Anfälligkeit und Folgen

Die Gemeine Esche (Fraxinus excelsior) gehört neben Rotbuchen und Eichen zu den wichtigsten einheimischen Laubbäumen. Leider ist sie besonders anfällig für den invasiven Schlauchpilz Hymenoscyphus fraxineus, das Falsche Weiße Stängelbecherchen. Dieser aus Asien stammende Pilz ist der Auslöser des mittlerweile in Europa weitverbreiteten Eschentriebsterbens (ETS). Die Erkrankung ist verbunden mit Blatt- und Kronenschäden sowie häufig auftretenden Stammfußnekrosen und nachfolgenden, pathogenen oder opportunistischen Schaderregern, insbesondere Holzfäulepilzen. 

Der Verlust beziehungsweise flächige Ausfall der Baumart und der an sie gebundenen Arten führt zu einem Rückgang der Biodiversität in unseren Wäldern. Zudem entstehen erhebliche finanzielle Einbußen für die Forst- und Holzwirtschaft. Mit dem sukzessiven Absterben der betroffenen Eschen geht nicht nur eine Qualitätsverschlechterung des Holzes einher, sondern aufgrund der absterbenden Bäume entsteht ein erhöhter Aufwand bei der Verkehrs- und Arbeitssicherheit. Befallene Eschen können nach der Infektion sowie durch nachfolgendem Befall mit sekundären Schaderregern (Pilze und Insekten) innerhalb von wenigen Jahren gänzlich absterben.

Europaweite Verbreitung

Ursprünglich stammt der Erreger des Eschentriebsterbens aus Ostasien und befällt – in der Regel symptomlos – die dort heimische Eschenart Fraxinus mandshurica. In den 1990er-Jahren wurden in Polen und den baltischen Staaten erste, durch H. fraxineus verursachte, Absterbeerscheinungen bei Eschen beobachtet. Das Pathogen hat sich in den folgenden Jahren sehr schnell und erfolgreich in weiten Teilen Europas ausgebreitet. Spätestens seit 2002 kommt der Erreger auch in Deutschland vor.

Primäre Infektion über die Blätter

Die Blätter der Esche sind eine primäre Eintrittspforte für die windverbreiteten Sporen des Eschentriebsterbenerregers. Von der Blattoberfläche ausgehend kann sich der Erreger weiter im Wirtsgewebe ausbreiten. Erste Symptome des Eschentriebsterbens sind zumeist Blattflecken und Welkeerscheinungen der Blätter sowie das namensgebende Absterben der befallenen Triebe. Jedoch sind die Pilzsporen auch in der Lage, in die Rinde von Trieben, Stämmen und Wurzeln der einheimischen Gemeinen Esche einzudringen und dort Nekrosen hervorzurufen. Im (Früh-)Sommer bilden sich auf abgefallenen, überwinterten, infizierten Blattspindeln in der Laubstreu kleine Fruchtkörper des Schadpilzes. Diese produzieren Ascosporen, die wiederum Eschen neu infizieren können. So finden jedes Jahr zahlreiche Neuinfektionen statt und führen somit zu einem sukzessiven Absterben der Kronen betroffener Eschen von außen nach innen. Um den Verlust zu kompensieren bildet die Esche Wasserreiser. Jüngere Eschen neigen dann zur Verbuschung, bei älteren Bäumen kommt es zur Bildung von Sekundärkronen.

Unterschiedliche Ansätze der Kronenansprache

Da nur ein geringer Teil der Gemeinen Eschen gegenüber dem Erreger tolerant zu sein scheint und eine Neuanpflanzung des bisherigen Pflanzgutes nicht empfohlen werden kann, ist die forstliche Zukunft dieser Baumart aktuell ungewiss. Zur Schadenserhebung und zum Monitoring des Eschentriebsterbens wurden bisher unterschiedliche Ansätze der Kronenansprache entwickelt und angewendet. Die Symptomatik des Eschentriebsterbens ist hoch variabel und zeigt sich in unterschiedlichen Baumkompartimenten von der Wurzel bis in die Krone. Daher waren die bisherigen Schlüssel zur Kronenansprache nicht ausreichend, um das Schadausmaß bei Einzelbäumen zu erfassen und Risiken, z.B. zur Verkehrssicherheit betroffener Eschen abschätzen zu können.

Umfassender modularer Boniturschlüssel

Mit Hilfes des modularen Boniturschlüssels werden an jeder untersuchten Esche die beobachteten Schadsymptome an Stamm/Wurzelanlauf und in der Krone separat aufgenommen. Abweichend zur Methode der Waldzustandserhebung wird der Kronenzustand der Eschen in sechs Stufen (0 bis 5) differenziert. Empfohlen wird eine eigenständige Winter- und Sommeransprache. Dadurch können saisonal unterschiedlich gut erfassbare Merkmale (z.B. Wasserreiser in der Krone oder Blattverlust) und der rasche Fortschritt der Schadensausprägung halbjährig an den gleichen Eschen dokumentiert werden.

