Im Rahmen einer Forschungsarbeit zum Thema "Biologische Rationalisierung" untersuchten Wissenschafter Waldbestände, die nie durchforstet worden sind. Daraus leiteten sie neue Produktionskonzepte ab. Teil 3 der vierteiligen Artikelserie zeigt die Ergebnisse für Esche, Bergahorn und Buche.
Grundsätzlich verläuft die Entwicklung in unbehandelten Laubholzbeständen nach den selben Prinzipien wie in Fichtenbeständen: intensive Konkurrenz, natürliche Differenzierung und Stammzahlabnahme durch natürliche Mortalität. Weil die untersuchten Laubholzbestände meist aus Naturverjüngung entstanden sind, waren die Stammzahlen zu Beginn wesentlich höher, die Konkurrenz setzt früher ein.
Dies führt zu einer extremen Selektion nach Wuchskraft: In einem 50-jährigen Eschenbestand ist nur noch 0,1% der Ausgangsstammzahl vorhanden, von 1000 Bäumen sind 999 verschwunden – auch ohne Pflegeeingriffe. Zum grössten Teil entsprechen die abgestorbenen Bäume denjenigen, welche bei flächigen Eingriffen ("Läuterungen" oder "Erdünnerungen") mit grossem Aufwand entfernt worden wären.
Durch diese Prozesse der Selbstdifferenzierung und der natürlichen Mortalität werden die Bäume mit dem höchsten Zuwachspotenzial eindeutig erkennbar. Wie in Teil 2 näher erläutert , ist die spezielle Struktur in temporär unbehandelten Beständen grundlegend für das Funktionieren der biologischen Rationalisierung. Weil die untersuchten Laubholzarten grössere Kronendimensionen aufweisen als Fichte, enthält ein hiebsreifer Bestand weniger Bäume. Somit ist auch eine geringere Anzahl Z-Bäume auszuwählen, entsprechend sind weniger Kandidaten notwendig (rund 200 pro Hektar), damit das Produktionsziel erreicht werden kann.
Unbehandelte Eschenbestände enthielten bis zu einem Alter von rund 30 Jahren genügend Kandidaten (potenzielle Z-Bäume). In den untersuchten Buchenbeständen waren sogar bis zu einem Alter von 70 und mehr Jahren genügend Kandidaten vorhanden (Abb. 1).
Die Kandidaten weisen bereits recht früh kurze Kronen auf. Bei Oberhöhe 15m beträgt die Kronenlänge noch ungefähr ein Drittel. Kurze Kronen sind in der Dickung und zu Beginn des Stangenholzes kein Problem; aus Sicht einer guten Qualitätsentwicklung (Astreinigung) sind sie sogar erwünscht. Bei der reaktionsschwachen Esche, aber auch beim Bergahorn, werden die kurzen Kronen aber rasch zu einem wichtigen Faktor, welcher die Erreichung des Produktionsziels in Frage stellt.
Die Stabilität ist kein Problem
Während bei Fichte in unbehandelten Beständen zuerst eine Verschlechterung der individuellen Stabilität zu beobachten ist, verbessern sich die Schlankheitsgrade der Laubholz-Kandidaten auch ohne Pflege sehr rasch (Abb. 2). Im Gegensatz zur Fichte, wo die Stabilität ein wichtiger Diskussionspunkt ist, bestehen bei den Laubbäumen kaum Probleme. Einzig in jungen Buchenbeständen sind Nassschneeschäden möglich. Dazu ist Folgendes zu sagen:
- Auch bei Laubhölzern spielt die kollektive Stabilität eine grosse Rolle. So konnte von einem Förster beobachtet werden, dass frisch gepflegte (flächiger Eingriff!) Buchendickungen durch Nassschnee beschädigt wurden, während direkt daneben eine unbehandelte Dickung unbeeinträchtigt blieb.
- Oftmals werden nicht alle Bäume geschädigt, sondern vor allem die dünneren. Falls genügend Kandidaten bleiben und die Schäden nicht ganzflächig sind, ist die Zielerreichung möglicherweise gar nicht gefährdet.
- In jüngeren Dickungen wurde auch schon beobachtet, dass sich niedergedrückte Buchen wieder aufgerichtet haben.
- Das Risiko ist auf eine kurze Zeitspanne von maximal 15 bis 20 Jahren begrenzt.
- Zu beachten ist, dass die Schlankheit von Bäumen nicht nur durch die Konkurrenz (Seitendruck), sondern auch durch Beschattung (Schirmdruck) beeinflusst wird. Bei Beständen in kleinen Lücken oder an Steilrändern (Schiefstand und Schlankheit) muss das Problem nicht durch teure Pflege, sondern durch eine rechtzeitige Erweiterung der Verjüngungsflächen angegangen werden.
