Baum in seiner individuellen Entwicklung an die Umwelt anpassen kann. Für die Anpassung an den Klimawandel ist die Wurzelentwicklung – sowohl vom Umfang her als auch die Tiefenentwicklung betreffend – von entscheidender Bedeutung. So zeigten Sandbirken unter schlechteren Bedingungen eine intensivere Durchwurzelung als auf besseren Standorten. Dafür setzen sie aber die Investition in das Sprosswachstum zurück – sie passen sich also in ihrer Gestalt an die neuen Verhältnisse an. Um Wunderbäume handelt es sich aber natürlich auch nicht.
Abb. 2: Ehemalige Windwurffläche: Hier hat sich eine reichhaltige Naturverjüngung aus Aspe, Birke, Vogelbeere und Fichte im Unterstand entwickelt. Der Waldbesitzer kann jetzt entscheiden, was er will – und die Pflege macht dann den Unterschied: Energieholzerzeugung, Vorwald oder Qualitätsholzerzeugung? (Foto: Wolfram Rothkegel, LWF)
Waldbau mit Pionieren
Die Natur ist verschwenderisch: Jahr für Jahr wird ein Vielfaches von dem, was wir künstlich an Saatgut oder mit Pflanzen ausbringen können, durch Samen über den Wald ausgestreut. Forschungsergebnisse aus den Untersuchungen zur Entwicklung von Schadensflächen nach Stürmen wie Vivian und Wiebke, Lothar oder Kyrill zeigen, dass sich Waldflächen – bis auf ganz wenige Ausnahmefälle – selbst in kurzer Zeit wiederbewalden können. Und hierbei spielen Pionierbaumarten eine wichtige Rolle. Die Vielfalt an Baumarten ist dabei teilweise erstaunlich hoch. Entscheidend ist aber, dass der Verbissdruck gering ist – oder die Fläche künstlich geschützt wird. Aber wie können nun konkret die Weichlaubhölzer im Waldbau genutzt werden? Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten:
1. Vorwald als Weg zu Schattbaumarten
Eine bereits lange bekannte, aber selten angewandte Möglichkeit ist die Nutzung von Weichlaubholz als Vorwald. Sie bietet sich für Kahlflächen an. Dabei wird das anfliegende Weichlaubholz belassen, jedoch wird über 10 bis 20 Jahre die Stammzahl durch Pflegemaßnahmen auf rund 1000 Bäume/ha reduziert. Unter diesem Vorwald können innerhalb des genannten Zeitraums Schattbaumarten wie Buche und Tanne durch Pflanzung eingebracht werden.
Der Vorwald schützt die Verjüngung vor Frost und hoher Sonneneinstrahlung. Fichtennaturverjüngung stellt sich meist zusätzlich ein. Ist das Schattlaubholz gesichert, wird der Vorwald nach und nach entsprechend dem Lichtbedürfnis zurückgenommen. Aus den Vorwaldbäumen können aber auch einzelne gute Schaftformen weiter gefördert werden und Qualitätsholz erzeugt werden.
2. Bodendeckung und anschließende Einbindung in gezielte Bewirtschaftung
Die kostengünstigste Möglichkeit zur Schaffung eines neuen Waldes nach Schadereignissen ist die Nutzung der natürlichen Verjüngung auf der gesamten Fläche. Dies geschieht, egal ob die Fläche komplett, teilgeräumt oder auch gar nicht geräumt wurde. Hierbei spielen die Pionierbaumarten eine wichtige Rolle. Voraussetzung ist, dass in passender Entfernung ausreichend Samenbäume vorhanden sind, die Begleitvegetation nicht zu stark und die Verbisssituation günstig ist.
Auch mit Baumarten wie Birke, Erle, Vogelbeere oder auch Aspe kann Qualitäts- oder Wertholz produziert werden. Der Pionier kann also durchaus zum Zielbaum werden. Voraussetzung dazu ist neben einer guten Vitalität und Schaftform die standörtliche Eignung und eine gute Prognose beim Anbaurisiko. Entscheidend ist die frühzeitige Auswahl und die konsequente und kontinuierliche Förderung der Ziel- oder Zukunftsbäume.
