In den Jahren 2018 bis 2020 waren die Auswirkungen des Niederschlagsdefizits vor allem im Frühjahr und Sommer sowie die damit verbundene Dürre in weiten Teilen Deutschlands deutlich zu sehen. In der Folge führte die Ausbreitung von Schadorganismen (z. B. Borkenkäfer) zum flächigen Absterben vieler Waldbestände. Die Witterungsentwicklung der letzten Jahre hat vor allem in Franken zu einem Vitalitätsverlust nicht nur der Fichten, sondern auch zu Vitalitätseinbußen bei Buchen und Kiefern geführt. Dadurch stellt sich für viele Waldbesitzer die Frage, auf welche Baumarten und Herkünfte sie beim Waldumbau setzen sollen und wo sie geeignetes und herkunftssicheres Saat- und Pflanzgut beziehen können.
Während Informationen zur Baumartenwahl den Praxishilfen der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) entnommen werden können, unterstützen Herkunftsempfehlungen bei der Wahl der geeigneten Herkunft von Baumarten, die für einen Anbau in Frage kommen. Die Herkunftsempfehlungen sind verbindlich für die Bayerischen Staatsforsten, den Kommunalwald und auch für die Bewirtschaftung von PEFC- bzw. FSC-zertifizierten Wäldern. Sie sind Grundlage für die Gewährung von Fördermitteln nach dem waldbaulichen Förderprogramm des Freistaates Bayern (WALDFÖPR).
Klimawandel erfordert neue Empfehlungen
Bis dato galt für die Herkunftsempfehlungen der Ansatz, Vermehrungsgut der Kategorie "ausgewählt" aus demselben Herkunftsgebiet zu empfehlen, da es unter den bisherigen Umweltbedingungen dieses Herkunftsgebietes phänotypisch gute Erntebestände bei guter Gesundheit und Vitalität hervorbrachte. Da bekanntlich der "Apfel nicht weit vom Stamm fällt", räumte man dem Grundsatz "Aus der Region – für die Region“ in den alten Herkunftsempfehlungen im Regelfall den Vorrang ein. Ausschlaggebend dafür, lokales Forstvermehrungsgut aus demselben Herkunftsgebiet grundsätzlich für den Anbau zu empfehlen, war also die genetische Angepasstheit an die gegebenen Standorts- und Umweltbedingungen.
Der Klimawandel erfordert jedoch eine Fortentwicklung der bisherigen Strategie: In zunehmendem Maße sollte die genetische Anpassungsfähigkeit von Ausgangspopulationen Grundlage der Empfehlung sein. Seit 1. Januar 2023 gelten daher neue Herkunfts- und Verwendungsempfehlungen für Bayern (HuV). Mit der ergänzten Bezeichnung (Verwendung) wird der Blick auch auf die Standortsbedingungen am Pflanzort gelegt. Zudem sollen die neuen HuV in der Praxis die Baumarten- und Herkunftspalette erweitern und zur Streuung des Risikos beitragen.
Vermehrungsgut der Kategorien "geprüft" und "qualifiziert" wird wie bisher vorrangig empfohlen. "Geprüftes" Vermehrungsgut hat seine Eignung in Feldversuchen bewiesen. Qualifiziertes Vermehrungsgut stammt aus Samenplantagen, die aus Einzelbäumen mit hoher Vitalität und hervorragenden Wuchs- und Qualitätseigenschaften aufgebaut sind. Diese weisen im Vergleich zu "ausgewählten" Erntebeständen in aller Regel eine höhere genetische Vielfalt und damit Anpassungsfähigkeit auf. Den Nachkommen von "geprüften" und "qualifizierten" Ernteeinheiten wird zugetraut, sowohl mit dem momentan bei uns herrschenden Klima zurechtzukommen als auch anpassungsfähig an das prognostizierte Klima zu sein. Da aber die Anzahl der "geprüften" Ernteeinheiten und der Samenplantagen nur bei einigen Baumarten ausreichend hoch ist, wird auf lange Zeit die Versorgung auch weiterhin vor allem aus Saatguterntebeständen der Kategorie "ausgewählt" erfolgen.
Für die jetzige und für künftige Aktualisierungen der Empfehlungen sollte Folgendes berücksichtigt werden:
- Lokale Herkünfte sind nach wie vor die Grundlage der Empfehlungen. Allerdings ist die Bevorzugung der lokalen Herkunft nur dann noch gerechtfertigt, wenn eine hohe genetische Vielfalt und damit Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Umweltbedingungen zu erwarten sind.
