Der Blick zurück in die gar nicht allzu ferne Vergangenheit macht eindeutig klar: Wenn sich das Klima ändert, dann ändert sich auch die Baumarten-Zusammensetzung der Wälder. So zeichneten für die seit dem Ende der Eiszeit dokumentierten Veränderungen des Baumartenspektrums stets größere klimatische Veränderungen verantwortlich – im Zusammenspiel mit den unterschiedlichen Rückwanderungsgeschwindigkeiten der Baumarten.
Vor diesem Hintergrund ist es illusorisch anzunehmen, dass der anhaltende Klimawandel ohne Auswirkung auf Baumarten-Zusammensetzung der Wälder bleiben könnte. Vielmehr ist derzeit davon auszugehen, dass sich Geschwindigkeit und Größenordnung der projizierten Veränderungen bereits in forstlichen Planungszeiträumen auf die Eignung heute vertrauter Baumarten auswirken werden.
Für eine planvolle Begleitung der Entwicklung der Wälder ist es daher erforderlich, das Anpassungspotential heutiger Hauptbaumarten im Klimawandel zutreffend abschätzen zu können. Besonders erfolgversprechend erscheinen in diesem Zusammenhang modellbasierte Verfahren, in denen die Auswirkungen unterschiedlicher Klimaszenarien quantitativ verarbeiten werden können. Ein Beispiel dafür ist das in Baden-Württemberg entwickelte Verfahren, bei dem modellbasiert unter Einbeziehung unterschiedlicher Kriterien die sog. „Baumarteneignungskarten 2.0“ abgeleitet werden, die derzeit für die Hauptbaumarten Fichte, Tanne, Buche und Traubeneiche vorliegen (s. Baumarten im Klimawandel: Buche und Tanne verlieren).
Dabei zeichnet sich deutlich ab, dass es für die mittel- bis längerfristige Weiterentwicklung anpassungsfähiger Wälder sinnvoll sein dürfte, zusätzlich zu heutigen Hauptbaumarten weitere Optionen mit einzubeziehen. Neben der Prüfung anderer Herkünfte sowie seltener heimischer Baumarten ist es dabei durchaus sinnvoll, auch gebietsfremde Baumarten in das Suchspektrum einzubeziehen (z.B. Alternative Baumarten im Klimawandel: Artensteckbriefe - eine Stoffsammlung PDF, 4MB).
Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang gelegentlich auch auf Platanen, da deren standörtliche und klimatische Möglichkeiten im Klimawandel ein gewisses Potential versprechen (s. Eingeführte Baumarten als Alternativen zur Esche). Allerdings bestehen nennenswerte Risiken durch Schadorganismen, die sich gravierend auf die Einschätzung der Eignung auswirken. Eine bedeutende Rolle spielen dabei von Pilzen verursachte Erkrankungen, vor allem der Platanenkrebs.
Platanenkrebs: Erreger und Krankheitsverlauf
Verursacht wird Platanenkrebs durch den Pilz Ceratocystis fimbriata platani (Syn.: C. platani). Er dringt über Rindenverletzungen oder Wurzelverwachsungen ein und wird über die Gefäße im gesamten Baum verteilt. Da der Pilz monatelang im Holz überdauert, kann die Krankheit auch mit Sägemehl, Holz- und Wurzelteilchen weiterverbreitet werden.
Erste Krankheitsanzeichen sind schüttere Kronen mit vergilbenden Blättern. Befallene Rindenpartien sinken ein und verfärben sich braun-violett. Am Stamm entstehende Rindenverfärbungen entwickeln sich flammenförmig in Richtung Kronenansatz. Unter der befallenen Rinde verfärben sich Bast und Holz schwarzbraun und die Verfärbungen setzen sich zum Stammzentrum fort.
Ursächlich ist eine Gefäßerkrankung (Tracheomykose); ähnlich C. ulmi bzw. C. novo-ulmi beim Ulmensterben oder C. fagacearum bei der Amerikanischen Eichenwelke. Typisch ist ein akuter Verlauf. Befallene Platanen sterben meist innerhalb von ein bis zwei Jahren ab.
