Der Sturm Kyrill hat im Lattengebirge bei Bad Reichenhall etwa 150 Hektar fichtendominierten Bergwald geworfen. Das Sturmholz wurde aus Forstschutzgründen komplett aus der Fläche entfernt (Abb. 1), im Folgejahr (2008) gab es Saaten und Pflanzungen. Die Wiederbewaldung der Fläche wurde wissenschaftlich begleitet und Veränderungen des Stoffhaushaltes untersucht. Das Untersuchungsgebiet charakterisiert sich folgendermaßen:
Höhenlage | 1.450 m ü. NN |
Höhenstufe | Übergang von hochmontaner zu subalpiner Stufe |
Jahresmitteltemperatur | 3-4 °C |
Jahresniederschlag | >2.000 mm |
Klima | kühl und humid |
Schneebedeckung | lange, meist bis Ende April/ Anfang Mai |
Über dem anstehenden Dachsteinkalk liegt ein kleinräumiges Mosaik aus Fels-Humusböden, Rendzinen und Terra Fuscae. Äolische Flugstaubeinträge tragen wahrscheinlich zu einer Verbesserung der Standortseigenschaften bei.
Die potenzielle natürliche Vegetation am Standort wäre ein Carbonat-Bergmischwald im Übergang zum tiefsubalpinen Carbonat-Fichtenwald. Vor dem Sturm war ein etwa 200 Jahre alter Fichtenbestand mit wenigen beigemischten Lärchen vorhanden. Naturverjüngung hat auf der Fläche aufgrund von Lichtmangel, Verbiss und Waldweide weitgehend gefehlt.
Wiederbewaldungsstrategien – Saat
Bei dem angelegten Saatversuch fielen über die Hälfte der Saatplätze aus. Das lässt die Saat als Wiederbewaldungsstrategie für geräumte, südexponierte, humusreiche Kalkstandorte als fragwürdig erscheinen. Besonders der dunkle Humus weist bei Freilage sehr ungünstige mikroklimatische Bedingungen auf: Er trocknet im direkten Sonnenlicht sehr stark aus und seine oberste Bodenschicht kann sich bis über 70 °C erhitzen – ein sehr schlechtes Keimsubstrat. Bei flächigen Humusauflagen (Fels-Humusboden) ist daher wohl eine umgehende Pflanzung die bessere Wahl.
Beim hellen Mineralboden waren die Auflaufergebnisse dagegen deutlich besser. Die Saat wäre eventuell auf stark gestörten Standorten (viel Mineralboden liegt frei) ein geeignetes Verfahren oder zumindest eine Ergänzung zur Pflanzung. Die Saat von Fichte, Lärche und Grauerle kann unter optimalen Bedingungen innerhalb von fünf Vegetationsperioden ähnliche Höhen erreichen wie zum gleichen Zeitpunkt durchgeführte Pflanzungen.
Wiederbewaldungsstrategien – Pflanzung
Die gepflanzten Pionierbaumarten (Weißerle, Mehlbeere, Vogelbeere) und Baumarten mit Pioniercharakter (Lärche) zeigten deutlich höhere Zuwächse (>20 cm im Jahr 2012) als die Schlusswaldbaumarten Fichte, Buchte, Tanne und Bergahorn (Abb. 2).
Die Überlebensraten waren bei Topf-/Containerpflanzen meist höher als bei den wurzelnackten Pflanzvarianten. Leidglich von den wurzelnackten Vogelbeeren überlebten ebenfalls über 90 Prozent. Bei den Herbstpflanzungen gab es – außer bei der Lärche – geringe Ausfälle als bei den Frühjahrspflanzungen (Abb. 2).
Idealer Kleinstandort
Bei fast allen Baumarten wirken sich Humusauflagen und eine hohe Gesamtbodenmächtigkeit signifikant positiv auf das Pflanzenwachstum aus. Ebenfalls signifikant positiv ist die Nähe zu Wurzelstöcken (Abb. 3). An südexponierten Hängen sind Standorte vorteilhaft, an denen die Pflanzen durch ein Hindernis vor der extremen Mittagssonne geschützt sind. Hohe und dichte Begleitvegetation hat keinen negativen Einfluss auf die Entwicklung der Pflanzen, ist eher ein Zeiger für die Standortsgüte; besonders wenn es sich um Nährstoffzeiger wie Himbeere, Holunder oder Weidenröschen handelt. Die Begleitvegetation dient der Kunstverjüngung eventuell sogar als Strahlungsschutz.
Die optimale Auswahl des Kleinstandortes hat somit einen entscheidenden Vorteil für die Entwicklung der Pflanzen. Dieser Aspekt wird gerade bei der im Gebirge teuren Pflanzung interessant. Mit einem einfachen Sondierungsverfahren (z.B. mit stabilen Fieberglasstäben) für die Pflanzer könnte die Bodentiefe (evtl. auch die Humusmächtigkeit) einfach und schnell überprüft werden. Das könnte die Standortauswahl optimieren und das vergebliche Graben von zu geringmächtigen Pflanzlöchern einsparen. Die höheren Pflanzerfolge würden sicherlich die zeitaufwändigere Standortssuche aufwiegen.