Kronenbonitur

Der FraxForFuture-Boniturschlüssel gliedert sich grundsätzlich in die Ansprache von Alt- und Jungeschen (Jungbäume bis zu einer Höhe von zwei Metern). Der Alteschenschlüssel unterscheidet zwischen einer Ansprache im belaubten (Sommerbonitur) und unbelaubten Zustand (Winterbonitur), wobei die sechs Schadstufen des Sommerboniturschlüssels nicht komplett identisch mit denen des Winterboniturschlüssels sind. Wasserreiser werden am besten im unbelaubten Zustand (Winter) separat aufgenommen und gehen nur teilweise in die Kronenansprache mit ein. Generell hat sich die Winterbonitur als besser geeignet herausgestellt, da die Schäden nicht durch das Laub verdeckt sind und realistischer beurteilt werden können.

Bonitur des Stamms und Stammfußes

Am Stamm wird unterschieden zwischen keinen, wenigen oder vielen Wasserreisern. Dabei ist die Anzahl ausschlaggebend, nicht die Verzweigung der einzelnen Wasserreiser. Neben den Schäden im Kronenbereich sind Stammfußnekrosen ein Schwerpunkt bei der Eschenansprache. Sie werden ebenfalls durch den Erreger des ETS hervorgerufen. Die Nekrosen stellen einen Hauptmortalitätsfaktor da, weil sie die Standsicherheit und somit auch Verkehrssicherheit betroffener Eschen stark beeinflussen. Stammfußnekrosen werden dreistufig aufgenommen (Stufe 0 = gesunder Stammfuß,  Stufe 1 = schwache beziehungsweise frische und Stufe 2 = starke beziehungsweise fortgeschrittene Stammfußnekrose(n)). Die Schadstufe wird hierbei am Zersetzungsfortschritt des Holzes sowie der Größe, der Anzahl und der genauen Lokalisation der Nekrose festgemacht. Oft sind Stammfußnekrosen erst nach Entfernen der Moosschicht sichtbar oder auch äußerlich nicht erkennbar, z.B. bei sehr borkigen Alteschen. Ein „Abklopfen“ des Holzkörpers (z.B. mit einem Schallhammer) gibt meist Aufschluss darüber, ob sich unter der augenscheinlich gesunden Rinde dennoch abgestorbene Holzbereiche befinden, da sich diese anders anhören als gesunde.

Folgeschädlinge

Nach dem Befall werden Eschen oft von Insekten oder weiteren Pilzen besiedelt. Sie sind ebenfalls zur Einschätzung des Schadensfortschritts von Bedeutung. Zum modularen Boniturschlüssel wird ergänzend im Eschentriebsterben-Handbuch eine Auswahl an relevanten Pilzen und Schadinsekten an Esche bebildert dargestellt. Für junge Eschen wird eine Bonitur von Mitte Juli bis Anfang August empfohlen. Mit dem Boniturschlüssel kann der Zustand der Triebe, der Hauptachse, des Stammfußes und der Blätter beurteilt werden. Weiterhin wird der Anteil der Ersatztriebe (Wasserreiser) und der geschädigten sowie abgestorbenen Triebe aufgenommen. Solange es die Gesamtanzahl der Triebe zulässt, sollte eine Zählung anstelle einer Schätzung erfolgen. Der Befall der Hauptachse (Bereich unterhalb des obersten Nebentriebes) stellt ein wichtiges Merkmal für die Überlebenschance der Jungesche dar, deswegen wird dieser gesondert vermerkt.

Fazit

Der hier vorgestellte modulare Boniturschlüssel mit Ansprachekriterien kann als Grundlage für eine bundeseinheitliche Ansprache dienen. Einbezogen sind Eschen jeden Alters und Erkrankungszustands im Verlauf des Eschentriebsterbens. Eine Aufnahme nach dieser Vorlage erlaubt nicht nur eine schnelle Einschätzung des Zustands einzelner Bäume oder Bestände, es können auch langfristige Zusammenhänge im Absterbeprozess abgeleitet werden.

Verbundprojekt für den Erhalt der Esche

Der modulare Anspracheschlüssel wurde im Rahmen des Demonstrationsprojekts FraxForFuture zum Erhalt der Waldbaumart Gemeine Esche von Forschenden der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) im Verbundvorhaben FraxPath und dem Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde (LFE) im Verbundvorhaben FraxMon entwickelt.

FraxForFuture ist ein von den Bundesministerien für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) initiiertes und über die FNR und den Waldklimafonds gefördertes Demonstrationsvorhaben (Start 1.7.2020). Mit seinen fünf interdisziplinären Verbundvorhaben (VV) werden erstmals in Deutschland projektübergreifend sämtliche Fachdisziplinen eingebunden, um den Erhalt der Esche als Waldbaumart zu sichern: Verbundvorhaben 1 (FraxConnect), Aspekte des Monitorings (VV 2 FraxMon), Genetik und Züchtung (VV 3 FraxGen), Phytopathologie und Forstschutz (VV 4 FraxPath) sowie Waldbau (VV 5 FraxSilva).