Es ist wissenschaftlich schon lange erwiesen, dass beim Übergang von der Gewinnung des Derbholzes ohne Rinde zur Vollbaumnutzung die Massenentnahme um 40% bis 70 % steigt. Die Entzüge der Hauptnährelemente Stickstoff, Phosphor, Kalium, Calzium und Magnesium erhöhen sich aber um 300 bis 1000 %.
Problem Nährstoffentzug
Ziel des standortskundlichen Projektteils der Studie zum Holz- und Biomassenaufkommen in Österreich (HOBI) war es abzuschätzen, auf welchen Standorten in Österreich der Entzug von Biomasse die nachhaltige Versorgung des Bestandes mit den wesentlichsten Nährelementen gefährdet.
Dafür wurden in einem ersten Schritt die Bodenvorräte (Auflage und Mineralboden) der Hauptnährelemente für die Probeflächen der Waldboden-Zustandsinventur (WBZI) errechnet.
Im zweiten Schritt wurden die Berechnungen auf alle im Wirtschaftswald gelegenen Probeflächen der Österreichischen Waldinventur (ÖWI) ausgedehnt. Da für die ÖWI-Flächen zahlreiche Standorts- und Bodenparameter vorliegen, Bodenanalysen jedoch fehlen, wurden aus dem Datensatz der Waldboden-Zustandsinventur einfache Standortstransferfunktionen entwickelt. Mit diesen können die Hauptnährstoffvorräte der einzelnen Flächen der ÖWI geschätzt werden. Neben diesen Vorräten wurden auch die Nachlieferung (Gesteinsverwitterung, atmosphärische Einträge) und der Nährstoffaustrag berücksichtigt.
Im Anschluss daran wurden die Ernteentzüge bei Nutzung im Baumverfahren (Vollbaumnutzung) in Vor- und Endnutzung für jeden Standort den Nährelementvorräten (Bodenvorrat + Eintrag + Nachwitterung - Austrag) gegenübergestellt. Dabei wurde angenommen, dass das gesamte Schaftholz und die gesamte Rinde aus dem Wald entnommen werden (abzüglich Ernteverlust), jedoch nur 70 % des Ast- und Nadelmaterials. Bei Laubholznutzungen wurde unterstellt, dass die Blätter immer im Wald verbleiben.
Die Biomassenentzüge in Bezug auf die Nährstoffvorräte wurden teilweise in Anlehnung an Meiwes et al. (2008) bewertet. Als Kriterium wurden die Prozentanteile der kurz- bis mittelfristig verfügbaren Nährstoffvorräte von Calzium, Magnesium und Kalium sowie der langfristig verfügbaren Vorräte von Stickstoff und Phosphor, die durch Vollbaumernte entnommen werden, am Bodennährstoffkapital verwendet (Bewertungsschlüssel siehe Tabelle 1).
Tabelle 1: Bewertungsschlüssel für die Nachhaltigkeit der Nährstoffversorgung bei Vollbaumnutzung (Einzelelemente), teilweise in Anlehnung an Meiwes et al. (2008); Prozentanteile der durch Vollbaumnutzung entzogenen Nährstoffe am Bodennährstoffkapital des Standortes | |||||
N % | P % | Ca % | Mg % | K % | |
nicht nachhaltig | > 60 | > 40 | > 100 | > 100 | > 100 |
wenig nachhaltig | 30 - 60 | 25 - 40 | 50 - 100 | 50 - 100 | 50 - 100 |
+/- nachhaltig | < 30 | < 25 | < 50 | < 50 | < 50 |
Der Einsatz der Vollbaumnutzung wurde als "möglich" bewertet, wenn für kein einziges Nährelement die Klassifikation "nicht nachhaltig" oder "wenig nachhaltig" vergeben wurde. Die Bewertung "problematisch" wurde vergeben, wenn für zumindest ein Nährelement die Klassifikation "wenig nachhaltig" zugeteilt wurde. Wenn für zumindest ein Nährelement die Einstufung "nicht nachhaltig" vergeben wurde, sollte die Vollbaumnutzung unterbleiben.
Als Datenbasis für die Berechnung der atmosphärischen Einträge auf die ÖWI-Flächen dienten die durchschnittlichen Jahreseinträge von Ca, Mg, K und N, die sich aus 20 Flächen des Intensiv-Monitorings (Level II des ICP Forest) und Niederschlagsdaten ergaben. Die Verwitterung wurde nach der Formel von Sverdrup (1990) berechnet. In diese Kalkulation gehen folgende Parameter ein:
- Bodenart und Bodengründigkeit (direkt aus der WBZI oder ÖWI bzw. über Standortstransferfunktionen)
- Informationen zum Ausgangssubstrat der Böden [Hydrogeologische Karte der Republik Österreich im Maßstab 1: 500.000 (2003)]
- Bodentemperatur [seehöhenabhängige Regressionsgleichung auf Basis langjähriger Messreihen des BFW (Gartner, unpubl.)]
- Austräge, mangels langfristiger Datenreihen aus der Literatur (Krapfenbauer et al. 1981; Rehfuess 1990).
