Auslesedurchforstung in Fichtenbeständen
Anfangsbestand ist nicht gleich Endbestand: Die Bäume wachsen von selbst, sie werden doch immer dicker und höher. Wozu eigentlich aufwändige und kostspielige Durchforstungen? Warum können Bestände nicht im Endverband begründet werden?
Weil Bäumchen, die in Überzahl gepflanzt wurden, im Laufe ihres Bestandeslebens wichtige Aufgaben erfüllen:
- Reservefunktion (auch bei Ausfall anderer Pflanzen soll der Bestandesschluss erhalten bleiben),
- Erziehungsfunktion (ab einer gewissen Entwicklungsstufe ist Konkurrenz notwendig, um stärkere Äste zu verhindern und die Astreinigung zu fördern),
- Auswahlfunktion (Auswahlmöglichkeit der stabilsten, vitalsten und qualitätsmäßig besten Bäume) und
- Vornutzungsfunktion (Sicherung der Flächenproduktivität durch Anfall von Vornutzungen).
Waldbau braucht Ziele
Abb. 2: Die Abbildung zeigt Elemente der Standraumregulierung für Fichtenbestände. Sie verdeutlicht, welche Maßnahmen zu welchem Zeitpunkt bei unterschiedlichen Ausgangsbaumzahlen im jeweiligen Bestand zu setzen sind. Naturgemäß vereinfacht ein solches Schema die tatsächlichen Möglichkeiten der Bestandesbehandlung. Dieses Schema soll als Hilfe zur Entscheidungsfindung verwendet werden, es kann jedoch nicht die vor Ort zu treffende Entscheidung vorwegnehmen. Diese muss sich am Standort, am Zustand des Bestandes und am Betriebsziel orientieren.
Bevor Maßnahmen im Wald gesetzt werden, soll man sich über das Ziel klar sein: Wie soll sich der betreffende Bestand entwickeln? Gerade Fichtenbestände sollen möglichst rasch verkaufbare Dimensionen liefern; weiters soll die Umtriebszeit, also der Zeitraum zwischen Bestandesbegründung und Schlägerung, möglichst kurz sein.
Außerdem ist entscheidend, dass die Bäume stabil sind und nicht schon vor Erreichen des Abtriebsalters vom Wind oder Schnee gebrochen werden. Nachfolgend die wichtigsten Regeln zur Erziehung von leistungsfähigen und stabilen Fichtenbeständen.
Stammzahlreduktion
Stammzahlreduktionen sind Baumentnahmen in der Jugendphase vor der Durchforstung, bei denen kaum verkaufbare Holzsortimente anfallen. Diese Pflegeeingriffe kosten Zeit und Geld, sind aber notwendige Investitionen in die Zukunft, um einen Bestand zu erziehen, der in ferner Zukunft einen maximalen Ertrag bringen soll.
Als Richtwert sollen bei einer Bestandesoberhöhe von maximal fünf Metern - dies gilt auch für Naturverjüngungen - nicht mehr als 2500 einigermaßen gleichmäßig verteilte Bäume auf einem Hektar stehen. Das entspricht einem Baumabstand von durchschnittlich zwei Metern. Es hätte wenig Sinn, mehr Bäume zu pflanzen, die bald wieder nutzlos entnommen werden müssen.
Dieser Standraum ist bis zum Erreichen des Stangenholzalters für eine entsprechende Entwicklung der Kronen ausreichend und gewährleistet gute Voraussetzungen für die folgenden Durchforstungseingriffe. Wenn Bestände bereits mit diesen oder geringeren Stammzahlen begründet werden, sind bis zur ersten Durchforstung keine kostspieligen Maßnahmen notwendig. Im Zuge der Stammzahlreduktion ist es auch möglich, die Baumartenmischung zu steuern und eine negative Auslese (Vorwüchse unerwünschter Baumarten, Zwiesel und ähnliches mehr) durchzuführen (Artikel: Durchforsten lohnt sich).
Auswahl der Zukunftsbäume
Eine sichtbare Differenzierung der Bäume setzt mit dem Übergang ins Stangenholzalter bei 12 bis 15 Meter Oberhöhe ein. Das ist der Zeitpunkt, zu dem die für den Endbestand geeigneten Bäume erkannt werden können. In der Praxis werden diese Bäume als Z-Bäume (Zukunftsbäume) bezeichnet. Die Auswahlkriterien sind:
- Vitalität,
- Stabilität,
- Qualität und
- Verteilung im Bestand.
