Forstliche Handlungsempfehlungen beim Eschentriebsterben

Erstmalig wurde das Eschentriebsterben in Deutschland 2002 beobachtet und der Erreger wurde 2007 nachgewiesen. Die genaue Identität des Erregers Hymensocyphus fraxineus(syn. H. pseudoalbidus) mit seiner Nebenfruchtform Chalara fraxinea, sowie dessen Herkunft aus Japan (von Fraxinus mandshurica) konnte 2011 beziehungsweise 2012 geklärt werden. Seit wenigen Jahren sind die Krankheitssymptome bundesweit unübersehbar und es entstehen so große Verluste durch schlechte Stammformen und Mortalität, dass gegenwärtig die forstliche Zukunft der Baumart Esche in Frage gestellt scheint. Andererseits zeigt sich bisher ein kleiner Prozentsatz der Eschen gegen die Krankheit unanfällig, sodass daraus eine künftig weniger anfällige Eschengeneration entstehen könnte. Zu vielen Fragen der Resistenz und zur Infektionsbiologie besteht noch dringender Forschungsbedarf.

Nicht zuletzt angeregt durch die Europäische COST-Aktion FP1103 ("FRAXBACK") und die deutsche Arbeitsgruppe "Eschentriebsterben" wurden forstliche Handlungsempfehlungen aus den Bundesländern zusammengestellt, die gleichermaßen den mittelfristigen Abgängen befallener Eschen als auch der Zukunft resistenter Eschen Rechnung tragen sollen. Unterschiedliche Einschätzungen, Empfehlungen und detailliertere Pflegekonzepte der jeweils zuständigen Forstverwaltungen und -betriebe bleiben unberührt. Auf Handlungsempfehlungen zum Eschentriebsterben in Österreich und in der Schweiz wird hingewiesen.

Saatgut

Von der Saatguternte (auch von resistent erscheinenden Eschen) ist gegenwärtig noch abzuraten, da durch Pollenflug mit hoher Wahrscheinlichkeit Erbgut von hoch anfälligen Eschen eingekreuzt sein wird. Eschensaatgut sollte erst wieder gewonnen werden, wenn die Mechanismen der Resistenz und deren Vererbung verstanden und die stark anfälligen Eschen im Bereich von Saatguterntebeständen ausgemerzt sind. Das kann voraussichtlich frühestens in fünf bis zehn Jahren der Fall sein.

Baumschulen

Gegenwärtig wird (außer in Spezialfällen) von der Eschen-Anzucht abgeraten. Infiziertes Material ist umgehend zu vernichten. Insbesondere ist es nicht sinnvoll, durch Fungizideinsatz oder andere Maßnahmen gesundes, aber anfälliges Pflanzmaterial zu erzeugen. Damit wäre die Anfälligkeit nur kaschiert und die Eschen würden bald nach dem Auspflanzen "natürlich" infiziert werden.

Pflanzung

Von Pflanzungen wird generell abgeraten. Auch die Beimischung von Eschen zwischen andere Hauptbaumarten erscheint wenig sinnvoll. Insbesondere sollten ausgefallene Eschen nicht wieder mit Eschen ersetzt werden. Falls man in besonderen Ausnahmefällen auf Eschenpflanzung nicht verzichten will, wird die Frühjahrspflanzung empfohlen, da hier die Krankheitssymptome am Pflanzmaterial besser sichtbar sind. Infizierte Pflanzen müssen sofort zurückgewiesen und/oder vernichtet werden. "Gesundschneiden" ist wirkungslos, da sehr weit in gesund erscheinendes Gewebe zurückgeschnitten werden müsste und jederzeit eine Neuinfektion erfolgen kann.

Naturverjüngung

Naturverjüngung kann genutzt werden. Allerdings erscheint die aktive Selektion von ausreichend resistenten Eschen auf baumzahlreichen Flächen nicht machbar. "Biologische Automation", das heißt das Absterben oder das durch Konkurrenz bedingte Untergehen von infizierten Pflanzen und das Überwachsen durch gesunde, ist nur eingeschränkt wirksam, da auch infizierte Pflanzen trotz schlechter Stammformen noch konkurrenzstark sein können. Das Gesundschneiden von befallenen Pflanzen ist wirkungslos (s. o.). In stark befallenen, reinen Eschen-Naturverjüngungen, in denen das Verjüngungsziel krankheitsbedingt gefährdet ist, kann eine aktive Einbringung von standörtlich geeigneten Mischbaumarten erforderlich sein, wobei eine geringe Stückzahl ausreicht.

