Im Rahmen einer Forschungsarbeit zum Thema "Biologische Rationalisierung" untersuchten Wissenschafter Waldbestände, die nie durchforstet worden sind. Daraus leiteten sie neue Produktionskonzepte ab. Teil 1 der vierteiligen Artikelserie behandelt eine Einführung ins Thema, ökonomische Grundlagen der Holzproduktion, sowie eine Analyse bisheriger Waldbaukonzepte aus heutiger Sicht.

Die biologische Rationalisierung lässt sich in die beiden Prinzipien Naturautomation und Konzentrationsprinzip unterteilen:

  1. Bei der Naturautomationgeht es darum, alle Prozesse zu nutzen, welche selbsttätig (automatisch) im Sinne des Bewirtschafters ablaufen. Solange die Entwicklung zielgemäss verläuft, wird nicht eingegriffen.
  2. Mit dem Konzentrationsprinzipbeschränkt sich die waldbauliche Tätigkeit auf das, was zur Zielerreichung unmittelbar notwendig ist. Alle unnötigen Arbeitsschritte werden weggelassen.

Ein Beispiel für biologische Rationalisierung ist die Naturverjüngung. Bis in die 80er-Jahre wurden beispielsweise Bergahorn und Esche häufig gepflanzt. Heute werden diese Baumarten fast ausschliesslich natürlich – und kostenlos – verjüngt. Die natürliche Verjüngung ist mittlerweile allgemein verbreitet. In der Phase der Pflege und Verjüngung (Dickung und Stangenholz) ist die biologische Rationalisierung dagegen noch weitgehend unbekannt.

Weitere Arten von Rationalisierung der forstlichen Produktion sind die technische und die organisatorische Rationalisierung. Die technische Rationalisierung mit Grossmaschinen hat einen hohen Investitionsbedarf; neue Maschinen oder Verfahren bringen kosten- und leistungsmässig nur noch geringe Fortschritte, zumindest im Mittelland. Im Gegensatz dazu hat die biologische Rationalisierung den entscheidenden Vorteil, natürliche Prozesse nutzen zu können, welche zum Teil völlig kostenlos ablaufen, oder durch schwache und gezielte Eingriffe gesteuert werden können.

Konzepte mit biologischer Rationalisierung erlauben eine Qualitätsholzproduktion mit einem viel geringeren Steuerungsaufwand, also mit erstens weniger und zweitens schwächeren Eingriffen. Durch den Wegfall eines grossen Teils der Eingriffe lassen sich teure manuelle, aber auch vollmechanisierte Eingriffe vermeiden (welche in der Schweiz derzeit nicht kostendeckend sind). Somit kommt es zu einer eigentlichen Substitution (Ersetzung) von technischer durch biologische Rationalisierung.

Holzproduktion – handeln nach ökonomischen Prinzipien?

Das Ziel des Waldbaus bezüglich Holzproduktion ist es, qualitativ hochwertiges Holz mit einem möglichst hohen Erlös zu produzieren. Dies soll mit einem minimalen Aufwand erreicht werden. Es geht somit um eine Optimierung zwischen Aufwand und Ertrag. Diese Zielsetzung ist grundsätzlich banal, scheint aber heute nicht mehr überall selbstverständlich zu sein.

Zur Erreichung des Produktionsziels muss die Entwicklung von Beständen gezielt gesteuert werden. Diese Pflege- und Durchforstungseingriffe sind als Investition zu betrachten.Eine Investition ist nur dann gerechtfertigt, wenn die späteren Einnahmen die Ausgaben übertreffen, wobei das eingesetzte Kapital (Pflegekosten) verzinst werden muss.

Speziell bei der Holzproduktion, wo zwischen Pflege und Ernte der hiebreifen Bestände eine lange Zeit vergeht, wirken sich hohe Pflegekosten fatal aus (vgl. Beispiel). Weil aufgrund der langen Produktionszeiten zusätzlich eine grosse Unsicherheit über die zukünftigen Erlöse besteht, ist es umso wichtiger, die Pflegekosten möglichst gering zu halten.

Beispiel für eine Pflegeinvestition

Angenommen, in einer 10-jährigen Dickung wird ein flächiger Pflegeeingriff mit einem Zeitaufwand von 50 Stunden pro Hektar durchgeführt. Bei einem Ansatz von CHF 60.– pro Stunde (Forstwart) entstehen Kosten von CHF 3000.– pro Hektar. Falls der Bestand im Alter von 100 Jahren geerntet wird, müssen die Pflegekosten über 90 Jahre "mitgeschleppt" werden. Je nach Verzinsung laufen dabei folgende Kosten auf:

Zinsfuss: 1% Kosten bei Hiebsreife: 7346.–
Zinsfuss: 2% Kosten bei Hiebsreife: 17'829.–
Zinsfuss: 3% Kosten bei Hiebsreife: 42'901.–
Zinsfuss: 4% Kosten bei Hiebsreife: 102'358.–

Bei einer Verzinsung von 4% ist bereits dieser eine Pflegeeingriff teurer als ein durchschnittlicher Bestand jemals an Wert erreichen wird (ausser die Holzpreise steigen in Zukunft markant an). Auch wenn eine Verzinsung von nur 2% angenommen wird, zeigt sich, dass die klassische Waldpflege mit mehreren solchen Eingriffen pro Umtriebszeit unter heutigen ökonomischen Bedingungen nicht mehr wirtschaftlich sein kann.

