Die Verschlechterung der Ertragslage zwingt die Forstbetriebe zur Kostenreduktion bei der Waldpflege und damit auch zu neuen waldbaulichen Behandlungskonzepten. Ein erhebliches Potenzial liegt dabei in der so genannten biologischen Rationalisierung. Sie hat gegenüber anderen Formen von Rationalisierungen den grossen Vorteil, dass die Naturnähe keineswegs eingeschränkt werden muss.
Biologische Rationalisierung bedeutet, dass möglichst viel der Selbstentwicklung der Natur überlassen wird und dass man sich mit dem begnügt, was natürlicherweise aufwächst und sich selbst erhält (sog. Naturautomation). Wenn sich darüber hinaus die Bestandespflege auf die Förderung der Bäume mit Wertschöpfungspotenzial beschränkt, erlaubt die biologische Rationalisierung eine Kostenreduktion um das zehnfache oder sogar mehr der bisherigen Pflegekonzepte.
Biologische Rationalisierung kann aber auch zur Reduktion der Baumarten- und Strukturvielfalt führen. Dies lassen die Erkenntnisse aus der Urwaldforschung erwarten. Welche genauen Konsequenzen die biologische Rationalisierung hat, hängt davon ab, wie die soziale Selbstdifferenzierung in Beständen abläuft und ob diese in Mischbeständen zur Ausmerzung von bestimmten Baumarten führt.
Anhand der Beobachtung der natürlichen Entwicklung in einer feingemischten Naturverjüngung in Kleinlochstellung auf eutrophem Buchenstandort in mittlerer Höhenlage (Versuchsfläche Affoltern am Albis) soll diese Frage erörtert werden.
Konkurrenz zwischen den Baumarten und Entmischungstendenzen
Lichte Partien
(>60 % relative Strahlung)
Schattige Partien
(<35 % relative Strahlung)
Intermediäre Partien
(zw. 35 und 60 % relative Strahlung)
In einem ausgewachsenen, ehemaligen Mittelwald bestehend aus Eiche, Esche, Ahorn, Hagebuche und vereinzelten weiteren Laubbaumarten sowie einzelnen Fichten und Tannen wurde im Winter 1985 / 86 die Verjüngung mit einer zonenweisen, leichten Vorlichtung eingeleitet. Im Winter 1987 folgte die Befreiung der erfolgreich installierten Ansamung in zwei mehr oder weniger zusammenhängenden Femellöchern von insgesamt 0.09 ha im Sinne des schweizerischen Femelschlagverfahrens.
Ursprünglich hatten sich insgesamt 20 verschiedene Baumarten installiert. Einige davon, namentlich Buche, Esche, Bergahorn, Hagebuche und Kirsche kamen flächendeckend vor, andere wie Eiche, Linde, Ulme und die Nadelbäume Fichte und Tanne zerstreut.
Bereits im Alter 6 zeigt sich eine deutliche Höhendifferenzierung zwischen den Baumarten. In die Oberschicht gelangen die wettbewerbsfähigen Baumarten bzw. die Schnellstarter. Es sind dies im Wesentlichen die Esche in den Partien mit guten Lichtverhältnissen und die Buche in den schattigen Partien. Konkurrenzschwache Baumarten wie Kirschbaum, Eiche und Linde sind schon deutlich überwachsen und haben keine Chance, sich durchzusetzen. Noch krasser steht es mit den Nadelbaumarten Fichte und Tanne, welche zu lange in der Ansamungsphase weilen und somit völlig unterdrückt bleiben. Als Mitherrschende bleiben Bergahorn und Hagebuche.
Somit zeigt sich, dass wettbewerbsfähige Baumarten sich rasch durchsetzen, so dass die Chancen für die anderen, mitzuhalten, mit der Zeit abnehmen. Ab Alter 8 – 10 ist dann die Entmischungstendenz eindeutig: nur zwei Baumarten, nämlich die Buche in der schattigen Hälfte bzw. die Esche in der lichten Hälfte verdrängen alle anderen.