Das natürliche Verbreitungsgebiet des Pilzes liegt in Nordamerika, wo er zusammen mit der dort ebenfalls heimischen Abendländischen Platane (Platanus occidentalis; „Sycamore“) vorkommt. Auch die erste Beschreibung des Pilzes 1929 stammt aus Nordamerika.
1945 erreichte der Erreger im Holz von Munitionskisten in Marseille Europa, von wo aus er sich in ganz Südfrankreich ausbreitete (Abb. 1) und massive Schäden verursacht. Traurigen Bekanntheitsgrad erlangt haben hier die geradezu tragischen Ausmaße des Befalls der Platanen, die den Canal du Midi säumen (s. INFO weiter unten).
Zwischenzeitlich hat sich der Pilz auch in an Frankreich angrenzende Gebiete ausgebreitet. Zunächst nach Spanien und Italien (erster Nachweis 1972 in der Toskana). Später bis in die Schweiz. Seit 1986 ist er im Tessin bekannt. Nördlich der Alpen wurde Platanenkrebs erstmals 2001 in Genf festgestellt. Nachdem kurz darauf im Kanton Genf 2002 und 2003 weitere neue Befallsherde identifiziert wurden, kann davon ausgegangen werden, dass sich der Pilz seither auch nördlich der Alpen weiter ausbreitet.
Anfälligkeit der Platanen
In Europa zeigt sich die Morgenländische Platane (P. orientalis) als hochgradig krebsempfindlich. Und auch die hier traditionell weit verbreitet angepflanzte Ahornblättrige Platane, P. acerifolia (Syn.: P. x hispanica; eine Hybride aus P. orientalis x occidentalis) ist massiv betroffen.
Bei P. occidentalis wird zwar aufgrund der Koevolution von Wirt und Erreger im nordamerikanischen Verbreitungsgebiet ein besseres Resistenzpotential gegen den Platanenkrebs vermutet. Allerdings verursacht bei P. occidentalis die Blattbräune (Syn.: Blatt-/Zweigbrand, Anthracnose) große Probleme. Das ist eine andere Pilzerkrankung, verursacht durch den ursprünglich von P. orientalis stammenden Erreger Apiognomonia veneta, der seit Anfang des 19. Jahrhunderts auftritt und P. occidentalis in Europa weitestgehend dezimiert hat.
Wirksame Mittel zur direkten Bekämpfung des Erregers des Platanenkrebses oder zur Heilung infizierter Platanen sind nicht bekannt. Möglich sind nur vorbeugende Maßnahmen. Zum einen geht es darum, Rindenverletzungen zu vermeiden, da diese – neben Wurzelverwachsungen – die wichtigste Eintrittspforte für den Erreger darstellen. Außerdem sollte der Infektionsdruck auf gesunde Platanen durch konsequente Entfernung erkrankter Bäume möglichst reduziert werden.
Aufgrund leidvoller Erfahrungen mit dem Krebs wurden dazu in Frankreich konkrete und detaillierte Praxis-Handlungsanweisungen (auf Französsisch PDF, 2MB) zum Umgang mit infizierten Platanen entwickelt. Die wichtigsten Maßnahmen sind:
- Konsequente Desinfektion aller Arbeitsgeräte; notwendig nach Arbeiten an infizierten Platanen, an Platanen mit Infektionsverdacht oder an symptomfreien Platanen, die in Bereichen mit Infektionsrisiken wachsen.
- Rasche und konsequente Entfernung von Platanen mit Symptomen. Um einer weiteren Verbreitung des Erregers vorzubeugen, sind nach dem Einschlag sämtliche Pflanzenteile sowie das Sägemehl sofort vor Ort zu verbrennen (Abb. 2). Keinesfalls dürfen Stammholz, Brennholz, Hackschnitzel oder kontaminierter Boden anderweitig verbracht werden.
- Empfohlen wird auch dringend die Rodung und Verbrennung der Wurzelstöcke. Da dies jedoch oft an technische Grenzen stößt, wird in Frankreich ersatzweise eine „Devitalisierung“ im Boden verbleibender Stöcke praktiziert. Dazu wird mit der Motorsäge in den äußeren Randbereich der Stockoberfläche eine Fuge geschnitten, in die ein – in Frankreich für diesen Zweck zugelassenes – Pflanzenschutzmittel eingebracht wird (Abb. 3).