Ein Eingriff in einem Fichtenbestand ist aufgrund der ökonomischen Rahmenbedingungen erst ab einem BHD von 25 bis 30 cm kostendeckend; Buche ab 35 bis 40 cm. Gründe sind hohe Lohnkosten, tiefe Holzpreise, sowie vor allem kleinflächige und gemischte, also nur bedingt vollerntetaugliche Bestände. Die Ernte von Energieholz als Hackschnitzel lässt zwar inzwischen die kostendeckende Holzernte auch geringerer Durchmesser wieder zu. Beim Energieholz spielt aber die Holzqualität keine Rolle, weshalb für dieses Sortiment Pflegeeingriffe unnötig und ökonomisch nicht gerechtfertigt sind.

Unter diesen Bedingungen lohnen sich Investitionen nur für die Bäume des Endbestandes, also je nach Baumart für rund 60 bis 250 Z-Bäume pro Hektar. Auf diese zukünftigen Bäume des Endbestandes werden Zielsetzung und Massnahmen ausgerichtet. Die Anzahl Bäume, welche ein Endbestand maximal enthalten kann, ergibt sich aus Baumart, Zieldurchmesser und Produktionsdauer.

Bekannte Durchforstungskonzepte aus heutigem Blickwinkel

Die klassischen Waldpflegekonzepte stammen aus einer Zeit geringer Lohnkosten und hoher Holzpreise bzw. eines guten Absatzes auch für Schwachholz und Brennholz. Damals zahlten sich auch Investitionen in Bäume aus, welche später in Durchforstungen wieder entnommen wurden. Es kann davon ausgegangen werden, dass sogar jegliche Nutzungen kostendeckend und wirtschaftlich sinnvoll waren. Damit war die Möglichkeit einer defizitären Waldbewirtschaftung ausgeschlossen.

Die ökonomischen Rahmenbedingungen haben sich jedoch vor allem seit den 70er-Jahren grundlegend und tiefgreifend verändert. Mit den klassischen, arbeitsintensiven Konzepten lässt sich heute nicht mehr wirtschaftlich Holz produzieren. Die Betrachtung früherer (bzw. bis heute angewandter) Konzepte zeigt auf, wo die Probleme liegen. Es geht dabei nicht um eine Kritik, sondern um eine Analyse aus heutiger Sicht mit der Absicht, etwas daraus zu lernen.

Bei der Niederdurchforstung werden jeweils die schwächsten Bäume entfernt. Dies beeinflusst die Bestandesentwicklung überhaupt nicht. Bei der starken Niederdurchforstung werden etwas dickere Bäume entnommen; dies begünstigt alle verbleibenden Bäume geringfügig in ihrem Wachstum. Die Niederdurchforstung führt immer zu einer Homogenisierung der Bestände und zu einem Verlust der Differenzierung. Dadurch wird die Nutzung der biologischen Rationalisierung erschwert bzw. verunmöglicht.

Die Auslesedurchforstung (Schädelin 1934) enthält als neues und wichtiges Element die positive Auslese, wodurch der Zuwachs auf die qualitativ guten Stämme gelenkt wird. Die positive Auslese ist Teil aller Wertholz-Produktionskonzepte bis heute. Bei diesem auch international als "Schweizerische Auslesedurchforstung" bekannten Konzept wird jeweils eine maximale Anzahl Auslesebäume angestrebt: möglichst viele, aber nur so viele, dass sie sich nicht direkt konkurrenzieren. Aufgrund des Baumwachstums muss die Anzahl Auslesebäume bei jedem Eingriff reduziert werden (es gibt also keine klare Vorstellungen bezüglich Anzahl und Baumabständen, nur einen Mindestabstand, welcher sich aus der jeweiligen Kronengrösse ergibt).

Bei jeder Auslesedurchforstung werden die Auslesebäume neu bestimmt. Um die hohe Anzahl Auslesebäume zu gewährleisten, wird bereits im Jungwuchs und in der Dickung flächig und intensiv eingegriffen. Ein Vorteil ist das Vorhandensein von Reservebäumen sowie die Tatsache, dass relativ lange verschiedene Entscheidungsmöglichkeiten offen bleiben.