Dies hat Konsequenzen bezüglich der Baumartenvielfalt. Werden nämlich konkurrenzschwächere Baumarten gewünscht, sind Massnahmen der Dichte- resp. Mischungsregulierung sehr früh notwendig.
Die Frage der Verdrängung des Bergahorns
Das Phänomen der Herrschaft der Esche auf genügend nährstoffreichen und wasserversorgten Standorten ist in der Literatur bereits mehrfach unter Bezeichnung "Vereschung" diskutiert worden. Damit wird die spontane Herrschaft der Esche auf von Natur aus buchenfähigen Standorten verstanden. Sie scheint im Wesentlichen von der Lichtdosierung in der Frühjugend abzuhängen, d.h. von der Verjüngungstechnik. Zügig geführte Verjüngungen mit grosszügigem Lichteinfall begünstigen die lichtbedürftige Esche. Will man die Buche erfolgreich verjüngen, ist eine angemessene Beschirmung notwendig. Dies gilt zumindest in der Startphase der Verjüngung. Dabei kann entweder mit der klassischen Schirmhiebstellung oder mit Kleinlücken vorgegangen werden.
Die bisherige Lehrmeinung billigte Esche und Bergahorn ein sehr ähnliches Wuchs- und Pflegeverhalten zu. Besonders unerwartet ist daher die deutliche Verdrängung des Bergahorns aus der Oberschicht, auch in den Partien der Versuchsanlage mit mittleren Lichtverhältnissen. Auf diesem extrem gutwüchsigen und basenreichen Standort vermochte sich der Bergahorn auf die Dauer kaum zu halten, obwohl er am Anfang mit mehr als 40 Prozent recht gut vertreten war. Im Alter von 15 Jahren ist er nur noch in drei der 65 Felder vorhanden, und das bereits mit einem deutlichen Höhenrückgang.
Der Höhenvorsprung der Esche auf den Bergahorn auf gutwüchsigen Standorten im schweizerischen Mittelland konnte durch Aufnahmen der Höhenbonitäten in den wichtigsten Waldgesellschaften bestätigt werden. Der Vorsprung der Esche gilt im Prinzip für ihr zusagende Standorte mit guter Basensättigung bzw. Wasserversorgung. Trockenperioden scheinen dem Bergahorn eine Chance zu geben, sich zu behaupten, mindestens in der Frühjugend. Auch die Meereshöhe dürfte wohl eine Rolle spielen.
Waldbauliche Folgerungen
Die Ergebnisse aus der Versuchsfläche Unteraffoltern belegen unmissverständlich die Entmischung zu Gunsten von Buche und Esche. Der Übergang zu Pflegekonzepten der biologischen Rationalisierung wird bezüglich der Baumartenanteile in unseren Wäldern eine Situation noch verstärken, welche in den Ergebnissen des Landesforstinventares bereits klar erkennbar ist, nämlich die zunehmende Dominanz der Esche und der Buche. Die Verjüngungstechnik und das Verjüngungstempo steuern im Wesentlichen das Vorkommen dieser zwei Baumarten.
Diese Ergebnisse belegen auch, was man schon aus der Urwaldforschung weiss, dass nämlich die Klimax für unsere Verhältnisse zu baumarten- und strukturarmen Bestockungen (Hallenwälder) führt. Die biologische Rationalisierung führt damit zu durchaus natürlichen Bestockungen. Diese sind aber bezüglich Baumarten- und Strukturvielfalt viel banaler, als man sich aus ästhetischen Gründen erhoffen würde.
Die natürliche Entmischung und die Verdrängung der konkurrenzschwächeren Baumarten findet sehr früh (ab Alter 8 – 10) statt, zu einer Zeit, wo die Pflegekosten sehr gross sind. Will man die Baumartenvielfalt fördern und speziell auch Mischbestände erhalten, sind sehr kostspielige waldbauliche Steuerungsmassnahmen notwendig.