Im Herbst 2021 begann im Rahmen des Projekts "Anbaueignung mediterraner Eichenarten" die Begutachtung von französischen Erntebeständen mit dem Ziel, herkunftsgesichertes Saatgut zunächst für Versuchsflächen, aber nachfolgend auch für eine langfristige Saatgutversorgung von Praxisanbauten zu beschaffen.
Verbreitung der Flaumeiche in Frankreich
Nach Angaben der französischen Forstverwaltung gibt es 1,4 Mio. ha Flaumeichenbestände mit Schwerpunkt in den Regionen Okzitanien und Alpen-Côte d’Azur. Häufig handelt es sich um durchgewachsene Nieder- bzw. Mittelwälder mit Schwerpunkt Brennholznutzung (Abbildung 1). In Kombination mit Waldweiden weisen Flaumeichenbestände häufig hutewaldähnliche Strukturen mit niedrigen Bestockungsgraden auf.
Zulassung von Erntebeständen
Trauben- und Flaumeiche bilden im Überlappungsbereich ihrer Vorkommensgebiete Hybridformen. Geeignete, artreine Erntebestände sind daher vorrangig in Südfrankreich und dem Pyrenäenvorland zu lokalisieren.
Allerdings wurden wegen der bisher forstlich geringen Bedeutung der Flaumeiche keine französischen Saatgutbestände der Kategorie "ausgewählt" nach Forstvermehrungsgutgesetz (FoVG) zugelassen. Die Flaumeichenbestände in den Hauptvorkommensgebieten sind lediglich aufgrund von Unterschieden in der Chloroplasten-DNA zu großen Herkunftsregionen in der Kategorie "quellengesichert" zusammengefasst. Genetische Unterschiede wurden zwischen den Populationen der Region Süd-West (Quercus pubescens [QPU]360), Languedoc (QPU741), Provence (QPU751) und Korsika (QPU800) nachgewiesen (Abbildung 2).
Saatguternten in diesen Regionen erfolgen ohne qualitätsorientierter Bestandesauswahl und räumlicher Abgrenzung häufig an Solitärbäumen von Waldrändern und lichten Waldweideflächen. Sie werden als Mischsaatgutpartie der jeweiligen Region für die Baumschulen bereitgestellt. Die Verwendung dieser Saatgutpartien undefinierter Qualität ist daher nur für nichtforstliche Zwecke vertretbar.
Anbieter von Forstsaatgut
Der Forstsaatgutmarkt in Frankreich wird von zwei großen Anbietern beherrscht: Der Saatguthändler Vilmorin in La Ménitré/Angers mit einer Erntetradition seit 1743 sowie die staatliche Klenge La Joux im Departement Jura. Die Staatsklenge wurde 1950 errichtet, um kriegsbedingte Wiederaufforstungsprogramme mit herkunftsgesichertem, qualitativ hochwertigem Saatgut umsetzen zu können. 1980 wurden regionale Klengen in verschiedenen Departements aufgelöst. Seitdem erfolgt die Steuerung aller staatlichen Ernten zentral von La Joux aus. Nach einem Neubau 1983 (Abbildung 3a) bedient die Klenge heute etwa 50 % des forstlichen Saatgutmarkts in Frankreich. Um die Zusammenarbeit bei der Versorgung mit Saatgut trockentoleranter Baumarten auszubauen, besuchte das Amt für Waldgenetik (AWG) den Staatsbetrieb im November 2021. Saatgut von 65 Baumarten und sämtlichen französischen Herkünften wird hier aufbereitet, gelagert und zentral an private Baumschulen vermarktet.
Staatliche Baumschulen gibt es in Frankreich nicht. Die Klenge verarbeitet Saatgut aus den staatlichen Samenplantagen mit einer Gesamtfläche von 460 ha sowie 36.000 ha zugelassener Saatguterntebestände. In Normaljahren werden ca. 50 t Eichensaatgut aufbereitet. In den letzten Jahren stieg der Anteil an vermarktetem Flaumeichensaatgut beständig. Es wird für bis zu 15 €/kg angeboten. Leider zeigte Flaumeiche im Herbst 2021 in nur wenigen Beständen eine schwache Sprengmast. Aus den meisten Gegenden wurde eine Fehlmast gemeldet. Der nationale Saatgutkoordinator war deshalb nur schwer davon zu überzeugen, Saatgut für Bayern zu verkaufen. Saatgut aus allen sechs französischen Herkunftsregionen für die in der bayerischen Trockenregion um Alzenau geplanten Herkunftsversuche war daher nicht verfügbar. Trotz des Versorgungsengpasses konnten aus einem gut geeigneten Bestand immerhin 60 kg herkunftsgesicherter Eicheln beschafft werden.