Letzteres kann allerdings auch nachteilig sein, indem klare Entscheidungen (z. B. zwischen zwei Auslesebäumen) zu spät getroffen werden. Weitere Nachteile aus heutiger Sicht sind:

  • Die hohe Anzahl Auslesebäume im Stangenholz sowie die flächigen Eingriffe in Jungwuchs und Dickung bewirken sehr hohe Kosten.
  • Durch die frühen und regelmässigen Eingriffe ("Erdünnerungen" in der Dickung) werden viele Bäume entnommen, welche sowieso absterben würden (vgl. Abb. 4).
  • Viele ehemals geförderte Bäume müssen relativ früh bereits wieder als Konkurrenten gefällt werden (Fehlinvestitionen).
  • Die Auslesebäume werden jedes Mal neu bestimmt, was ein grosser zusätzlicher Aufwand ist.
  • Durch den Wechsel von Auslesebäumen kommt es zu Leerläufen.
  • Das Vorgehen ist allgemein weniger zielgerichtet als bei der Z-Baum-Durchforstung.
  • Es findet eine Homogenisierung statt (Wirkung wie bei flächiger Pflege).
  • Es werden nicht nur die Bäume des Endbestandes gefördert, sondern auch deren (spätere) Konkurrenten. Dies verursacht bei den folgenden Eingriffen einen höheren Aufwand.

Die Begriffe "Z-Baum" und "Auslesebaum" werden in der Praxis häufig vermischt bzw. synonym verwendet, obwohl klare Unterschiede bestehen.

Z-Baum: Im Endabstand (= definierte Anzahl pro Hektar) ausgewählter und geförderter Wertträger des zukünftigen Endbestandes.

Auslesebaum: Ohne Vorstellung von Abständen (ausser Mindestabstand) und in möglichst grosser Anzahl ausgewählte und geförderte Bäume; viele davon werden lange vor der Endnutzung bereits wieder als Konkurrenten entnommen.

Bei der Z-Baum-Durchforstung (Abetz 1975) wählt man im Stangenholznur so viele Z-Bäume, wie im Endbestand Platz haben. Diese werden gezielt gefördert, in die Zwischenzellen Erfolgt kein Eingriff. Die Z-Baum-Durchforstung verlangt klare Entscheidungen, ist wesentlich zielgerichteter und – bei richtiger Ausführung – kostengünstiger als die Auslesedurchforstung. Sie geht bereits stark nach dem Konzentrationsprinzip vor und ist die Basis für neue Konzepte der biologischen Rationalisierung.

Häufig wird die Z-Baum-Durchforstung nicht konsequent angewendet: Es werden zwar Z-Bäume im Endabstand ausgewählt, aber auch zwischen den Z-Baum-Zellen wird eingegriffen. Solche Eingriffe haben dann eine flächige Wirkung und unterscheiden sich kaum von den klassischen Auslesedurchforstungen.

Eine weitere Variante von Z-Baum-Konzepten ist die Auswahl im vorletzten (3-mal mehr) oder Halb-Endabstand (4-mal mehr Z-Bäume) in jüngeren Beständen. Dabei ist aber auch der Aufwand entsprechend höher; die Effekte sind ähnlich wie bei der Auslesedurchforstung.

Zu viel Pflege kann kontraproduktiv sein

Neben diesen vor allem sehr kostspieligen Nachteilen hat eine flächige Pflege bzw. die klassische Auslesedurchforstung oder die nicht konsequent angewandte Z-Baum-Methode möglicherweise noch weitere Nachteile: Beim Vergleich von unbehandelten Eschenbeständen mit teilweise intensiv durchforsteten Versuchsflächen konnte festgestellt werden, dass der Oberdurchmesser (mittlerer Durchmesser der 100 dicksten Bäume pro Hektar) trotz starker und regelmässiger Eingriffe in vielen Fällen geringer war als derjenige von völlig unbehandelten Eschenbeständen!

Diese Beobachtung führte zu folgender Hypothese:

  • Auf systematische, flächige Eingriffe in Jungbeständen reagieren die vitalsten, wuchskräftigsten Bäume am besten und werden in der Folge oft grobastig. Beim nächsten Eingriff werden sie aufgrund schlechter Qualität eliminiert; dabei wären diese Bäume bezüglich Zuwachspotenzial sehr wichtig, gerade bei reaktionsschwachen Lichtbaumarten (z. B. Esche).
  • Ähnliche Mechanismen spielen auch im Stangenholz: Weil die Auslesebäume jedesmal neu bestimmt werden, besteht die Gefahr, dass dabei die wuchskräftigsten (darunter bereits geförderte Auslesebäume), zugunsten feinastigerer Bäume, welche aber nur mitherrschend sind und ein geringeres Wuchspotenzial haben, entnommen werden.

Falls diese Hypothese stimmt, verursacht die klassische Pflege nicht nur sehr hohe Kosten, sondern kann bei zu frühen und starken Eingriffen auch für die Qualität negativ sein und dazu noch die Wuchsleistungen von Beständen beeinträchtigen.

(TR)