- Klimaplastische Herkünfte heimischer Baumarten wurden erstmals in die Empfehlungen einbezogen. Hier gilt das Prinzip, Herkünfte aus wärmeren Herkunftsgebieten mit niedrigeren Sommerniederschlägen zu empfehlen, da sie voraussichtlich besser an die zu erwartenden Umweltbedingungen angepasst sind. Zusätzlich wird Vermehrungsgut der Kategorien "geprüft" und "qualifiziert" empfohlen.
- Bislang gab es Ersatzherkünfte; diese wurden bei weiterhin gegebener Eignung in die Stufen "Bisher Bewährt" bzw. "klimaplastisch" aufgenommen. Wurde die Anpassungsfähigkeit als niedrig eingeschätzt, sind diese nur noch mit einer zeitlichen Befristung empfohlen.
- Zusätzlich sind seltene heimische Baumarten, die zukünftig beim Waldumbau stärker zu berücksichtigen sind und noch nicht dem Forstvermehrungsgutgesetz unterliegen, in die Verwendungsempfehlungen aufgenommen. Dies betrifft zurzeit Elsbeere, Speierling, Flatterulme, Feldahorn und Eibe.
- Herkünfte alternativer Baumarten wurden zusätzlich empfohlen, wenn sie wenig spätfrostgefährdet sind und zur Stabilisierung der Waldbestände beitragen können. Sie wurden hauptsächlich für Praxisanbauversuche (PAV) empfohlen. Das sind derzeit Atlaszeder, Libanonzeder, Bornmüllertanne und Baumhasel.
Stufenweises Vorgehen: Chancen und Risiken
Die aktualisierten HuV stufen die Herkünfte folgendermaßen ein:
- Bisher Bewährte Herkünfte
- Klimaplastische Herkünfte
- Herkünfte für Praxisanbauversuche
Dabei ist das Anbaurisiko der Herkünfte dieser Stufen unterschiedlich. Es ergeben sich gleichzeitig Chancen, das Risiko zu streuen und eine Anreicherung der bestehenden Population vorzunehmen. Die Entscheidung trifft der Waldbesitzende selbst.
Bisher Bewährte Herkunft
Für viele Herkunftsgebiete gilt weiterhin das Primat der lokalen Herkunft, wenn sowohl das jetzige als auch das künftige Klima für den Anbau keine Probleme bereiten und die Herkünfte eine ausreichende Angepasstheit sowie hohe Anpassungsfähigkeit erwarten lassen. Unter dieser Prämisse wurden Herkünfte desselben Herkunftsgebietes der Stufe "Bisher Bewährt" zugeordnet. In einigen Herkunftsgebieten ist der Vorrang der lokalen Herkunft aufgrund der vorliegenden genetischen Analysen jedoch nicht mehr zielführend (z .B. bei Tanne im Frankenwald, siehe unten).
Klimaplastische Herkunft
Auf 50 % der Fläche Bayerns werden bei einem Temperaturanstieg von 2 °C künftig Standortsbedingungen vorherrschen, die aktuell noch nirgendwo in Bayern realisiert sind. Besonders in einigen Herkunftsgebieten Unter- und Mittelfrankens ist es deshalb notwendig, die HuV-Empfehlungen bei den Hauptbaumarten Buche, Trauben- und Stiel-Eiche um Vermehrungsgut aus solchen Regionen zu erweitern, die heute bereits wärmer und trockener sind. Bei Herkünften aus tieferen Lagen gilt: je Grad Erwärmung verschiebt sich der Anbau etwa 150 Höhenmeter nach oben. Dieses Vorgehen orientiert sich an der voraussichtlichen Klimaentwicklung. Die Herkünfte stammen aus Regionen, in denen heute das Klima herrscht, welches wir in den nächsten Jahrzehnten für das zugeordnete Herkunftsgebiet erwarten. Zusätzlich wird Vermehrungsgut der Kategorien "geprüft" und "qualifiziert" empfohlen. Allerdings sind Herkünfte aus einem wärmeren Klima in der Regel weniger an Frostereignisse angepasst. Da in Bayern trotz des Klimawandels auch (Spät-)Fröste und Nassschneelagen vorkommen werden, sind in diesen Bereichen Frost- oder Schneebruchschäden an diesen Herkünften nicht auszuschließen.