Gerade bei den Pionieren muss sehr früh und konsequent gefördert werden, um zum richtigen Zeitpunkt die Kronen auszubauen. Bäume mit gut ausgebauter Krone haben auch hohen Zuwachs. Auf diese Weise kann auf guten Standorten relativ schnell – nämlich innerhalb von 60 bis 70 Jahren – Wertholz erzeugt werden. So kann eine Kahlfläche schnell wieder bestockt werden. Zusätzlich wird der Boden bedeckt und damit Erosion und die Auswaschung von Nährstoffen verhindert. Auch das Risiko des Austrags von Nitrat ins Grundwasser wird so geringer. Eine Regeneration des Waldes einschließlich des Waldbodens wird dadurch auf natürliche Weise ermöglicht.
3. Lösungen für Lücken
Die natürliche Verjüngung und das Schließen der Schad- oder Freiflächen erfolgt häufig nicht gleichmäßig. Denn auch wenn sich Pionierbaumarten häufig flächig einstellen, verbleiben dazwischen oft unverjüngte Teilflächen. Das kann waldbaulich genutzt werden: Lücken oder Bereiche mit geringen Pflanzenzahlen können aktiv genutzt werden, um gewünschte, klimatolerante und standorttaugliche Baumarten über eine sogenannte Ergänzungs- oder Anreicherungspflanzung einzubringen. Dabei werden Hauptbaumarten nicht flächig sondern punktuell gepflanzt. Hier gibt es verschiedene Methoden wie Trupps, Klumpen oder Nelderräder (BLW 39/2020, S. 26 – 27 „Mehr als nur eine Notlösung).
So entstehen im günstigsten Fall über die ganze Fläche verteilt kleine „Fettaugen“ von Zielbaumarten. Diese „Fettaugen“ müssen auf jeden Fall gut markiert und in den Folgejahren regelmäßig aufgesucht werden. Denn die dort eingebrachten Baumarten müssen intensiv gesichert, gepflegt, qualifiziert und dimensioniert werden. Von Vorteil sind die geringen Kosten für die Neukultur, die aber teilweise in kontinuierliche Pflegemaßnahmen investiert werden müssen. In der Pflege müssen an ihren Rändern die Pioniere so zurückgedrängt werden, dass sich die gepflanzten Baumarten ohne Beeinträchtigung entwickeln können.
4. Beteiligung der Pioniere in regulären Kulturen
Eine weitere Alternative sind Pioniere dort, wo in Kulturen während der Etablierungsphase mehr oder weniger große Lücken entstanden sind. Statt nachzupflanzen, können hier auch natürlich ankommende Weichlaubhölzer genutzt werden, um den Bestand zu schließen und die Hauptbaumarten in guter Qualität zu erziehen. Sind die Lücken nicht zu groß, können auch weitere Baum- und Straucharten wie Holunder, Hasel und Traubenkirsche einbezogen werden und zeitweise einen Unter- und Zwischenstand bilden. Zugleich ist dies naturschutzfachlich sehr wertvoll. In der anschließenden Phase der Dimensionierung können diese Pioniere und die verholzenden Sträucher weiter als Unter- und Zwischenstand für die Qualitätserziehung der Zielbäume genutzt werden. Im Zuge der konsequenten Kronenfreistellung gelangt im Regelfall genug Licht durch das Kronendach, um den Unterstand mitwachsen zu lassen und für die Schaftpflege zu nutzen. Diese Integration kann bei passenden Voraussetzungen ökologischer, kostengünstiger und einfacher sein, als nachträglich beispielsweise Buchen und Linden zu pflanzen. Die Gefahr, dass die Pioniere später in die Kronen von Zielbaumarten einwachsen und diesen konkurrieren, besteht aufgrund des begrenzten Lichtangebotes ebenfalls nicht.
Voraussetzungen für Waldbau mit Pionieren
Damit ein Waldbau mit Pionieren tatsächlich gelingt, sind jedoch verschiedene Aspekte zu berücksichtigen – die zwei wichtigsten sind:
- Wilddichte und Wildverbiss: Um abschätzen zu können, wie gut die Chancen sind, dass sich die Naturverjüngung aus Pionieren einstellt, sollte ab dem zeitigen Frühjahr intensiv beobachtet werden, was keimt, was übrig bleibt und was sich etabliert. Hier können Weiserzäune hilfreich sein. Im Zweifelsfall bietet flächiger Zaunschutz gegenüber dem Einzelschutz die größere Chance zur flächigen Beteiligung von Pionieren.
