Ein Bericht des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) stellt die wichtigsten Resultate von insgesamt elf Forschungsprojekten vor, die im Rahmen des "Lothar-Grundlagenprogramms" bearbeitet wurden. Die Projekte befassen sich mit den Ursachen der Waldschäden und der Risikoentwicklung durch Sturmereignisse.

Einfluss verschiedener Faktoren auf Art und Ausmass der Sturmschäden

Die Untersuchungen zeigen, dass die Empfindlichkeit gegenüber Sturmereignissen deutlich durch die Baumart, die Baumartenmischung, die Höhe sowie die Struktur eines Bestandes, gesamthaft also durch den Bestandesaufbau, beeinflusst wird. Beim Betrachten der Baumarten stellt sich heraus, dass reine Nadelholzbestände viel häufiger geschädigt werden als reine Laubholzbestände. Dabei ist in gleichförmigen Beständen die Fichte kaum empfindlicher als die Weisstanne, aber beide sind deutlich empfindlicher (etwa Faktor 2,5) als die Buche.

Im Plenterwald stellten die Autoren fest, dass die Fichte empfindlicher ist als die Weisstanne und dass Buchen in der Oberschicht bei "Lothar" kaum geschädigt wurden. Sobald in einem Nadelholzbestand 10–20% Buchen in der Oberschicht sind, widersteht dieser Sturmereignissen deutlich besser. Fichtenreinbestände weisen demnach ein signifikant höheres Sturmschadenrisiko auf als gemischte Bestände.

a) Waldbauliche Planung und naturnaher Waldbau

Der waldbaulichen Planung und Arbeit kommt also eine hohe Bedeutung zu. Differenzierte Verjüngungsverfahren und frühzeitige Mischungsregulierung sollen darauf ausgerichtet sein, die standortgerechten Baumarten in ihrem ganzen Spektrum zu begünstigen, einen minimalen Laubholzanteil sicher zu stellen und stufige Strukturen zu fördern. In Beständen mit stufiger oder ungleichförmiger Bestandesstruktur sind die Sturmschäden geringer als in einschichtigen oder mehrschichtigen. Diese Erkenntnis wird gestützt durch ein Fallbeispiel eines Plenterwaldgebiets, wo sowohl die Plenter- als auch die Überführungsbestände weniger Sturmschäden aufweisen als die einschichtigen Bestände. Standortsfremde, reine Fichtenbestände sind zu vermeiden. Schon geringe Anteile von Laubbäumen oder standortverträglichen, stabilen Gastbaumarten wie Douglasie oder Lärche senken die Sturmanfälligkeit erheblich.

Das Schadenausmass nimmt mit der Oberhöhe der Bestände, das heisst indirekt mit ihrem Alter und der Entwicklungsstufe zu. Während in jungen Beständen mit Höhen bis etwa 20 m kaum Schäden auftraten, nahmen diese zwischen 20–35 m deutlich zu. Über 35 m sind kaum mehr Unterschiede festzustellen. Zusätzlich beeinflusst die Höhe des in Windrichtung vorgelagerten Nachbarbestandes das Ausmass der Sturmschäden. Ein höherer Nachbarbestand verringert die Sturmanfälligkeit, ein tieferer erhöht sie.

Die Autoren stellten fest, dass Eingriffe in den letzten 5 Jahren vor dem Sturm die Empfindlichkeit der Bestände erhöhen. Die Plenterwald-Fallstudie zeigt zudem, dass auch Flächen, in denen lange nicht mehr eingegriffen wurde, empfindlicher sind gegenüber Sturmschäden. Weiter gibt es Hinweise darauf, dass ein unregelmässiges Öffnen von Beständen (Lücken, Säume) die Sturmanfälligkeit erhöht. Erstdurchforstungen sollen früh und stark sein und dann mit regelmässigen und schwächeren Durchforstungen fortgesetzt werden. Hohe Priorität hat die Verjüngung bzw. Umwandlung von alten gleichförmigen und vorratsreichen Beständen mit hohem Nadelholzanteil, die besonders sturmgefährdet sind.

b) Wassersättigungsgrad und Windstärke

Zur Zeit von "Lothar" waren die Böden gut mit Wasser gesättigt, so dass die Bäume nicht ausreichend verankert waren. Aus den Studien geht hervor, dass auf nassen Standorten häufiger Schäden auftraten als anderswo. Dasselbe gilt für die sauren Standorte, wobei zwischen dem Säurezustand des Bodens und den Sturmschäden ein sehr enger Zusammenhang besteht. Die Plenterwald-Studie legt dar, dass die sauren und vernässten Standorte stärker als die mässig und reich nährstoffhaltigen, frischen Standorte vom Sturm betroffen wurden. Die Forscher stellten weiter fest, dass Fichten mit erhöhtem Stickstoffgehalt, geringerer Stärkeanreicherung und breiteren Jahrringen bzw. stärkerem Radialwachstum ein deutlich erhöhtes Risiko für Stammbruch aufweisen. Ebenso nimmt der Anteil geworfener Buchen mit Zunahme des Stickstoffgehaltes im Buchenlaub zu. Die Stickstoffeinträge fördern die Versauerung und verändern den Nährstoffhaushalt.

Es scheint, dass Bestände auf Kuppen, in leicht geneigtem Gelände und in ebenen Lagen am stärksten betroffen waren. Mit zunehmender Hangneigung nahmen die Sturmschäden ab. Im Gegensatz zu Vivian spielte die Hangrichtung (Luv oder Lee) allerdings nur eine untergeordnete Rolle. Dies lässt vermuten, dass bei "Lothar" weniger die topografische Lage als vielmehr die Windstärke und vor allem die Böen bzw. die Turbulenzen für Art und Ausmass der Sturmschäden von Bedeutung waren. Ein Vergleich des Fäulebefalls zwischen geschädigten und nicht geschädigten Fichten machte deutlich, dass Holzfäulen die Sturmanfälligkeit erhöhen.