Herkünfte für Praxisanbauversuche
Diese Gruppe enthält Vorschläge für Herkünfte, die sich nach aktueller Einschätzung in Zukunft zumindest zum Anbau in Praxisanbauversuchen (PAV) eignen und zu denen möglichst schnell praxisrelevante erste Erkentnisse gewonnen werden sollten. Dies sind zum einen alternative Herkünfte von heimischen oder bei uns bereits bewährten alternativen Baumarten. Zum anderen werden Herkünfte für weitere alternative Baumarten empfohlen.
Beispiele
Im Weißtannen-Herkunftsgebiet "06-Frankenwald" ist die genetische Anpassungsfähigkeit im Vergleich zu den anderen bayerischen Herkunftsgebieten sehr gering. Deshalb wird die örtliche Herkunft nicht mehr vorrangig für Pflanzungen im selben Herkunftsgebiet empfohlen. Für dieses Herkunftsgebiet wird in erste Linie zu Saat- und Pflanzgut aus Samenplantagen geraten, die im Vergleich zu den dortigen Erntebeständen eine deutlich höhere genetische Vielfalt und Diversität aufweisen.
In Abbildung 4 ist als Beispiel für die neuen HuV-Empfehlungen das Herkunftsgebiet "24-Alpenvorland" der Rotbuche dargestellt. Hier sind die Erntebestände desselben Herkunftsgebietes als bewährte Herkünfte anzusehen, weil diese neben ihrer Anpassung an die gegebenen Umweltbedingungen nach forstgenetischen Untersuchungen eine ausreichend hohe Anpassungsfähigkeit erwarten lassen. Zusätzlich sind als klimaplastische Herkünfte Erntebestände aus den Herkunftsgebieten "18-Fränkische Alb" und "19-Bayerischer und Oberpfälzer Wald, submontane Stufe bis 800 m" aufgeführt. Diese haben ähnliche Anpassungen und es wird ebenfalls eine ausreichend hohe Anpassungsfähigkeit erwartet.
Für die bisherige Ersatzherkunft "25-Alpen, submontane Stufe bis 900 m" besteht nur noch eine befristete Empfehlung, da man bei den dortigen Erntebeständen – bedingt durch ihre Höhenlage – nicht mehr von der notwendigen Anpassungsfähigkeit ausgeht. Als Herkunft für die Praxisanbauversuche sind die Herkunftsgebiete "10, 17 und 26" aufgeführt. Daneben werden Herkünfte aus Frankreich, Tschechien, Österreich und Slowenien empfohlen. Diese Herkünfte wiesen im internationalen Buchenherkunftsversuch ein überdurchschnittliches Wachstum auf und sollten in PAVs weiter erprobt werden. Hier könnte die Anpassungsfähigkeit an höhere Temperaturen gegeben sein, die Anpassung an die jetzigen Standortsbedingungen ist aber noch zu überprüfen.
Ausblick
Der Klimawandel und die spürbaren Folgen stellen alle Akteure der Forstwirtschaft vor große Herausforderungen. Aus diesem Grund ist es wichtig, bereits heute neue Schwerpunkte zu setzen und sich den Herausforderungen zu stellen. Ein wichtiges Instrument für die Anpassung der Wälder an die sich schnell ändernden Umweltbedingungen und zur nachhaltigen Nutzung der forstlichen Genressourcen stellen die Herkunfts- und Verwendungsempfehlungen dar. Für sichere Empfehlungen ist es notwendig, vorhandenes Wissen um zusätzliche Herkunfts- und Praxisanbauversuche zu erweitern, um Anbauerfahrungen zu sammeln.
Die forstgenetische Laborforschung kann wertvolle Aussagen in Bezug auf Angepasstheit und Anpassungsfähigkeit treffen. Gerade die Forschung mit adaptiven Markern ermöglicht künftig verbesserte Aussagen über die Anpassungsfähigkeit an ganz bestimmte Klima- und Standortsbedingungen. Auch epigenetische Forschungen über den Zusammenhang zwischen Umwelteinflüssen und Genen können zu verbesserten Prognosen beitragen.
Daneben sind Maßnahmen zur Erhaltung wertvoller forstgenetischer Ressourcen nach dem „Konzept zum Erhalt und zur nachhaltigen Nutzung forstlicher Genressourcen in Bayern“ durchzuführen. Neben der Zusammenfassung der Erhaltungsmaßnahmen dient das Konzept als Grundlage für deren Umsetzung, um die vielfältigen Funktionen unserer Wälder auch für zukünftige Generationen zu sichern. Die genetische Vielfalt der Erbanlagen ist die erste und wichtigste Ebene der Biodiversität und Basis der Anpassungsfähigkeit von Waldpopulationen. Sie ist entscheidend für die Stabilität und Produktivität von heimischen Wäldern.
