Weichenstellung für Jahrzehnte
Draußen auf der Fläche ist die Försterin oder der Förster mit den Fragen der Baumartenwahl konkret und zeitnah konfrontiert. Die getroffene Entscheidung ist eine Weichenstellung für die nächsten Jahrzehnte. Parallel arbeitet die Forschung auf Hochtouren: Es werden Modelle gerechnet und neue Baumarten diskutiert. Solche Untersuchungen sind sehr wichtig, brauchen jedoch Zeit und Beobachtung. Was sich bereits gezeigt hat, eine Patentlösung oder eine Universalbaumart gibt es nicht. Das Frühjahr 2020 und der vergangene Winter zeigten eindrücklich, dass Klima nicht mit Witterung gleichgesetzt werden darf. Wenn auch Trockenheit und Hitze zuletzt in Nordwestdeutschland bestimmend waren und sicher in Zukunft auch sein werden, hat der Winter mit Frost und Schnee gezeigt, dass bei uns bestimmten Arten aus dem Mittelmeerraum nach wie vor Grenzen gesetzt sind. Vielfalt ist immer ein Garant für Überleben und zwar auf der Ebene der Wälder (Ökosysteme), der Arten und der genetischen Vielfalt. Bevor man sich jedoch auf ungeprüfte Alternativen einlässt, sollte man nach vorhandenen, verfügbaren und vielleicht auch mal nach in Vergessenheit geratenen Baumarten schauen. Ein Beispiel dafür ist die Höhenkiefer.
Merkmale der Höhenkiefer
Die Höhenkiefer ist, anders als die breitkronige Tieflandkiefer, gekennzeichnet durch einen geraden bis zum Gipfel durchlaufenden Schaft und eine schmale spitzkeglige Krone mit kurzen feinen biegsamen Ästen. Die schmalen Kronen sind an Schnee und Eisanhang der höheren Lagen angepasst. In der Silhouette ist sie von weitem kaum von einer Fichte zu unterscheiden. Die Höhenkiefer ist wie alle Kiefern eine Lichtholzart und bildet je nach Boden eine Herz- bzw. Pfahlwurzel aus. Sie ist in den ersten Jahren sehr Schattentolerant und kann Dichtstand in der Jugend gut kompensieren. Die Höhenkiefer ist ein Ökotyp der deutschen Mittelgebirge. Sie besiedelt arme, trockene Standorte in Höhenlagen bis zu 700 m (teilweise bis 1.000 m). Dort kann sie von Natur aus in Mischung mit Weißtanne, Fichte und Buche vorkommen. Höhenkiefern findet man heute noch z. B. in Thüringen, im Erzgebirge, im Vogtland oder in Oberfranken. Dort wächst sie meist in trockeneren Bereichen und kann deshalb auch mit der oft beigemischten Fichte im Höhenwuchs mithalten. Wer sich mit der Beschaffung von forstlichem Vermehrungsgut beschäftigt, stellt fest dass der Begriff der Herkunft bei der Höhenkiefer nur bedingt anwendbar ist. Die erwähnten Eigenschaften sind individuelle bzw. bestandsspezifische Merkmale.
Kostbares Vermehrungsgut
Bei der Verwendung von Vermehrungsgut ist daher darauf zu achten, dass es sich beim Ausgangsbestand um einen ausgewiesenen Höhenkiefernbestand handelt. Oder bei der Saatgutbeschaffung besser gleich auf Samenplantagen zurückgreifen. Zwar wurden in den letzten Jahrzehnten viele der noch existierenden Samenplantagen stiefmütterlich behandelt, da eine künstliche Bestandesbegründung auf Freiflächen nicht mehr notwendig erschien. Umso wertvoller sind die noch produzierenden Samenplantagen, die aus Gründen der Biodiversität erhalten wurden. Im Bereich der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) stehen zwei Samenplantagen zur Verfügung: die Plantage „Schwarzwald/Bayerischer Wald“ im Niedersächsischen Forstamt Grünenplan und die Samenplantage „Höhenkiefer Alexisbad“ in Sachsen-Anhalt. Auch in anderen Bundesländern sind sowohl Saatgutbestände wie auch Samenplantagen vorhanden. Die Abteilung Waldgenressourcen der NW-FVA arbeitet aktuell am Aufbau neuer Samenplantagen mit Höhenkiefern.
Waldbauliche Empfehlungen
In der Literatur finden sich verschiedene Möglichkeiten und Empfehlungen: Auf ärmeren, trockenen Standorten empfiehlt es sich, die Kiefer zunächst ohne Mischung horst- bis kleinflächenweise oder gruppenweise auf mindestens 0,3 bis maximal 0,5 ha großen Verjüngungsflächen rein einzubringen. Dazu können Container im Verband 2 x 0,8 bis 1 m mit maximal 5.000 Stück pro Hektar verwendet werden. Bei entsprechender Bodenvorbereitung ist sicherlich auch die klassische Pflanzung von 1/0 oder 2/0 Sämlingen im ähnlichen Verband eine Option, abhängig von den konkreten Bedingungen vor Ort. Die Höhenkiefer kann auch nach Bodenverwundung als Streifensaat (3 kg Saatgut pro Hektar) eingebracht werden. Das knappe Saatgut ist dabei der limitierende Faktor. Daher scheint Pflanzung die bessere Alternative zu sein. Aufgrund ihrer Lichtdurchlässigkeit lässt die Höhenkiefer eine breite Palette künftiger waldbaulicher Möglichkeiten zu. In Abhängigkeit von Standort können im Laufe der Entwicklung z. B. Buche und Weißtanne eingebracht werden. Ankommende Birken oder Fichten lassen sich problemlos integrieren. In der Nachbarschaft dieser Verjüngungseinheiten kann dann je nach Standort Roteiche, Erle oder Eiche dazukommen. Die gewünschte Mischung stellt sich im Laufe des Bestandeslebens durch die waldbauliche Steuerung ein und muss nicht schon bei der Pflanzung parat sein. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt des Höhenkiefernanbaus sind die relativ zeitig zu erwartenden Erlöse aus der Pflege und die Produktion von Nadelstammholz. Wie jede andere Baumart ist auch die Höhenkiefer nicht die alleinige Heilsbringerin in Zeiten des Klimawandels. In Höhenlagen von 500 bis 750 m kann sie in Nordwestdeutschland aber einen wertvollen Beitrag bei der Aufforstung der vorhandenen Kahlflächen leisten.