Abb. 3: Sowohl die Naturverjüngung als auch die gepflanzten Bäume wachsen in der Nähe von Wurzelstöcken deutlich besser (Foto: M. Kohlpaintner).
Nährstoffversorgung der Verjüngung
Die Nährstoffgehalte der Verjüngung zeigen bei fast allen künstlich eingebrachten Baumarten einen deutlichen Pflanzschock im Jahr 2009 an; bis hin zu extremen Nährstoffmängeln. Nach 2009 stiegen die Nährstoffgehalte wieder an. Die Naturverjüngung war im Untersuchungszeitraum fast immer besser ernährt als die Kunstverjüngung. Nach vier bzw. fünf Vegetationsperioden zeigten sich beiden 21 nährstoffkundlich eingewerteten Pflanzvarianten:
Eisenmangel | 19 Fälle |
Kaliummangel | 15 Fälle |
Stickstoffmangel | 14 Fälle |
Phosphormangel | 11 Fälle |
Schwefelmangel | 10 Fälle |
Zinkmangel | 10 Fälle |
Diese Nährstoffe scheinen an diesem Standort limitierend für das Wachstum zu sein; wobei Eisen, Kalium, Stickstoff und Phosphor typische Mangelelemente kalkalpiner Standorte sind. Die Nährstoffkonzentrationen unterliegen – auch bei der Naturverjüngung – starken jährlichen Schwankungen.
Die Nährstoffmängel der Pflanzen waren auf Dolomit deutlich ausgeprägter als auf Kalk. Die meisten Baumarten waren auf Dolomit deutlich schlechter mit Stickstoff, Phosphor, Kalium und Mangan, teilweise auch mit Zink versorgt. Eisen war auf beiden Standorten meist im Mangel. Lediglich die Kiefer war auf den untersuchten Dolomitstandorten ausreichend mit Nährstoffen (außer Eisen) versorgt.
Veränderungen in Stoffhaushalt und Humusschwund
Die mittlere Nitratkonzentration war bis 2010 auf der geräumten Sturmwurffläche unter allen beprobten Böden viel höher als im intakten Wald (Abb. 4). Die höchsten Konzentrationen finden sich unter Tangelhumusauflagen. Vereinzelt wurden sogar Nitratkonzentrationen von bis zu 250 Milligramm pro Liter festgestellt; solch hohe Werte kennt man bisher nur von Kahlschlägen im Flachland. In den ersten drei Jahren nach der Katastrophe treten neben Stickstoff auch sehr hohe Verluste an Kalium, Schwefel und anderen Nährstoffen auf. Diese Nährstoffe fehlen der folgenden Waldgeneration.
Innerhalb der ersten drei Jahre nach dem Sturmwurf geht aufgrund erhöhter Mineralisation und Erosion ein Teil der Humusauflage verloren. Für die Jahre 2010 und 2011 wurden Kohlenstoffverluste infolge von Mieralisation von etwa zehn Tonnen pro Hektar ermittelt. Während die Nährstoffe vor allem mit dem Sickerwasser ausgetragen werden, entweicht der Kohlenstoff dagegen vor allem als CO2 in die Atmosphäre. Mit dem Kohlenstoff gehen dem Standort auch Wasserspeicherkapazität und Austauschkapazität für Nährstoffe verloren.
Untersuchungen zur Nährstoffverfügbarkeit haben gezeigt, dass bereits in einem sich auflösenden Altbestand (z.B. nach Borkenkäferbefall) die Mobilität von Phosphor und Stickstoff stark ansteigt. Wenn zu diesem Zeitpunkt keine Verjüngung vorhanden ist, geht dieses Nährstoffpotenzial verloren. Auf zusammengebrochenen und anschließend geräumten Flächen ist die Nährstoffverfügbarkeit am höchsten. Kalium scheint besonders mobil zu sein, innerhalb weniger Jahre nach der Störung ist ein Großteil davon ausgetragen. Daher lässt die Kaliumverfügbarkeit bereits nach zwei bis drei Jahren wieder nach. Um die durch Mineralisation freiwerdenden Nährstoffe im Ökosystem zu halten ist es daher besonders wichtig, dass eine Vorausverjüngung bereits vor der Bestandsauflösung etabliert ist. Dolomitstandorte sind diesbezüglich noch sensibler als Kalkstandorte.
Um unsere Bergwälder fit für die Zukunft zu machen, müssen alle Maßnahmen ausgeschöpft werden, die eine üppige, natürliche und gemischte Verjüngung der Bestände ermöglichen.