Mehr Witterungsextreme

Länger andauernde Hitze- und Trockenperioden, gleichzeitig aber ein bleibendes Risiko für Frostschäden – die Klimaszenarien für Deutschland sind nicht gerade erfreulich. Gerade auf größeren Freiflächen, wie sie z.B. nach Sturm oder Schädlingsbefall entstanden sind, werden solche Witterungsextreme künftig verstärkt auftreten. Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer sollten also für die Wiederbestockung solcher Freiflächen vornehmlich solche Baumarten auswählen, die mit diesen Bedingungen zurechtkommen – also große jährliche Temperaturschwankungen (hohe sommerliche Temperaturen, Winter- und Spätfröste), aber auch periodische Wasserdefizite in der Vegetationsperiode tolerieren können.

Eine Baumartengruppe, die dafür in Frage kommt, ist die unser heimischen Eichenarten. An der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchdanstalt (NW-FVA) werden daher mehrere Forschungsansätze zu ökologisch-genetischen Untersuchungen an der Eiche umgesetzt, um wertvolle genetische Ressourcen für die Nutzung von Eichen bei künftigen Walderneuerungen identifizieren und nachhaltig vermehren zu können.

Nutzung verfügbarer Genressourcen

Eichen zeigen sich deutlich unempfindlicher gegenüber Trockenstress als viele andere mitteleuropäische Baumarten. Unsere häufigsten Eichenarten sind die Stiel-Eiche und die Trauben-Eiche. Trauben-Eichen nutzen die Bodenwasservorräte besonders effizient und schneiden diesbezüglich im Vergleich besser ab als die Stiel-Eichen. Sie eignen sich daher für extreme Standorte: Bis heute finden sich alte Reliktbestände der Trauben-Eiche auf sehr trockenen Arealen an schwer zugänglichen, unbewirtschafteten Blockschutt- und Felshängen. Auf noch trockeneren Standorten kommt eine weitere heimische Eichenart ins Spiel: die Flaum-Eiche. In sogenannten Flaum-Eichen-Transitionswäldern kommen zunächst beide Arten (Flaum- und Trauben-Eichen) sowie ihre Hybriden in Mischung vor. Diese Eichenartenkomplexe sind nicht nur – wie vielfach angenommen – auf Standorte im Südwesten Deutschlands beschränkt. Sie kommen auch im östlichen Brandenburg und nordwestlichen Polen vor. Dort haben waldbauliche Beobachtungen gezeigt, dass Hybriden zwischen Trauben- und Flaum-Eiche mit hoher Vitalität in Bestandeslücken einwandern können, wo sogar vermehrt Kiefern wegen extremer Trockenheit abgestorben sind.

Da Eichen vorwiegend künstlich verjüngt werden, braucht man große Mengen an forstlichem Vermehrungsgut.  Es ist daher besonders wichtig, geeignete Saatgutquellen auszuwählen, denn nur mit angepasstem Vermehrungsgut kann der Grundstein für vitale Bestände unter künftigen Klimabedingungen gelegt werden. Die Erfassung und nachhaltige Nutzung verfügbarer Genressourcen heimischer Eichenarten stellt nicht nur einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung arten- und strukturreicher, klimaresilienter Mischbestände dar, sondern dient auch zur Risikovorsorge zum grundsätzlichen Walderhalt unter Extrembedingungen.

Anpassungspotenzial der Eichen

Eichenarten besitzen eine überdurchschnittliche genetische Variabilität. Ein Grund dafür ist der hohe Genaustausch insbesondere durch Pollenflug, wodurch neue Genvarianten aus anderen Umweltsituationen „importiert“ werden können. Dieser effiziente innerartliche „Genfluss“ wird als ein Grund für das hohe Anpassungspotenzial der einzelnen Eichenarten hinsichtlich klimarelevanter Merkmale gewertet. Unsere heimischen Eichenarten haben aber noch eine weitere vorteilhafte Eigenschaft: Genaustausch zwischen Arten über die Bildung von Hybriden. Da die natürliche Selektion innerhalb von Baumarten aufgrund der langen Generationszeiten nur sehr langsam verläuft, kann zwischenartlicher Genaustausch eine schnellere Anpassung an extreme Umweltverhältnisse begünstigen. Hybridisierung zwischen nah verwandten Eichenarten mit unterschiedlichen ökologischen Anpassungen tritt regelmäßig in den natürlichen Kontaktzonen verschiedener Arten auf. Dieser Vorgang ist grundsätzlich zwischen allen drei heimischen Arten möglich, am häufigsten jedoch zwischen der Trauben- und der Flaum-Eiche auf extrem trockenen Standorten. In Überlappungszonen der beiden Arten führt das zu sogenannten „Hybridschwärmen“.

