Das Falsche Weisse Eschenstengelbecher­chen (Hymenoscyphus fraxineus) ist ein aus Ostasien eingeschleppter Pilz, der das inzwischen weitum bekannte Eschentriebsterben verursacht. Der Pilz wurde 2008 zum ersten Mal in der Schweiz nachgewiesen. Die meisten Eschen erkranken an dieser Krankheit. Besonders Jungbäume sterben nach einer Infektion in grosser Zahl ab, ältere Bäume sterben langsam über mehrere Jahre hinweg (Abb. 1a). Die Esche ist vom Eschentriebsterben so stark betrof­fen, dass sie von der zweithäufigste Laub­baumart der Schweizer Wälder inzwischen auf den dritten Platz gerutscht ist.

Glücklicherweise entdecken Förster und Waldbesitzer immer wieder ge­sunde Eschen in ihren Wäldern (Abb. 1b). Zwischen 5 und 10% der Eschen zeigen keine oder ganz wenige Symptome; sie können diese Krankheit offenbar überleben.

Eschenprachtkäfer als neue Gefahr

Leider ist das Eschentriebsterben nicht die einzige Gefahr für unsere Esche. Es zeichnet sich eine weitere Bedrohung ab: Der aus Ostasien in Raum Moskau 2003 eingeschleppte Eschenprachtkäfer (Agrilus planipennis) breitet sich immer weiter nach Westen aus. Er hat bereits die Grenzen der Ukraine und Weissrussland überschritten.

Durch den Larvenfrass unter der Rinde an grossen Ästen und am Stamm kappt er die Wasserversorgung der Esche, was zu ihrem raschen Absterben führt. In den USA, wo der Eschenprachtkäfer eben­falls eingeschleppt wurde, sind mittlerweile weit über 50 Millionen Eschen dem Käfer zum Opfer gefallen.

Gezielte Forschung

Ein Verlust der Esche in den Schweizer Wäldern würde nicht nur die Baumvielfalt schmälern, sondern auch die allgemeine Biodiversität gefährden. Viele Arten sind auf die Esche oder auf die von ihr dominierten Waldgesellschaften spezialisiert. Wie kann die Esche mit diesen beiden Bedro­hungen, dem Eschenstengelbecher­chen und dem Eschenprachtkäfer, umgehen? Hat die Esche als Baumart in unseren Wäldern überhaupt noch eine Zu­kunft? Mit gezielter Forschung wird versucht, diese Fragen zu beantworten.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Forschungsanstalt WSL analysieren das Potenzial der Esche, die beiden Bedrohungen zu über­leben (Abb. 2). Dabei untersuchen sie die drei Hauptbeteiligten – Esche, Pilz und Käfer – einzeln, aber auch in Kombination untereinander.

So wird einerseits nach toleranten Eschen gegenüber dem Eschentriebsterben und dem Eschenprachtkäfer gesucht. Ande­rerseits prüfen die Forscher die natürlichen Gegenspie­ler (Antagonisten) gegen diese Schaderreger auf ihre Effizienz hin. Im Fokus der Forschung stehen dabei Viren, die den Pilz befallen. Es ist das Ziel, mit Hilfe der Viren das Falsche Weisse Eschenstengelbecher­chen kontrollieren zu können. Für eine Kontrolle des Eschenprachtkäfers könnten hingegen parasitoide Wespen eine wichtige Rolle spielen.

Viren als natürliche Gegenspieler

Parasitische Viren kommen in Pilzpathogenen häufig vor, und in gewissen Fäl­len können solche Viren für die Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten verwendet werden. Das bekannteste Beispiel ist vermutlich das Cryphonectria hypovirus 1 (CHV1), das den Erregerpilz des Kastanienrindenkrebses, Cryphonectria parasiti­ca, erfolgreich in Schach hält, indem es eine sogenannte Hypovirulenz (reduzierte Virulenz des Erregerpilzes) verursacht.