Französische Wälder sind besonders in den an Deutschland und die Schweiz angrenzenden Gebieten stark von Trockenschäden betroffen: Seit 2018 wurden vor allem in Nordostfrankreich 300.000 ha Schadflächen registriert. Im Nahbereich der Klenge waren großflächig abgestorbene Fichtenbestände zu beobachten, die künftig verstärkt durch Eiche ersetzt werden sollen.
Auch Frankreich sucht im Klimawandel nach Alternativen: So hat der Leiter der Klenge kurz vor dem Besuch des AWG Vorkommen von trockentoleranten Algerischen Eichen (Quercus canariensis) in Spanien erkundet.
D’abord la France - Frankreich zuerst!
"D’abord la France - Frankreich zuerst" ist der Grundsatz bei der Verteilung des Saatguts durch die Klenge. In unserem Nachbarland hat sich die Nachfrage nach Flaumeicheln binnen der letzten zwei Jahre verzwanzigfacht: Wurden früher jährlich etwa 350 kg geerntet, betrug allein der Bedarf für den Staatswald im Erntejahr 2020/21 fast 7 Tonnen. Programme zur gezielten Migration von trockentoleranten Eichenarten und Buchenherkünften aus Südfrankreich in die Schadregionen von Nordfrankreich verstärken außerdem den Bedarf an Flaumeiche. Ein Versuchsflächennetz von zwei Hektar großen "Inseln der Zukunft" mit Alternativbaumarten – vergleichbar den bayerischen Praxisanbauversuchen – heizt die Nachfrage nach Saatgut trockentoleranter Baumarten zusätzlich an.
Diese Prioritäten wurden an einem praktischen Beispiel besonders deutlich: Unmittelbar vor unserer Ankunft im Departement Lozère war – vom örtlichen Förster dem AWG bereits schriftlich in Aussicht gestelltes – Flaumeichensaatgut auf Anweisung von "oben" 500 km an die kurz zuvor besuchte Klenge in La Joux abtransportiert worden.
Nach dem Besuch der Klenge wurden im Rahmen der Ernteerkundung potenzielle Saatguterntebestände 200 Kilometer nordöstlich von Toulouse im Departement Lozère mit Unterstützung des Forstamts Castres begutachtet. Nach Aussage der französischen Kollegen dominieren in dieser Region Flaumeichen (Abbildung 2 links), während mit zunehmender Verbreitung nach Norden verstärkt Hybidformen mit Traubeneiche auftreten. Die südfranzösischen Vorkommen im Kernbereich der Flaumeichenverbreitung stehen daher vorrangig im Mittelpunkt der Saatbeschaffung.
Bei einem besichtigten Bestand wurde die Saatguternte mit Netzen, Handsammlern und Baumkletterern durchgeführt. Die Baumsteiger waren eigens aus Nordfrankreich angereist und wurden zentral über die Klenge abgerechnet. Die staatliche Forstverwaltung vor Ort verfügt nach eigenen Aussagen weder über Personal noch über Budget, um eigenständig eine Saatguternte mittels Unternehmern durchführen können. Das Interesse der regionalen Kollegen, für Bayern Ernten durchzuführen, stößt daher an Grenzen.
Private Waldbesitzer sind der Schlüssel
Die Eichenbestände in der Region Okzitanien befinden sich überwiegend in Privatbesitz. Auf Grund günstiger Umstände konnte ein Kontakt mit dem Waldbesitzer eines gut geeigneten Erntebestands aufgebaut werden. Über diese Schiene kann das AWG im kommenden Jahr Saatgut beschaffen (Abbildung 4).
Interessanterweise ergab sich auch eine Gesprächsmöglichkeit mit einem Waldeigentümer, in dessen Bestand die französische Forstverwaltung geschätzt 600 kg Eicheln geerntet hatte, ohne dass dieser eine Vorstellung hinsichtlich Marktpreisen und eigenständiger Vermarktungsmöglichkeiten hatte. Im fachlichen Austausch mit dem örtlichen Förster wurde offensichtlich, dass die französischen Forstkollegen an manchen Waldorten ernten, ohne den Besitzer des jeweiligen Bestands zu kennen.