Genetische Vielfalt und Anpassungsmuster

Genetische Vielfalt innerhalb einer Art ist die Voraussetzung für Anpassungsfähigkeit an veränderte Umweltbedingungen und daher für einzelne Populationen und die gesamte Art überlebenswichtig. Dies gilt auch für unsere Eichenarten, die schon lange vor menschlichen Einflüssen mit sehr unterschiedlichen Lebensraumbedingungen konfrontiert waren und sich an verschiedene Klimazonen (ozeanisch bis kontinental), Höhenlagen (Meereshöhe bis 1.800 m ü. NN) und Wasserhaushalte (zeitweise überflutet bis extrem trocken) angepasst und diese „Erfahrungen“ in ihrem Genpool gespeichert haben. Die so entstandenen genetischen Anpassungsmuster innerhalb der Verbreitungsgebiete haben bislang aber nur ansatzweise in der praxisrelevanten Forschung Beachtung gefunden. Da nicht alle Eichen unempfindlich auf Trockenstress reagieren, sind Informationen über die Eignung von forstlichem Vermehrungsgut für heutige und künftige Standortbedingungen für die künstliche Begründung von Beständen daher von besonderer Bedeutung.

Bedeutung heimischer Herkünfte

Aktuell wird oft diskutiert, ob in Zeiten des Klimawandels fremde, mediterrane Eichenarten oder fremde Herkünfte heimischer Arten aus wärmeren und trockeneren Regionen Süd- und Südosteuropas in Deutschland eingeführt werden sollen. Viele Anbauversuche haben jedoch gezeigt, dass dies in den meisten Regionen Deutschlands nicht empfohlen werden kann. Provenienztests mit südosteuropäischen Trauben-Eichen-Herkünften belegen die hohe Anfälligkeit gegenüber Spätfrösten. Aber nicht nur Spätfröste, auch tiefe Wintertemperaturen werden nach wie vor auch unter der prognostizierten Klimaveränderung periodisch auftreten (wie zum Beispiel die extreme Frostperiode in Norddeutschland mit unter -25 °C im Februar 2021). Dafür sind insbesondere mediterrane Herkünfte nicht geschaffen. Aufgrund einiger Anbauerfahrungen besteht aus heutiger Sicht deshalb wenig Hoffnung, lokale Vorkommen Mitteleuropas durch süd- und südosteuropäische Herkünfte ersetzen zu können. Für den Aufbau neuer, klimastabiler Wälder sollte daher im Wesentlichen auf das Anpassungspotenzial einheimischer Herkünfte zurückgegriffen werden. Hier sollte auf die Verfügbarkeit unterschiedlicher, erblich bedingter Anpassungsmuster gesetzt werden, was bislang nur wenig Berücksichtigung gefunden hat.

Forschung an der NW-FVA

Verschiedene Projekte an der NW-FVA beschäftigen sich mit dem Anpassungsspektrum unserer heimischen Eichenvorkommen:

• Erfassung der genetischen Vielfalt sowie der Artzusammensetzung der ausgewählten Bestände (Trauben-, Flaum- oder Hybridformen) mit Hilfe von DNA-Untersuchungen.

• Erfassung von Eichen-Herkünften, die den Wasserhaushaltsgradienten vollständig abdecken (von gut wasserversorgt bis extrem trocken).

• Beerntung von Einzelbäumen an diesen Standorten und die Anzucht von Versuchsmaterial für die Anlage von Versuchsserien.