Für die Berechnung der Nährstoffentzüge durch Holzernte wurden die Nährelementkonzentrationen der einzelnen Kompartimente der Biomasse aus Daten der Nadel- und Blattanalysen des österreichischen Bioindikatornetzes und aus der Literatur abgeleitet. Diese Konzentrationswerte wurden mittels der mit Prognaus errechneten Nutzungsmengen je Biomassenkompartiment und pro Umtriebszeit (U=150) zu Nährelementvorräten in der gesamten Biomasse umgewandelt.
Ergebnisse
Auf knapp der Hälfte der ÖWI-Probeflächen ist die Ernte von Biomasse (Vollbaumernte) bei nachhaltiger Nährelementversorgung möglich, während dies auf einem Viertel der Flächen als "problematisch" zu bewerten ist und auf dem restlichen Viertel "unterbleiben soll" (Abbildung 1).
Abbildung 1: Prozentanteile der Probeflächen der Österreichischen Waldinventur
Bei der Interpretation dieser Ergebnisse ist einerseits zu berücksichtigen, dass Einschränkungen für die Vollbaumernte aus standortskundlicher Sicht auch aus anderen Gesichtspunkten als der Nährstoffversorgung (zum Beispiel Bodenverdichtung, Erosion) gegeben sein können.
Andererseits kann die Ernte von Biomasse auch auf Flächen mit empfohlenen Nutzungsbeschränkungen erfolgen, wenn dem Standort entsprechende Einschränkungen (Teile der Biomasse verbleiben am Waldstandort, Vollbaumernte nicht auf der gesamten Fläche, Vollbaumernte nicht bei jeder Nutzung) beachtet werden.
Abbildung 2 zeigt die Klassifikation nach den wichtigsten Waldbodentypen. Das ungünstigste Ergebnis weisen Ranker, Bachauböden und substratbedingter Podsol auf, die jedoch jeweils nur 1 bis 2 % der Waldfläche abdecken. Semipodsole sind insgesamt etwas günstiger zu beurteilen, doch sind mehr als 30 % aller Flächen, auf denen Biomassenutzung "unterbleiben soll", aufgrund des hohen Waldflächenanteils auf Semipodsol-Standorten zu finden. Überaus günstig zu beurteilen sind silikatische Braunlehme und Auböden, beide Bodentypen nehmen allerdings nur geringe Waldflächenanteile ein.
Abbildung 2: Prozentanteile der Probeflächen der Österreichischen Waldinventur (Wirtschaftswald), auf denen Vollbaumnutzung (Ernte von Holz, Ästen, Zweigen, Rinde und Nadeln) möglich, problematisch ist oder unterbleiben soll, stratifiziert nach Bodentypen
Von den weit verbreiteten Bodentypen sind Braunerden aus Löß, Moränen und Lockersedimenten sowie Pseudogleye und Gleye am günstigsten zu beurteilen. Bei der Bewertung dieser Ergebnisse ist zu berücksichtigen, dass viele Bodentypen eine große Spannweite bezüglich der Nährstoffvorräte aufweisen, die durch ihre Lage (Neigung, Seehöhe), das Ausgangsgestein, ihre Gründigkeit und ihren Grobmaterialanteil bedingt ist.
Stickstoff ist entgegen den Erwartungen nicht jenes Nährelement, das wesentlich ausschlaggebend für Biomasse-Nutzungseinschränkungen aus ökologischer Sicht ist. Nur eine einzige Probefläche wurde in Bezug auf die Stickstoffvorräte als "nicht nachhaltig" bewertet, rund 11 % der Flächen als "wenig nachhaltig".
Ähnlich stellt sich die Situation bei Calzium und Magnesium dar: Auf etwa 1 % der Standorte ist die Magnesiumbilanz als "wenig" oder "nicht nachhaltig" zu beurteilen, auf zirka 4,5 % die Calziumbilanz.
Ausschlaggebend für das vorliegende Ergebnis sind die Phosphorvorräte, die auf 38 % der Flächen als "wenig nachhaltig" klassifiziert werden mussten, sowie die Kaliumbilanz, die auf 23 % der Flächen als "nicht nachhaltig" beurteilt wurde.
Literatur
Krapfenbauer A. & Buchleitner E.1981: Holzernte, Biomassen- und Nährstoffaustrag, Nährstoffbilanz eines Fichtenbestandes (Cbl. ges. Forstw., Band 98 (4), S. 193-223
Meiwes K.J., Asche N., Block J., Kallweit R., Kölling C., Raben G. & v. Wilpert, K. 2008: Potenziale und Restriktionen der Biomassenutzung im Wald, AFZ (63) 11, 598-604.
Rehfuess K.E. 1990: Waldböden. Entwicklung, Eigenschaften und Nutzung. Pareys Studientexte 29, Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin, 294 S.
Schubert G. (Red.) 2003: Hydrogeologische Karte der Republik Österreich im Maßstab 1: 500.000, Geologische Bundesanstalt Wien.
Sverdrup H. U. (1990): The Kinetics of Base Cation Release due to Chemical Weathering. Lund University Press, Lund, Schweden, 246 S.