Gute Qualität ohne Pflege?
Das wichtigste Argument für die intensive klassische Waldpflege war die Verbesserung der Holzqualität. Sind nun die Bäume in ungepflegten Laubholzbeständen wirklich viel weniger "schön" als in gepflegten Beständen? Dies mag zutreffen, falls die durchschnittliche Qualität aller Bäume betrachtet wird. Die ökonomischen Rahmenbedingungen und das Konzentrationsprinzip (vgl. Teil 1) lehren uns, dass nicht alle Bäume eine gute Schaftqualität aufweisen müssen, sondern nur die wenigen Bäume des Endbestandes, also in Laubholzbeständen rund 60 bis 120 Z-Bäume pro Hektare.
Beim Vergleich von gepflegten und unbehandelten Beständen fällt auf, dass gepflegte Bestände einen höheren Anteil Kandidaten aufweisen. Dies liegt aber vor allem daran, dass viele dünne und qualitativ ungeeignete Bäume entfernt wurden. Absolut gesehen enthalten die Bestände – unabhängig ob durchforstet oder nicht – etwa gleich viele Kandidaten.
Ein weiterer Unterschied ist bei der räumlichen Verteilung festzustellen: Die Pflege bewirkt eine regelmässige Verteilung der Kandidaten; in undurchforsteten Beständen sind die Kandidaten zufällig verteilt (vgl. Teil 2). Diese nachweisbaren Effekte der Pflege sind aber nicht wirklich von Bedeutung: Bei der entscheidenden Frage der Anzahl und Verteilung der Z-Bäume sind keine Unterschiede festzustellen, weil sich auch aus 200 zufällig verteilten Kandidaten 100 Z-Bäume in genügend regelmässiger Verteilung bestimmen lassen.
Die absolute Qualität aller Kandidaten wurde am stehenden Baum gemessen als die Schaftlänge, welche voraussichtlich mindestens B-Qualität erreichen wird (genannt Qualitätshöhe). Während die Kriterien für Furnierqualität (Farbe, Verkernung, Jahrringaufbau) bei jungen (und stehenden) Bäumen noch nicht beurteilt werden können, sind Geradschaftigkeit und Schaftachse (Zwiesel) sowie Astreinigung bzw. Astigkeit bereits ab Ende Dickung einigermassen abschätzbar. Die durchschnittliche Qualitätshöhe aller Z-Bäume in den unbehandelten Eschenbeständen betrug 8,5m, in gepflegten Eschenbeständen waren es 8,8 m – ein minimer Unterschied.
Eine interessante Feststellung bezüglich Qualität ist, dass in ungepflegten Laubholzbeständen der Anteil Kandidaten von rund 5% auf ca. 15% zunimmt. Auch ohne Pflege setzen sich offensichtlich die schönsten Bäume überproportional durch. Die Natur begünstigt langfristig solche Bäume, welche auch wir Förster bevorzugen würden.
Diese Qualitätsverbesserung wird damit erklärt, dass die Fähigkeit zu wipfelschäftigem Wuchs in sehr dichten, ungepflegten Beständen ein Konkurrenzvorteil ist, der es ermöglicht, die Nachbarbäume zu überwachsen. Einleuchtend ist auch die Erklärung, dass bei maximaler Bestandesdichte Steiläste und ungleich starke Zwiesel rasch konkurrenziert werden. Falls ein Baum dagegen viel Platz hat, entwickeln sich eher bleibende Zwiesel.
Gute Qualität nützt nichts, wenn der Durchmesser nicht stimmt
Abb. 3 - Beispiel für einen kostengünstigen Eingriff: Z-Baum (hier Linde), 3 Jahre nach der Ringelung der Konkurrenten. Lehr- und Forschungswald der ETH
Zürich.
Ein 15 m langer, perfekt gerader und astfreier Stamm bringt wenig Erlös, wenn der BHD nur 35 cm beträgt. Eine genügend rasche, und zielgemässe Durchmesserentwicklung ist letztlich auch qualitätsbestimmend, und damit für den erzielbaren Holzerlös massgebend. Dies gilt speziell für Esche und Buche, bei denen eine Farbverkernung eine beträchtliche Qualitätseinbusse bewirkt.
Weil der Eschenbraun- bzw. Buchenrotkern hauptsächlich vom Alter abhängt, sollte eine Produktionszeit von 80 (Esche) bzw. 120 Jahren (Buche) nicht überschritten werden. Dieses Produktionsziel lässt sich mit unbehandelten Beständen nicht erreichen: In einem ungepflegten Eschenbestand wären die Z-Bäume im Alter von 80 Jahren rund 40 cm dick; in einem unbehandelten Buchenbestand von 120 Jahren ungefähr 50 cm (bei guter Bonität). Angestrebt wird aber ein BHD von etwa 60 cm.
