Seit es schriftliche Aufzeichnungen gibt, zählen meteorologische Extremereignisse und dadurch direkt oder indirekt ausgelöste Schäden an Bauten, Kulturen und Wäldern zu den häufig erwähnten Mitteilungen. Dazu gehören starke Niederschläge, die zu Überschwemmungen und Rutschungen führen, anhaltende Trockenheit beziehungsweise Dürren mit direkten Auswirkungen auf Land- und Forstwirtschaft sowie damit verbunden ein erhöhtes Waldbrandrisiko und Befall geschwächter Bäume durch Schadorganismen.
Ein Gradmesser für solche Extremereignisse und Störungen (in der Folge als Störungen zusammengefasst) sind die erzeugten Schäden, die der Öffentlichkeit und den Waldbesitzern entstehen. Der Fokus richtet sich dabei auf folgende schadenintensivste Störungsursachen:
- Wind (Winterstürme, Sommergewitter (Abb. 1), Föhnstürme → Sturmholz)
- Schädlingsbefall (hauptsächlich Borkenkäfer → Käferholz)
- Baumkrankheit (Eschentriebsterben)
- Schnee- und Eisbruch (→ Bruchholz)
- Lawinen
- Waldbrand
- andere Störungen (u.a. Befall durch andere Insekten, weitere Massenbewegungen)
Herausforderung: unvollständige Datenreihen mit unterschiedlichen Messgrössen
Für ihre Analysen berücksichtigten die Wissenschaftler das Zeitfenster von 1900 bis 2022. Um alle Schäden vergleichen zu können, verwendeten sie kubische Werte. Angaben zu Schäden in Hektaren rechneten sie über die gesamten Periode mit 1 ha=100 m3 um, obwohl der Holzvorrat im Laufe des 20. Jahrhunderts zugenommen hat. Angaben in Stämmen wurden mit 1 Stamm = 1 m3 umgewandelt.
Die wichtigste Quelle für frühere Waldschäden ist die Sammlung «Historische Waldschäden in der Schweiz 1800–1960» von Bütikofer (Literaturverweise siehe Originalartikel). Weitere Daten stammen aus folgenden Quellen:
- Waldbranddatenbank SwissFire
- Sturmholzsammlung von Usbeck
- Webseite sturmarchiv.ch
- Schadenlawinendatenbank des WSL-Instituts für Schnee- und Lawinenforschung SLF
- Ereignisanalyse Lawinensituation im Januar 2018
- Daten von «Waldschutz Schweiz» zu Käferholz, Zwangsnutzungen von Eschen (Abb. 2) und zu Sturmholz
- Direkte Anfragen zu Sturmholzmengen bei den Kantonen Bern, Graubünden und St. Gallen
Jede der zur Hand liegenden Datenreihen ist faszinierend, keine aber vollständig für die gewählte Zeitspanne. Alle Angaben in Kubikmetern und Hektaren wurden pro Jahr aufsummiert und in diesen sieben Kategorien ausgewertet:
- Windwurf
- Borkenkäfer
- Eschentriebsterben
- Schnee/Eis
- Lawinen
- Waldbrand
- Andere
Am meisten Schäden durch Windwurf und Borkenkäfer
Über die Zeitspanne von 1900 bis 2022 verursachten Stürme die grössten Waldschäden im Gebiet der Zentralalpen, Voralpen, Mittelland und Jura (Abb. 3). Die schadenintensivsten Ereignisse waren die Winterstürme Lothar (1999), Vivian (1990), Adolph-Bermpohl (1967) und Burglind (2018).
Abb. 3: Jährliche Schadenvolumen von Störungen (in m³ Schadholz) in den Zentralalpen, Voralpen, Mittelland und Jura von 1900 bis 2022. Flächenangaben von Schäden wurden über die gesamten 123 Jahre in Kubikmeter umgerechnet (mit 1 ha = 100 m³, 1 Stamm = 1 m³. Die gestrichelte Linie gibt den gleitenden Mittelwert an.
Während die durchschnittlichen Jahressummen an Waldschäden bis etwa 1980 mit wenigen Ausnahmen (z. B. Föhnsturm von 1919) zwischen 50’000 und 200’000 m3 variierten, wurden ab diesem Zeitpunkt sowohl grössere Sturmholz- als auch deutlich grössere Käferholzmengen gemeldet. Die mittlere jährliche Schadenmenge hat daher seit den 1980er-Jahren deutlich zugenommen (Tab. 1).
Im Vergleich zur Periode 1900 bis 1940 (3,7 Mio. m³) und 1941 bis 1981 (6,3 Mio. m³) betragen die Waldschäden in der Periode 1982 bis 2022 (43,0 Mio. m³) knapp das 12-fache beziehungsweise das 6,5-fache der früheren Perioden. In den letzten 41 Jahren machten Sturmholz ungefähr 30,8 Mio. m³ (56 %), Käferholz etwa 18,2 Mio. m³ (42 %) und Eschentriebsterben 0,9 Mio. m³ (2%) aus. Schadholz von Schnee- und Eisbruch sowie Lawinen machen 1,4 % und Waldbrand 0,4 % aus.