Die Anzahl der Z-Bäume wird auch vom angestrebten Zieldurchmesser bestimmt: Je stärker dieser ist, desto geringer muss die Z-Baumanzahl sein. In rechtzeitig auf die vorhin empfohlene Stammzahl reduzierten Beständen sollte es möglich sein, 200 bis 350 geeignete Fichten auszuwählen. Diese Bäume haben wegen des verfügbaren Standraumes gut ausgebildete Kronen und günstige H/D-Werte (Verhältnis von Baumhöhe zu Durchmesser). Bei H/D-Werten um oder unter 80 gilt ein Baum als stabil, bei Werten um oder über 100 besteht hingegen hohe Bruchgefahr. Bei der Auswahl von Z-Bäumen geht im Zweifel Stabilität vor Qualität.
Je nach Bestandessituation können Mischbaumarten zur Förderung der Diversität ebenfalls zu Z-Bäumen werden. Eine Markierung der Z-Bäume hilft mit, diese vor Ernte- und Rückeschäden zu bewahren und erleichtert die Übersicht. Je nach Geländesituation und gewähltem Ernteverfahren ist die Anlage von Rückegassen sinnvoll, Z-Bäume sollen nicht direkt an diesen stehen.
Förderung der Zukunftsbäume
Die ausgewählten Z-Bäume sind konsequent von Konkurrenten freizustellen. Eine Entnahme der ein bis zwei (in Ausnahmefällen auch mehr) stärksten Konkurrenten sichert dem Z-Baum ausreichenden Wuchsraum. Der Neben- und Zwischenbestand kann, muss aber nicht durchforstet werden. Durch die starke Förderung der Z-Bäume bleibt die Kronenausbildung unbehindert und der Zuwachs wird optimiert. Es wäre ein Fehler, Ersatzbäume als Reserve für Z-Bäume auszuwählen, weil diese schnell zu Konkurrenten der Z-Bäume würden.
Bis zur Hälfte der Umtriebszeit erfolgen noch ein (bis zwei) weitere Durchforstungseingriffe. Schon beim zweiten Eingriff sind die Z-Bäume dem restlichen Bestand so deutlich überlegen, dass sich eine Kennzeichnung eigentlich erübrigt. Es besteht dann auch keine Gefahr mehr, dass sie sich bis zur Endnutzung nicht günstig weiterentwickeln würden. Negatives Umsetzen ("Absteigen") von Z-Bäumen findet nur statt, wenn entweder zu gering vitale Bäume ausgewählt oder die ausgewählten zu schwach gefördert werden.
Gefährdungen biotischer Art können nie ausgeschlossen werden, die Widerstandsfähigkeit gegen abiotische Einflüsse wird bei konsequent geförderten Z-Bäumen hingegen maximiert. Wenn die erreichbare Stabilität bei Katastrophalereignissen nicht ausreichen sollte, gewährleisten die bereits erreichten größeren Dimensionen jedenfalls höhere Erlöse.
Versäumtes kann nicht nachgeholt werden
In dichten Stangenhölzern, in denen eine Stammzahlreduktion versäumt wurde, ist eine Auslesedurchforstung nicht zielführend. Man findet nicht genügend Bäume, die den Kriterien (insbesondere Stabilitätskriterien) von Z-Bäumen entsprechen, um die starke Freistellung nutzen zu können. In solchen Beständen kann man danach trachten, die jeweils relativ stabilsten Bäume durch kurz aufeinander folgende schwache Eingriffe zu fördern. Vielfach wird bei diesen Beständen das geplante Umtriebsalter aufgrund von Schädigungen durch Wind und Schnee nicht erreicht werden.
Konsequenzen der Auslesedurchforstung
Die Gesamtwuchsleistung wird durch die Durchforstung nur wenig beeinflusst, wie unsere Durchforstungsversuche beweisen. Bei größerem Standraum wird von wenigen Bäumen mehr Zuwachs geleistet, die dickeren Bäume leisten durch ihre größeren Kronen trotz geringerer Anzahl in Summe etwa die gleiche Masse. Falls jedoch nicht oder schwach durchforstete Bestände von Schäden betroffen sind, kann sich dieses Verhältnis durch entstehende unbestockte Lücken sogar umkehren. Nur durch rechtzeitige und konsequente Förderung von Z-Bäumen können labile Bestandesphasen vermieden werden.
Das Hauptziel der Auslesedurchforstung ist die Lenkung des Zuwachses auf ausgewählte Z-Bäume und damit die Produktion von wertvollem Sägeholz anstatt von schwachen Industriesortimenten. Das Höhenwachstum ist von der Leistungsfähigkeit (Bonität) des Standortes abhängig und wird nicht durch den Standraum beeinflusst.
Die Holzqualität wird neben der Dimension von der Aststärke und der Jahrringbreite bestimmt, wobei ein größerer Standraum zu stärkeren Ästen und größeren Jahrringen führt. In den empfohlenen Bereichen überwiegen jedoch die positiven Konsequenzen der Zuwachssteigerung bei weitem.
Gerade hohe Kosten und niedrige Holzpreise bei schwächeren Sortimenten machen konsequente Pflege notwendig, um rasch kostendeckende oder gewinnbringende Sortimente zu produzieren.