Bäume aus dem Reagenzglas

Für Forschungszwecke werden an der NW-FVA ausgewählte Altbäume unter sterilen Bedingungen im „Reagenzglas“ nachgezüchtet. Denn der Einfluss von Genetik und Umwelt auf bestimmte Eigenschaften kann nur durch die Erzeugung genetisch identischer Kopien eines Baumes eindeutig bestimmt werden. Da sich viele Baumarten in der Regel nicht oder nur sehr schwer über die konventionelle Stecklingsvermehrung vermehren lassen, hat sich die NW-FVA auf die In-vitro-Vermehrung (=Mikrovermehrung) spezialisiert. Die Technik ermöglicht es, Bäume von Standorten mit unterschiedlichen Umweltbedingungen (von Extremstandorten bis hin zu optimalen Standortverhältnissen) vegetativ zu vermehren und anschließend sowohl unter Laborbedingungen als auch im Freiland zu testen. Weitere Vorteile der In-vitro-Vermehrung: Die Produktion von Versuchsgliedern ist unbegrenzt und unabhängig von Jahreszeiten möglich. So können Pflanzen ganzjährig produziert und in ihrer jeweiligen Lebensphase für die Versuchsdurchgänge synchronisiert werden. Diese Methode bietet somit eine erhebliche zeitliche Beschleunigung von Forschungs- und Züchtungsvorhaben, was in Anbetracht des hohen Veränderungsdrucks durch die Dynamik des Klimawandels gerade bei Arten mit sehr langen Generationszyklen von großer Bedeutung ist.

Abb. 4: Schritte der vegetativen Vermehrung von Eichen mit Hilfe der In-vitro-Technik. Fotos: Irene Wenzlitschke (NW-FVA)

Aktuelle Saatgutversorgung

Forstvermehrungsgut unserer heimischen Eichenarten wird hauptsächlich in zugelassenen  Saatguterntebeständen (SEB) gewonnen. Diese stocken jedoch zum größten Teil auf Standorten, die eine mittlere bis gute Wasserversorgung vorweisen. Mit zunehmender Trockenheit sinkt die Fläche der für die Produktion von forstlichem Vermehrungsgut zugelassenen Bestände. Auf Marginalstandorten existieren keine SEB mehr, obwohl in diesem Bereich noch Eichenbestände, meist Trauben-Eichen oder möglicherweise sogar Hybrid-Formen mit der Flaum-Eiche, zu finden sind. Der Grund für die Unterrepräsentanz der trockenen Standorte dürfte folgender sein: Eichenvorkommen auf sehr trockenen Standorten entsprechen meist nicht den Mindestkriterien der Forstvermehrungsgut-Zulassungsverordnung (FoVZV). Diese schreibt neben einer guten Vitalität auch einen überdurchschnittlichen Volumenzuwachs und eine überdurchschnittliche phänotypische Ausstattung vor. Dazu kommen nur wenige tatsächlich durchgeführte Saatguternten: Gerade bei den kommerziellen Ernten werden die trockenen und sehr trockenen Standorte mit ihrer häufig geringeren Fruktifikation gar nicht oder nur sehr selten berücksichtigt. Für Standorte mit erhöhtem Trockenstressrisiko steht also oftmals lediglich gering angepasstes Material zur Verfügung. Dies kann zu hohen Ausfällen bei der Wiederbegründung von Waldflächen und – in der Folge – zu einem deutlichen wirtschaftlichen Minderertrag führen.

Fazit

Über die gesamte Bandbreite des erblich bedingten Anpassungspotenzials unserer Eichenarten ist bislang nur sehr wenig bekannt. Die Verwendung von nur schlecht an Dürre- und Hitzeperioden angepasstem Vermehrungsgut erschwert nicht nur die künftige Wiederaufforstung von Waldbeständen, sondern hat womöglich auch zu deutlichen Vitalitätsschwächen in künstlich begründeten, älteren Eichenbeständen geführt. Solche Bestände stellen dann auch eine Eintrittspforte für weitere (biotische) Schädigungen dar, z.B. durch den Eichen-Prachtkäfer. Kommen die Forschungsvorhaben der NW-FVA zu dem Ergebnis, dass das derzeitig am Markt verfügbare Saatgut nicht gut für Trockenstandorte geeignet ist, sollten in den schon jetzt trockenen Regionen gezielt Saatguterntebestände identifiziert und zugelassen werden. Der standörtliche Aspekt des Trockenstresses wird dann in künftigen Herkunfts- und Verwendungsempfehlungen differenziert berücksichtigt werden müssen. Eine entsprechende Änderung und Anpassung gesetzlicher Rahmenbedingungen sowie der Kriterien für die Zulassung von Saatguterntebeständen wäre dann dringend geboten.