Ausblick
Die Saatguternte bei Flaumeiche hatte in Frankreich wegen mangelnder Nachfrage bis vor kurzem keine Bedeutung. Mit Voranschreiten des Klimawandels wird sich diese Situation jedoch ändern, da der Saatgutbedarf wegen Waldumbauprogrammen nicht nur in Frankreich stark ansteigt. Erntefirmen werden sich verstärkt nach Erntemöglichkeiten umschauen. Für die Saatgutbeschaffung lohnt sich eine Kooperation mit Saatgutfirmen, da auf diesem Weg mehr Saatgut bereitgestellt werden kann. Allerdings haben die Firmen kein Interesse, geeignete Saatguterntebestände mit den zugehörigen Kontakten zu Waldbesitzern und Ernteunternehmern offenzulegen, damit die Konkurrenz diese Optionen nicht ebenfalls nutzt.
Die im Interesse der Herkunftssicherung unverzichtbare Rückverfolgung von Saatgutpartien bis hin zu konkreten, räumlich definierten Erntebeständen stellt in Frankreich und weiteren Ländern, in denen Flaumeichen bis jetzt nur summarisch in großen Ernteregionen in der Kategorie "quellengesichert" zusammengefasst sind, eine Herausforderung dar. Saatgut aus diesen Regionen darf in Deutschland an den Endverbraucher nur mit Ausnahmeerlaubnis der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) ausschließlich für wissenschaftliche Vorhaben und nichtforstliche Zwecke vermarktet werden.
Die reguläre Beerntung von Beständen für die Verbringung von Flaumeichensaatgut von Frankreich nach Deutschland wird erst dann umsetzbar sein, wenn zahlreiche Erntebestände der Kategorie "ausgewählt" nach der EU-Richtlinie 1999/105 durch die französischen Forstdirektionen zugelassen sind. Da für Saatgutfirmen sehr gute Vermarktungschancen für Eichensaatgut der Kategorie "quellengesichert" innerhalb Frankreichs bestehen, besteht keine hohe Priorität für die französische Forstverwaltung, zügig Saatguterntebestände in der Kategorie "ausgewählt" für die Vermarktung von Eicheln in Deutschland zuzulassen.
Ein Mitarbeiter am französischen Forstministerium beschrieb folglich die Zulassungsnotwendigkeit von Beständen der Kategorie "ausgewählt" als nachrangig, da Flaumeiche nicht wie die Stiel- und Traubeneiche über Jahrhunderte forstlich selektiert wurde und sie durch eine geringere Qualität und forstwirtschaftliche Leistungsfähigkeit gekennzeichnet sei.
Um die Saatgutversorgung mit Flaumeichensaatgut definierter Qualität sicherzustellen, wird die französische Forstverwaltung im Jahr 2023 zwei Samenplantagen mit einer Gesamtfläche von 20 ha in Zentralfrankreich etablieren. Das AWG wird sich bemühen, die entstandenen Kontakte auszubauen, um Möglichkeiten für Kooperationen auszuloten.
Zusammenfassung
Die ersten Erfahrungen mit der Erschließung herkunftsgesicherter Saatgutquellen in Frankreich haben gezeigt: Es erfordert einen langen Vorlauf mit vielen Mails und Telefonaten, gute französische Sprachkenntnisse und Gespür für das Gegenüber, um mit Kollegialstellen, Waldeigentümern und Erntefirmen erfolgreich ins Gespräch zu kommen. Niemand in Frankreich wartet darauf, Saatgut – insbesondere von den selteneren Baumarten – nach Bayern zu vermarkten. Die französischen Kollegen waren freundlich, aber zurückhaltend.
Hinsichtlich der Qualität von Flaumeichenbeständen kann sich die Messlatte nicht an bayerischen Eichenzulassungsbeständen orientieren. Es ist schon viel erreicht, wenn geeignete Erntebestände lokalisiert, das gewonnene Saatgut diesen zweifelsfrei zugeordnet und nach Bayern verbracht werden kann. Ziel ist die rasche Zulassung französischer Bestände in der Kategorie "ausgewählt". Nur so kann verhindert werden, dass in Deutschland weitere Bestände mit nicht für forstliche Zwecke geeignetem Pflanzgut begründet werden. Eine Saatgutversorgung für Alternativbaumarten, die in Deutschland nicht vorhanden sind, setzt die Etablierung langfristiger Kontakte sowie die Anpassung forstsaatgutrechtlicher Bestimmungen voraus.
In diesem Projekt, gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF), werden neben Flaumeiche (Quercus pubescens) auch Zerreiche (Quercus cerris) und Ungarische Eiche (Quercus frainetto) bearbeitet. Wer Bestände von Flaumeiche, Zerreiche und Ungarischer Eiche kennt: bitte an das AWG melden!