Nach der Jahrhundertdürre von 1947 wurde in der Schweiz ein bis dato unbekannt intensiver Borkenkäferbefall festgestellt. Die Käferholzmengen erreichten aber gemäss den zusammengetragenen Zahlen nie das Ausmass, das nach den Stürmen Vivian und Lothar registriert worden ist.
Waldbrände verursachen vergleichsweise geringe Schäden
Waldbrände sind auf der Alpensüdseite und in trockenen Gebieten der Zentralalpen (Wallis und Graubünden) die wichtigsten Störungstypen, in den Voralpen, im Mittelland und im Jura spielen sie dagegen – verglichen mit Windwurf und Borkenkäferbefall – nur eine kleine Rolle. Selbst grosse und weit sichtbare Ereignisse wie die Waldbrände am Calanda (1943, 477 ha) oder bei Leuk (2003, 310 ha) ragen in der Bilanz der jährlich aufsummierten Schäden durch andere Störungen nicht hervor.
Waldbrände auf der Alpennordseite (Voralpen, Mittelland, Jura) haben im Vergleich mit jenen in den Zentralalpen und der Alpensüdseite meist nur geringe Schäden in den betroffenen Wäldern verursacht (Abb. 4). Die landesweite, jährlich aufsummierte Fläche der Waldbrände in Hektaren war in der Mitte des letzten Jahrhunderts am grössten und hat seither deutlich abgenommen.
Abb. 4: Jährlich durch Waldbrand betroffene Fläche in der Schweiz von 1900 bis 2022 gemäss der Datenbank SwissFire, unterteilt in die drei Regionen Alpensüdseite, Zentralalpen und Alpennordseite (Voralpen, Mittelland und Jura), sowie Anzahl Brände pro Jahr: Alpennordseite punktiert, Alpensüdseite gestrichelt.
Demgegenüber variierte die Anzahl Brände seit den 1960er-Jahren bis heute landesweit in einem ähnlichen Rahmen. Nach Regionen aufgeschlüsselt hat die Anzahl Waldbrände pro Jahr auf der Alpennordseite seit etwa 2000 zugenommen, auf der Alpensüdseite jedoch seit den 1990er-Jahre deutlich abgenommen. Die zahlreicheren Waldbrände auf der Alpennordseite sind vor allem eine Folge der systematischen Erfassung durch SwissFire, resultierten aber nicht in einer wachsenden Fläche von versehrten Wäldern (Abb. 5).
Abb. 5: Durch Waldbrand betroffene Flächen in Hektaren pro Jahr in den Zentralalpen, den Voralpen, dem Mittelland und dem Jura, von 1950 bis 2022. Ein Trend der jährlich versehrten Waldfläche ist nicht erkennbar (punktierte Linie: Regressionsgerade mit R2 = 0,003, p = 0,78). Der Waldbrand von Bitsch im Jahr 2023 (nicht dargestellt) verändert den Trend praktisch nicht.
Einige der grössten Waldbrände der Schweiz haben sich während der letzten 40 Jahre in den Zentralalpen ereignet. Diese grossen Kronenfeuer machten in den Jahresbilanzen der brandversehrten Waldflächen jeweils den bedeutendsten Anteil aus: im Kanton Graubünden St. Luzisteig bei Fläsch (1985; 150 ha) und im Kanton Wallis Ochsenboden bei Salgesch (1996; 161 ha), Leuk (2003; 310 ha), Visp (2011; 130 ha) und Bitsch (2023; 100 ha; nicht dargestellt).
Für die Entwicklung der regionalen und landesweiten Brandereignisse lassen sich keine Trends ablesen, die auf eine Zunahme der jährlich brandversehrten Fläche in der Zukunft hindeuten könnte.
Waldschäden infolge Störungen nehmen zu
Auf der Basis von verfügbaren Daten zu Waldschäden in den Zentralalpen und auf der Alpennordseite der Schweiz stellen wir eine deutliche Zunahme der jährlichen Schadenmengen seit den 1980er-Jahren fest. Die tatsächliche Zunahme dürfte noch deutlich grösser sein, da das Absterben von einzelnen Bäumen durch Krankheiten wie Kastanienrindenkrebs und Ulmenwelke sowie durch Dürre während der letzten Jahre unvollständig oder gar nicht in dieser Bilanz enthalten sind. Diese Zunahme entspricht den Resultaten der jüngst veröffentlichten Übersicht zu Störungen in Wäldern von ganz Europa.
Aufgrund der langjährigen, jedoch nicht vollständigen, Datenreihen sind nur limitierte Prognosen für die nähere Zukunft möglich. Siehe dazu Kapitel 4 im Originalartikel.
(TR)