- Zeitliche Planung: Man sollte sich im Klaren sein, wie schnell die Pionierbaumarten die Fläche schließen – und wie stark besonders das Höhenwachstum verläuft. Entsprechend dieser Vorausetzungen müssen die notwendigen Maßnahmen geplant werden.
Bleibt also festzuhalten: Pionierbaumarten können den Waldaufbau im Klimawandel durch zusätzliche Baumartenvielfalt, eine Verbesserung der Humus- und Nährstoffsituation und ihre bessere Tiefenerschließung des Waldbodens positiv beeinflussen. Ihre Vorteile für die Biodiversität im Wald sind unbestritten. Pionierbaumarten stellen allerdings kein generelles Allheilmittel oder "Rundum-sorglos-Paket" zur Lösung aller Probleme dar. Ganz besonders auf besseren Standorten sollte ihr Anteil langfristig bemessen gehalten werden.
Abb. 5: Beratung vor Ort. Die Förster an den "AELF's" beraten jeden Waldbesitzer/in bei Baumartenwahl und Maßnahmenplanung (Foto: D. de Hasque, LWF).
Tipp bei der Wiederbewaldung: Nicht vorschnell handeln
Nicht in allen Fällen ist es möglich und sinnvoll, sofort nach einer Katastrophe die gesamte Fläche wieder aufzuforsten. Pflanzenmarkt, Waldschutzgründe, Finanzmittel und Arbeitskapazität setzen dem oft Grenzen. Vor allem wenn nach Katastrophen größere Flächen zur Wiederaufforstung anstehen, sollte überlegt werden, wie eine natürliche Wiederbewaldung sinnvoll genutzt werden kann. Es dauert aber meist etwas, bis die natürliche Verjüngung ankommt und sichtbar wird. Es empfiehlt sich deshalb, die Fläche ein bis drei Jahre sorgfältig zu beobachten, sich in Ruhe die Ziele und Möglichkeiten zu überlegen und daraus die waldbaulichen Maßnahmen abzuleiten. Zugleich muss jedoch auch die Entwicklung der Konkurrenzvegetation wie Brombeere oder Reitgras beachtet werden. Auf Standorten, auf denen diese sehr schnell ankommen und stark wachsen, wird die natürliche Wiederbewaldung stark verzögert oder auf lange Zeit verhindert. Erfahrungen nach den Schadereignissen der letzten Jahrzehnte zeigen, dass schnelles Agieren zeit- und kostenaufwendig sein kann: Zu den künstlich eingebrachten Pflanzungen kamen über die Naturverjüngung zusätzlich eine hohe Zahl an Bäumen – die dann über aufwendige Pflege wieder beseitigt werden müssen, um die angelegte Kultur zu sichern. Es ist also genaues Beobachten und örtliche Erfahrung gefragt, um nicht die falschen Entscheidungen zu treffen.
Abb. 6: Wiederbewaldung auf einer Schadfläche: Von den gepflanzten Ahornheistern (mit Kunststoffspiralen) sind nach sieben Jahren noch rund 800 Stück/ha vorhanden, gleichzeitig haben sich etwa 4600 Stück/ha Birken, Aspen und Weiden etabliert. Das Arbeiten mit der Natur von Beginn an wäre hier sinnvoller gewesen (Foto: Wolfram Rothkegel, LWF).
Auf einen Blick
- Pionierbaumarten werden aufgrund ihrer Eigenschaften im Zuge des Klimawandels neu bewertet.
- Ihre Robustheit, Dynamik und Reaktionsvermögen eröffnen vor allem nach Störungssituationen neue Spielräume.
- Ihr sinnvoller Einsatz benötigt jedoch gezieltes, kontinuierliches und konsequentes waldbauliches Handeln.
- Pioniere sind oft ein Geschenk der Natur und können ein Teil der Lösung waldbaulicher Herausforderungen sein. Sie sind aber kein Allheilmittel, da es sowohl standörtliche als auch klimatische Grenzen für deren Einsatz gibt.