Die Dauer der unbehandelten Entwicklung wird somit auch durch das Kriterium "Durchmesserentwicklung" begrenzt. Bereits in Teil 1 dieser Serie hat der Autor darauf hingewiesen, dass auch intensiv gepflegte Bestände eine ungenügende Durchmesserentwicklung aufweisen können: So hatte ein 56-jähriger Eschen-Versuchsbestand trotz sieben(!) Auslesedurchforstungen einen mittleren Oberdurchmesser von 30,1 cm! (vgl. Hypothese zur Wirkung der flächigen Pflege in Teil 1). Dieser Bestand wird das Produktionsziel in den verbleibenden, rund 20 bis 30 Jahren unmöglich erreichen.
Die wichtigsten Ergebnisse und die konkreten Folgerungen für Pflegekonzepte werden nachfolgend in getrennten Kapiteln für die untersuchten Baumarten aufgeführt.
Produktionskonzept für Esche
Bis zum Alter von rund 30 Jahren sind bei der Esche genügend Kandidaten vorhanden. Bei der Esche ist die relativ früh nachlassende Reaktionsfähigkeit problematisch. Allerdings bestehend zur Reaktionsfähigkeit kaum wissenschaftlich fundierte Kenntnisse. In Anbetracht dieser Unsicherheit empfiehlt es sich, die Z-Bäume auszuwählen und zu fördern, sobald der angestrebte astfreie Schaft von 8 bis 10 m Länge gebildet ist.
Eschenbestände auf besten Standorten (wo die Produktion mit Esche auch besonders sinnvoll ist und hohe Erlöse verspricht) sind zu diesem Zeitpunkt (bei Oberhöhe 15 m) rund 20 Jahre alt. Die Gesamtstammzahl beträgt ca. 6000 Bäume pro ha, die Anzahl Kandidaten durchschnittlich etwas mehr als 400 pro ha.
Daraus können rasch die schönsten, dicksten und vitalsten (möglichst hohe soziale Position!) Kandidaten erkannt und als Z-Bäume ausgewählt werden. Weil zur Erreichung des angestrebten BHD von rund 60 cm innerhalb der kurzen Umtriebszeit von 80 Jahren entsprechend grosse Kronen notwendig sind, sind nur 60 bis 100 Z-Bäumen pro Hektare auszuwählen. Dies entspricht mittleren Abständen von 11 bis 14 m.
Obwohl mit diesem Konzept die Phase ohne Eingriffe auf eine relativ kurze Zeit beschränkt wird, lassen sich so die gesamten, bei der klassischen Pflege sehr teuren Eingriffe im Jungwuchs und in der Dickung "biologisch wegrationalisieren" (auf die notwendigen Voraussetzungen wird in Teil 4 noch näher eingegangen).
Abb. 3 - Beispiel für einen kostengünstigen Eingriff: Z-Baum (hier Linde), 3 Jahre nach der Ringelung der Konkurrenten. Lehr- und Forschungswald der ETH
Zürich.
Auch der Ersteingriff ist – gegenüber bisherigen Stangenholzdurchforstungen – deutlich kostengünstiger: Durch die Anwendung des Konzentrationsprinzips beschränken sich die Massnahmen auf die Auswahl und Förderung der 60 bis 100 Z-Bäume; bei einer starken Förderung mit zwei bis vier Konkurrenten pro Z-Baum ergeben sich rund 200 bis 300 Entnahmen pro Hektar. Diese kann man mit der Motorsäge fällen (nur fällen, nicht asten oder zersägen; bzw. Schrägschnittmethode) oder ringeln (Abb. 3).
Für die Ringelung (Gertelmethode) von 300 Konkurrenten mit einem Durchmesser von knapp 10 cm (beim Ersteingriff) werden weniger als vier Stunden benötigt. Zusammen mit der sorgfältigen Auswahl der Z-Bäume und deren Markierung kann man von einem maximalen Zeitaufwand von zehn Stunden für den Ersteingriff ausgehen.
Mit weiteren zwei bis drei Eingriffen werden die restlichen Konkurrenten eliminiert, bis nur noch die Z-Bäume in der Oberschicht vorhanden sind. Nach der letzten Durchforstung im Alter von 50 bis 60 Jahren herrscht Hiebsruhe bis zum Erreichen des Zieldurchmessers.