Jungbestandspflege

In den gängigen zweiphasigen waldbaulichen Pflegekonzepten wird bis zum Erreichen der angestrebten astfreien Schaftlängen (bzw. der relevanten Oberhöhen) kaum in Jungbestände eingegriffen, um die bei Dichtschluss ablaufende Differenzierung und natürliche Astreinigung möglichst nicht zu unterbrechen. Im Grundsatz gilt das auch für erkrankte Eschenbestände. Stark erkrankte Eschen werden im Dichtstand oft ausfallen. Zur Mischwuchsregulierung können erwünschte, der Esche wuchsunterlegene Baumarten frühzeitig gefördert werden. Denkbar sind solche Eingriffe auch zur Förderung gut veranlagter, resistent erscheinender Eschen.

Erst- und Folgedurchforstungen

Durchforstungen werden auch in befallenen Beständen weiterhin dringend empfohlen. Die Auszeichnung im Sommer erlaubt dabei eine deutlich bessere Einschätzung der Vitalität. Diese ist das wichtigste Kriterium der zu fördernden Bäume. Ein Ziel ist die Erhaltung und Förderung von augenscheinlich widerstandsfähigen Eschen sowie von geeigneten Mischbaumarten. Die ungünstige Vitalitäts- und Entwertungsprognose befallener reiner Eschenbestände beziehungsweise Bestandesteile hat allerdings einen Übergang von Z-Baumdurchforstungen zu freien Hochdurchforstungen ohne Festlegung der Förderung dauerhaft markierter Z-Bäume zur Konsequenz. Bei Folgeeingriffen in Beständen mit bereits früher herausgearbeiteten Eschen-Z-Bäumen sind diese auf Befall und entsprechende Ausfallwahrscheinlichkeit kritisch zu überprüfen. Stark befallene Eschen sollten bevorzugt entnommen werden. Jedoch ist eine intensivere Negativselektion allenfalls im Bereich von Saatguterntebeständen sinnvoll. Zur Frage, inwieweit auch mäßig anfällige Eschen freigestellt werden sollten, um so eine bessere Regeneration der Kronen zu ermöglichen, besteht noch Klärungsbedarf.

Das anfallende Material kann normal verwertet werden. Von verbleibendem Schlagabraum geht keine zusätzliche Infektionsgefahr aus. Vor allem in älteren Durchforstungsbeständen gewinnt die rechtzeitige Entnahme stärker befallener Eschen an Bedeutung, um einer Holzentwertung wertvollerer Sortimente zuvorzukommen (s.u.).

Durch den Ausfall beziehungsweise die Entnahme stark befallener Eschen kann es zu unerwünschten Auflichtungen bis zur vollständigen Auflösung des Bestandesgefüges, somit auch zu Vergrasung und Wasserreiserbildung kommen. Die waldbaulichen Handlungsmöglichkeiten sind hier noch nicht ausreichend ausgelotet. Es ist jedoch naheliegend, erforderlich werdende vorzeitige Walderneuerungsmaßnahmen zügig durchzuführen, um den noch verbliebenen Schirm ausnutzen zu können.

Die Auswahl von Misch- oder Ersatzbaumarten richtet sich nach der konkreten Bestandessituation und den standörtlichen Gegebenheiten (Ahorn, Buche, Erle, Hainbuche, Eiche, Linde, Vogelkirsche, Schwarznuss etc.). Eine einzige Ersatzbaumart wird es für die Esche mit ihrer sehr breiten standörtlichen Amplitude nicht geben.

Stammholzernte

Bestände nahe der Hiebsreife sollten im Hochsommer für den Wintereinschlag ausgezeichnet werden; denn im Juli sind der Laubaustrieb und die Ersatztriebbildung abgeschlossen und der vorzeitige Blattfall hat noch nicht eingesetzt, so dass das Triebsterben deutlich sichtbar wird. Hohe Priorität für die Entnahme haben Bäume mit einem Laubverlust von über 70%. Bei rechtzeitigem Einschlag sind kaum Verfärbungen oder andere Schäden im Stammholz zu erwarten. Außerdem würden diese geschwächten Bäume sonst innerhalb weniger Jahre absterben und die Holzqualität wäre dann durch Holzfäulen, Bläuen und bohrende Insekten oder aber durch starke Bildung von Wasserreisern gefährdet. Wenn letztere neu infiziert werden, kann es zu Rindenläsionen direkt am Stamm kommen. Abgängige Eschen werden zwar sehr schnell von Eschenbastkäfern befallen; jedoch wird auch bei hohen Populationsdichten von diesem stark sekundären Rindenbrüter kein Primärbefall an sonst überlebensfähigen Eschen erwartet. