Schutzwälder können ihre Funktion nach gängiger Mei­nung nur dann nachhaltig erfüllen, wenn sie eine ausreichende, gut verteilte und überlebensfähige Verjüngung aufweisen (Abb. 1, 2 und 3). Was genau "eine ausreichende Verjüngung" bedeutet, ist aber nicht genau definiert. Die meisten Förster können dies aufgrund ihrer grossen Erfahrung für ihre Region gut einschätzen.

Untersuchungen zum Thema gibt es nur wenige. In der Wegleitung "Nachhaltigkeit im Schutzwald" (NaiS) werden detaillierte, praktische Empfeh­lungen zur Verjüngung im Schutzwald angegeben. Es wäre jedoch erwünscht und wertvoll, zusätzlich Bandbreiten oder Sollzahlen für die minimal notwendige Verjüngung solcher Bestände zu kennen, womög­lich differenziert nach verschiedenen Standorten.

Auf Sollzahlen setzen

Gut aufgebaute Plenterwälder weisen eine nachhaltige Verjüngung auf; sie sind Vorbild für Schutzwälder mit langfristiger Wirkung (Abb. 3). Eine gute Kenntnis der Verjüngungsstruktur im Plenterwald kann uns daher eine Grössenordnung für "not­wendige Sollzahlen" der Verjüngung an­derer stufig aufgebauter Bestände auf vergleichbaren Standorten liefern.

Die Ertragskunde der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL beobachtet und betreut 70 langfristige Plenterver­suchsflächen auf unterschiedlichen Standorten in der ganzen Schweiz. Viele dieser Flächen befinden sich seit Jahrzehnten annähernd in einem Plentergleichge­wicht, sie müssen in diesen Jahren immer genügend Verjüngung aufgewiesen haben. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte sich die Plenterstruktur vom Gleich­gewicht entfernt und die Bestände wären immer gleichförmiger geworden.

In einem neueren Projekt der WSL wurde in sieben dieser Flächen die Ver­jüngung ab Sämlingsalter 1 mit Stichpro­ben erhoben (Tab. 1). Ziel der Untersu­chung ist, den Verjüngungszustand der Plenterflächen darzustellen und anderer­seits zu versuchen, daraus Bandbreiten für die Überführung anderer Wälder in nachhaltige Wälder mit Schutzfunktion abzuleiten.

Tabelle 1 - Die Stichprobenaufnahmen der Verjüngung in den untersuchten Plenterwaldflächen.

FlächeBestand/WaldgesellschaftHöhe ü. M. (m)Aufnahme:
Vegetationsjahr
Fläche (ha)
Le Chenit (nur Fi + Ta)Fi-Ta Plenterwald mit Laubholz135020021,97
Obersaxen 01Fi Gebirgsplenterwald172020041,01
Obersaxen 09Fi Gebirgsplenterwald172020041,22
Toppwald 01Fi-Ta (-Bu) Plenterwald97020011,78
Toppwald 02Fi-Ta (-Bu) Plenterwald97020011,24
Schallenberg RauchgratFi-Ta-Plenterwald108020052,50
Basadingen (alle Baumarten)Dauerwald: Laub- und Nadelholz45020031,73

Stammzahlverteilung gibt wert­volle Hinweise

Die typischen Stammzahl- bzw. Durch­messerverteilungskurven, wie man sie von kluppierten Plenterbeständen her kennt, setzen sich in allen betrachteten Beständen übergangslos in der gleichen Form fort bis hinunter zum Sämling (Abb. 4). Die Stammzahlen nehmen im untersten Bereich der Kurve mit zuneh­mender Baumhöhe sehr rasch ab. Das heisst, in den ersten Jahren nach der An­samung ist die Mortalität der kleinen Bäume sehr hoch. Die Sterberate nimmt aber sehr rasch ab und erreicht ab Baum­höhen von ca. 2 m nur noch einstellige Prozentwerte pro Jahr und Klasse. Die Mortalität im kluppierten Bestand ≥ 8 cm BHD beträgt dann nur noch etwa 0 bis 3% pro Jahr und BHD-Klasse.

An Sollstammzahlen orientieren

Die vorhandene Verjüngungsstamm­zahl im Plenterwald pro Höhen- oder Stärkeklasse ist anscheinend vom Stand­ort abhängig. Auf weniger produktiven oder höher gelegenen Standorten zähl­ten wir in unserer Untersuchung kleinere Stammzahlen als auf produktiveren oder tiefer gelegenen (Abb. 5). In absoluten Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass auf schlechteren Standorten weniger Bäume ausfallen dürfen als auf besseren, wenn das Gleichgewicht bestehen blei­ben soll.

Die Erfahrung bestätigt, dass ein Gleichgewicht im Gebirgswald viel labiler ist als in tiefen Lagen, weil die Bäume im Jungwuchs nicht im Überfluss vorhanden sind und Ausfälle nicht so rasch kompensiert werden können. Das Überleben eines einzelnen Baumes hat im Gebirgs(plenter)wald daher eine viel grössere Bedeutung für die Bestandesstruktur als im Wald tieferer Lagen.

In Schutzwäldern ist eine langfristig nachhaltige Verjüngung für die Erhaltung der erwünschten Schutzwirkungen des Waldes unerlässlich. Aller­dings ist zu beachten, dass nicht nur eine ideale oder nachhaltige Stammzahlverteilung nach Durchmesser- oder Höhen­klassen entscheidend ist, sondern die dauernde, mechanische Stabilität der Bestände. Fragen des Nachwuchses müssen daher längerfristig und räumlich differenziert gesehen wer­den.

Die Verjüngungsdaten aus unseren Versuchsflächen liefern aber mit den abgeleiteten "Bandbreiten der vorhandenen Verjüngung" zusätzliche Anhaltspunkte für die "anzustrebende, notwen­dige Verjüngung" in ungleichförmigen Wäldern auf verschiedenen Standorten. So lässt sich zum Beispiel aus Abbildung 5 herauslesen, dass auf Gebirgsstandorten wie in Obersaxen ungefähr 100 bis 500 Bäume von 50,0 bis 89,9 cm Höhe und etwa 100 bis 300 Bäume von 0,0 bis 3,9 cm BHD vorkommen sollten, damit der Nachwuchs gesichert ist.

(TR)