Bereits der dritte, eventuell schon der zweite Eingriff, kann bei guten Holzerntebedingungen kostendeckend sein (Energieholz in Form von Hackschnitzeln). Auch wenn dies in Zukunft nicht mehr der Fall sein sollte, verursacht dieses Produktionskonzept einen Gesamtaufwand von maximal 20 bis 30 Stunden pro Hektare bis zur Endnutzung. Mit diesen tiefen und kalkulierbaren Kosten ist auch heute (und mit unsicherer Zukunft) eine Investition in die Qualitätsholzproduktion gerechtfertigt. Das neue Produktionskonzept für Esche ist in Abbildung 4 zusammengefasst.
Produktionskonzept für Bergahorn
Der Bergahorn hat bezüglich ökologischem Verhalten und waldbaulicher Behandlung gewisse Ähnlichkeiten mit der Esche. Weil die Gefahr einer unerwünschten Verkernung nicht besteht (oder viel weniger wahrscheinlich ist als bei Esche und Buche), muss man nicht zwingend eine kurze Umtriebszeit einhalten.
Ähnlich wie die Esche hat aber auch der Bergahorn eine früh nachlassende Reaktionsfähigkeit bzw. bei unbehandelter Entwicklung ein rasch nachlassendes Durchmesserwachstum, weshalb Eingriffe nicht allzu lange hinausgezögert werden sollten. Aus diesen Gründen wird auch für Bergahorn der Beginn der Durchforstungen bei einer Oberhöhe von 15 m vorgeschlagen (Abb. 5). Dies entspricht einem Alter von rund 20 bis 25 Jahren.
Aufgrund der längeren möglichen Umtriebszeit können 80 bis 100 Z-Bäume bei mittleren Abständen von 11 bis 12 m ausgewählt und gefördert werden. Die Art des Eingriffs und die Kosten unterscheiden sich nicht von Eschenbeständen. Möglich wären beim Bergahorn aber auch etwas spätere Eingriffe, beispielsweise bei Oberhöhe 20m.
Produktionskonzept für Buche
Die Buche hat im Gegensatz zu Esche und Bergahorn eine sehr gute Reaktionsfähigkeit bis ins hohe Alter. Dies ermöglicht zusammen mit der längeren Umtriebszeit (maximal 120 Jahre) und der Feststellung, dass wesentlich länger als bei Esche genügend Kandidaten vorhanden sind, eine viel längere Phase unbehandelter Entwicklung, ohne dass die Zielsetzung gefährdet ist. Die Baumart Buche bietet somit einen viel grösseren Spielraum für ihre Behandlung und ist besonders gut geeignet für Konzepte der biologischen Rationalisierung (Abb. 6).
Bei guten Bonitäten können Buchenbestände problemlos 60 Jahre lang unbehandelt bleiben. In Alter 60 beträgt der BHD der Z-Bäume rund 30 cm. Wenn man von einer Jahrringbreite von 4mm nach dem Beginn der Durchforstungen ausgeht, wird trotz sechs Jahrzehnten unbehandelter Entwicklung bereits im Alter von rund 100 Jahren der Zieldurchmesser erreicht.
Die ökonomischen Auswirkungen des neuen Buchenkonzepts können am Beispiel eines 68-jährigen Buchenbestandes (Abb. 1) betrachtet werden. Dieser Bestand wies einen Vorrat von 760 Tfm/ha auf. Die Anzeichnung des Ersteingriffs ergab eine Eingriffsstärke von 33%, also rund 250 Tfm/ha. Mit einem Mittelstamm von 26,4 cm lässt sich zwar noch kaum Nutzholz erwarten, der Eingriff ist aber bei guten Bedingungen und moderner Energieholzernte problemlos kostendeckend – Absatz für die Hackschnitzel vorausgesetzt.
Bedeutung der neuen Konzepte
Die biologische Rationalisierung ermöglicht auch bei den betrachteten Laubholzarten neue Konzepte der Qualitätsholzproduktion mit einem sehr geringen Aufwand. Gegenüber der bisherigen, intensiven Pflege lassen sich enorme Kosten einsparen, ohne dass auf der Erlösseite Einbussen oder erhöhte Risiken zu befürchten sind. Bei der Buche ist sogar der Idealfall einer vollständig investitionsfreien Produktion möglich, welche gänzlich ohne nicht-kostendeckende Eingriffe auskommt.
Bisher wurden ausschliesslich Reinbestände betrachtet. Im vierten und zugleich letzten Teil der Serie zur biologischen Rationalisierung geht der Autor auf die Frage der Baumartenmischung sowie auf Voraussetzungen, Anwendungsbereich und Auswirkungen der biologischen Rationalisierung ein.
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(TR)