Einfluss verschiedener Faktoren auf die Wiederbewaldung

Beobachtungen im Plenterwald zeigen, dass in diesen Beständen nach Streuschäden im Bereich von 30–40% des Bestandesvolumens oft kaum nennenswerte negative Veränderungen der Bestandesstruktur entstehen. Selbst nach totaler Räumung von Flächenschäden in strukturreichen Mischbeständen, in denen auf grossen Teilflächen Verjüngungsprozesse ablaufen, bleiben bereits differenzierte Jungwuchsgruppen und einzelne Bäume der Mittel- und Unterschicht auf der Sturmfläche stehen. Die Reststrukturen beeinflussen das Mikroklima und die Verjüngungsgunst. Es sind bereits Jungwuchsansätze und oft noch Samenbäume der standortgerechten Baumarten vorhanden und die Kontinuität in der Walderneuerung wird nicht so stark gestört. Gegenüber Sturmflächen in gleichförmigen Beständen sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Wiederbewaldung (Regeneration) günstig. Vor allem in Wäldern mit besonderer Schutzfunktion, in denen flächendeckend eine Dauerbestockung erforderlich ist, ist dies von Vorteil.

Je nach Räumungstechnik und Standort entstehen Bodenverdichtungen unterschiedlichen Ausmasses. Dabei spielt der Wassergehalt des Bodens einen entscheidenden Einfluss. Die eingesetzten Maschinen verursachen durch Gewicht und dynamische Belastungsspitzen Bodenveränderungen. Dabei bewirkt die erste Überfahrt auf einem natürlich gelagerten Boden die intensivsten Verformungen. Die Verdichtungen führen zu einer Einschränkung des Porenvolumens sowie der -kontinuität und verringern die Transportkapazität für Wasser und Luft im Boden. Neben den mechanischen Schäden an den Wurzeln im Oberboden werden damit auch die Lebensbedingungen bzw. die Wurzelentwicklung in tieferen Bodenschichten durch Sauerstoffmangel und Staunässe verschlechtert. Auch zeigen gepflanzte Bäume (Bergahorn, Eiche) auf verdichteten Stellen ein reduziertes Höhenwachstum. Zudem wurde ein Trend zur Abnahme der horizontal und vertikal bohrenden Regenwürmer (biol. Aktivität) gegenüber nicht verdichteten Flächen festgestellt.

Wichtigste Vorsorgemassnahme bei der Sturmflächenräumung ist das Vermeiden von Bodenverdichtungen, vor allem durch flächiges Befahren. Bei bereits beeinträchtigten Böden können angebrachte Massnahmen wie das Pflanzen von Baumarten mit intensivem Durchwurzelungspotenzial punktuell die natürlichen Regenerationsprozesse unterstützen.

SyntheseberichtFolgerungen für vorsorgliche Risikominderung und erfolgreiche Wiederbewaldung

  • Die grösste Bedeutung der Risikofaktoren für die Sturmempfindlichkeit kommt der Baumartenmischung, der Baumart, der Bestandeshöhe, den Höhenunterschieden zwischen Beständen und dem Säurezustand des Bodens zu. Mittlere Bedeutung kann dem Wasserhaushalt des Bodens, der Bestandesstruktur, der Waldbehandlung vor dem Sturm (letzter Eingriff) sowie der Wachstumsgeschwindigkeit, dem Ernährungszustand und dem Fäulebefall der Bäume zugeschrieben werden. Von eher untergeordneter Wichtigkeit sind dagegen topografische Lage und Baumform.
  • Ein auf den Standort abgestimmter naturnaher Waldbau ist die beste Vorsorge gegen Waldschäden aller Art. Mit der Klimaerwärmung dürfte dies eine zunehmende Herausforderung werden; die Risiken werden wahrscheinlich insgesamt zunehmen, vor allem wenn damit vermehrt Extremereignisse wie Stürme und Dürre auftreten. Die schleichende Schadstoffbelastung wirkt sich dagegen eher langfristig aus. Versauerung, stimuliertes Baumwachstum und gestörtes Nährstoffgleichgewicht sind für Sturmschäden ebenfalls als Risikofaktoren einzustufen, die in enge Verbindung mit den hohen atmosphärischen Stickstoffdepositionen gebracht werden.
  • Waldbauliche Massnahmen sind in der Regel erst langfristig wirksam. Zudem ist ihre Wirkung insofern beschränkt, da auch ein Wald in bestem Zustand einem sehr starken Orkan nicht mehr Stand halten kann.
  • Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass ein Wintersturm den Wald auf durchnässten Böden antrifft, was die Standfestigkeit der Bäume beeinträchtigen dürfte. Weil der Boden im Winter nur langsam austrocknet, sind somit auch die Bedingungen für den Maschineneinsatz bei der Räumung ungünstig.
  • Nach Sturmschäden erhöht sich wegen der Klimaerwärmung die Wahrscheinlichkeit von günstigen Bedingungen für die Borkenkäfervermehrung.
  • Diese Einflüsse lassen erwarten, dass im Falle eines Sturmereignisses das Ausmass der Schäden tendenziell ansteigt. Ziel ist es, von einer Strategie der Schadenbehebung zu einer Strategie der Vorsorge und Risikobeurteilung zu gelangen.

 

(TR)