- Außerdem wird dazu geraten, beim Einschlag erkrankter Bäume nach Möglichkeit auch symptomfreie, unmittelbar benachbarte Platanen mit zu entnehmen, um so die Verbreitung über Wurzelverwachsungen einzudämmen.
Insbesondere die Entwicklung am Canal du Midi zeigt dabei allerdings, dass sich die Ausbreitung des Platanenkrebses leider trotz konsequenter Umsetzung dieser Maßnahmen letztendlich nicht wirkungsvoll unterbinden lässt. Möglich scheint allenfalls eine Verzögerung der Ausbreitungsgeschwindigkeit und eine (geringfügige) Reduktion des Schadniveaus.
Und die Moral von der Geschicht‘:
Mit Krebs passt die Platan‘ im Klimawandel nicht!
Der Canal du Midi führt im Süden Frankreichs vom Mittelmeer (Sète) nach Toulouse und schafft von dort via Garonne-Seitenkanal eine direkte Verbindung zum Atlantik (Bordeaux). Erbaut wurde der Kanal im 17. Jahrhundert im Auftrag Ludwigs XIV durch Pierre-Paul Riquet, der sich maßgeblich an der Finanzierung beteiligte und dazu nahezu das vollständige, nicht unbeträchtliche Familienvermögen einbrachte.
Der Kanal erstreckt sich über 240 km und zieht jedes Jahr Millionen von Besucher an. Die sicherlich eindrücklichste Art den Kanal zu erleben, ist mit dem Hausboot. Zwar bietet für frisch eingewiesene Hobbycrews die Durchfahrt der ersten Schleuse einiges an Sprengstoff. Hat die Crew diese Prüfung jedoch überstanden, hält der Kanal für die weitere Reise schieren Genuss bereit.
Sehenswert sind die für die Bauzeit geradezu revolutionären wasserbautechnischen Anlagen: seine 63 Schleusen, 136 Brücken und 55 Aquädukte machen den Kanal zu einem UNESCO-Weltkulturerbe. Entlang des Kanals reihen sich pittoresken Dörfer und geschichtsträchtige mittelalterliche Städte. Besonders eindrucksvoll: die malerisch über dem Kanal thronende, zinnengeschmückte Cité von Carcassonne – ein weiteres UNESCO Weltkulturerbe.
Eine ganz besondere Attraktion waren bis in die jüngste Vergangenheit auch die den Kanal säumenden Galerien aus Platanen. Sie stammen vor allem aus Pflanzungen an der Wende 18./19. Jahrhundert und haben sich im Lauf der Jahrhunderte zu einem faszinierende, den Kanal prägenden Natur-/Kulturerbe entwickelt (Abb. 4; links). Bis dann die Ankunft des Platanenkrebses das Erscheinungsbild des Kanals in jüngster Zeit radikal umkrempelte:
2006 wurde die Krankheit zum ersten Mal am Kanal beobachtet und breitet sich seither schnell aus. Von den 42.000 Platanen entlang des Kanals mussten krankheitsbedingt von 2006 bis 2017 weit über 20.000 eingeschlagen werden; allein im Jahr 2017 waren es über 3.000. Und die Krankheit ist – allen Gegenmaßnahmen zum Trotz – seither weiter fortgeschritten. Heute zeugen meist nur noch kümmerliche Rest von der Herrlichkeit der einstigen Galerien (Abb. 4, Mitte).
Die ausgefallenen Platanen werden zwar konsequent durch neue Anpflanzungen ersetzt – natürlich mit anderen Baumarten (Abb. 4, rechts). Bis der Galerie-Charakter der Vor-Krebs-Zeit wieder entsteht, wird es aber Jahrzehnte dauern. So lange werden die Spuren der Krebserkrankung im Landschaftsbild sichtbar bleiben. Nach wie vor eine (Boots-)Reise mehr als wert – aber eben doch ganz anders als noch vor nicht einmal 20 Jahren.