Die Wahrscheinlichkeit, geeignete Pilzviren gegenüber dem Eschentriebsterben zu finden, ist im Ursprungsgebiet des Krank­heitserregers am grössten. Im Rahmen eines EU-Projektes untersucht die Forschungsanstalt WSL das Vorkommen von Pilzviren in japanischen Isolaten von H. fraxineus, dem Erregerpilz des Eschentriebsterbens. Mithilfe sogenannter metagenomischer Analysen liessen sich fünf unterschiedliche RNA-Viren nachweisen, die nun im Pflanzenschutzlabor der WSL genauer untersucht werden. Es zeigte sich bereits, dass gewisse Viren das Wachstum des Pilzes beeinträchtigen. Weitere Tests mit diesen Viren werden an künstlich infizierten Eschen im Gewächshaus durchgeführt.

Tolerante Eschen in Schweizer Wäldern

Um möglichst tolerante Eschenindividuen zu finden, wurde vor einigen Jahren in einer Umfrage schweizweit nach gesund aussehenden Eschen gesucht. Aufgrund der eingegangenen Hinweise besuchten die Forschenden 171 Standorte und erhoben dort die gesunden Eschen und verschiedene Umweltparameter. Aus dem resultierenden Daten­satz wählten sie Eschen mit weniger als 25 % Kronenverlichtung («gesunde Eschen») von 10 Standorten aus.

Die Wissenschaftler ernteten Triebe dieser gesunden Eschen im Feld und pfropften sie anschliessend auf junge Wurzelstöcke anderer Eschen, um für die geplanten Experimente im Labor eine Vielzahl an Wieder­holungen des gleichen Genotyps zu erlangen (Abb. 3).

Anlässlich von Infektionsversuchen (Abb. 4), bei denen in den Blattstengeln sowie im Stamm der gepfropften Eschen künstlich Pilzinfektionen verursacht wurden, fanden die Forschenden schliesslich fünf sehr tole­rante Eschengenotypen. Diese Eschen, die aus den Kantonen Graubünden, St. Gallen, Schwyz und Thurgau stammen (Abb 5), gelten nun als Hoffnungsträger.

Diese Hoffnungsträger werden nun in weiteren Versuchen gegenüber mehreren Pilzstämmen des Falschen Weissen Eschenstengelbecher­chens aus der Schweiz und aus Japan getestet. Diese Tests sind notwendig, um erkennen zu können, ob die bisher toleranten Eschen auch gegenüber einer erneuten Einschleppung von Pilzstämmen aus dem Ursprungsraum tolerant sind.

Gleichzeitig wurden auch Eschen derselben 10 Standorte untersucht, welche mehr als 50 % Kronenverlichtung durch das Eschen­triebsterben aufzeigen («kranke Eschen»). Im Vergleich zu den gesunden Eschen konnte unter kontrollierten Labor­bedingungen eine deutliche geringere To­leranz gegenüber dem Eschentriebsterben nachgewiesen werden.

Dies zeigt auf, dass die toleranten Eschen nicht nur wegen den Standortbedingungen an ihrem Herkunftsort gegenüber dem Eschentriebsterben tolerant sind, sondern dass deren Toleranz vermutlich eine genetische Komponente hat. Die For­schungsergebnisse machen deutlich, dass es in Schweizer Wäldern tolerante Eschen gegenüber dem Eschentriebsterben gibt und eine Förderung der «gesunden» Eschen in den Wäldern Sinn ergibt.

Resistenz gegenüber dem Eschenprachtkäfer

Dieselben 20 Eschen (10 gesun­de und 10 erkrankte) wurden auch auf ihre Toleranz gegenüber dem Eschenprachtkäfer untersucht. Dazu setzten die Wissenschaftler die Bäumchen für 20 Tage einem Befall mit Käferlarven aus. Anschliessend sammelten sie alle Lar­ven ein und massen deren Wachstum und Sterblichkeit (Abb. 6), um Rückschlüsse auf die Toleranz der jeweiligen Eschen zu ziehen.

Die untersuchten Eschen unterschieden sich teilweise stark bezüglich Käfertoleranz. Interessan­terweise waren die zwei gegenüber dem Käfer anfälligsten Eschen ebenfalls anfällig gegenüber dem Eschen­triebsterben. Gleichzeitig wiesen pilzresis­tentere Eschen eben­falls eine erhöhte Käferresistenz auf. Diese ersten Resultate geben Grund zur Hoffnung, dass gewisse Eschen gleichzeitig sowohl eine erhöhte Toleranz gegen das Eschentriebsterben als auch gegen den Eschenprachtkäfer aufweisen könnten.

Video zur Eschenforschung an der WSL

 

(TR)