Das oberste Ziel ist die Erhaltung der genetischen Information am Ort ihres Vorkommens über möglichst viele Waldgenerationen hinweg. Die Bewertung der Erhaltungswürdigkeit und -dringlichkeit stellt den ersten Schritt bei der Ausweisung von Erhaltungsbeständen dar.
Um die nachhaltige und herkunftssichere Erzeugung von hochwertigem Vermehrungsgut zu steigern, sollen in Bayern vermehrt Saatgutreservebestände und Samenplantagen sowohl von heimischen Haupt- und Nebenbaumarten als auch von alternativen Herkünften und Baumarten angelegt werden. Die Wahl der geeigneten Herkunft und die Versorgung mit hochwertigem und herkunftssicherem Vermehrungsgut ist bei allen Baumarten entscheidend für den Anbauerfolg. Der Zugang zu Saatgut, das diese Voraussetzungen erfüllt, muss deshalb für alle Waldbesitzarten möglich sein. Saat- und Pflanzgut von Baumarten, die dem Forstvermehrungsgutgesetz (FoVG) unterliegen, darf nur diesen Vorschriften entsprechend geerntet und vertrieben werden.
Zuständig für die Überwachung ist die am Bayerischen Amt für Waldgenetik (AWG) angesiedelte Landesstelle. Darüber hinaus erhöht die Verwendung von genetisch überprüfbarem Vermehrungsgut die Herkunftssicherheit. Solches Saat- und Pflanzgut bieten die zurzeit auf dem Markt verfügbaren Zertifizierungssysteme "Zertifizierungsring für überprüfbare Herkunft Süddeutschland e.V. (ZüF)" und "Forum forstliches Vermehrungsgut e.V. (FfV)" an. Wenn herkunftsgesichertes Pflanzgut auf dem Markt erhältlich ist, muss dieses laut den Standards von PEFC und FSC verwendet werden.
Bei Baumarten wie Elsbeere, Feldahorn oder Flatterulme, die nicht dem FoVG unterliegen, empfiehlt das AWG, analog zum FoVG zu verfahren und nur herkunftsgesichertes Saat- und Pflanzgut zu verwenden. Im bayerischen Erntezulassungsregister sind bereits Erntebestände einiger seltener heimischer Baumarten gelistet, die das AWG genetisch und phänotypisch bewertet hat.
Die neuen Herkunfts- und Verwendungsempfehlungen bieten deutlich mehr Möglichkeiten als bisher. Dabei wird aber viel stärker auf die Eigenverantwortung der Waldbesitzenden gesetzt. Es ist Aufgabe der Försterinnen und Förster, die speziellen Bedürfnisse ihrer "Kunden" im Auge zu haben. So sollen die bisher bewährten Herkünfte in der Beratung weiter die Hauptrolle spielen. Die klimaplastischen Herkünfte und die Herkünfte für Praxisanbauversuche dagegen bieten speziell denen, die Neues ausprobieren wollen, interessante Optionen.
Die Baumschulbranche wird nicht alle neu gelisteten Herkünfte sofort anbieten können, sondern braucht Zeit, um diese möglichst herkunftsgesichert anzuziehen und ihr Sortiment entsprechend zu erweitern.
Zusammenfassung
Der Klimawandel stellt die Forstwirtschaft vor große Herausforderungen. Neben der Baumartenwahl ist die Wahl einer passenden Herkunft das A und O des Anbauerfolgs. Die HuV-Empfehlungen setzen einen doppelten Fokus, nämlich auf die Angepasstheit und die Anpassungsfähigkeit. Dies bedeutet: Das im bisherigen Klima Bewährte muss sich im (ungewissen) zukünftigen Klima erst bewähren. Damit sollen für die Waldbesitzenden neue Möglichkeiten geschaffen werden, die bayerischen Wälder fit für den Klimawandel zu machen und die genetische Grundlage für artenreiche und stabile Mischwälder zu legen. Neu sind die Einstufungen in "Bisher Bewährte Herkünfte", "Klimaplastische Herkünfte" und "Herkünfte für Praxisanbauversuche". Die bisherige Einstufung "Ersatzherkünfte" entfällt.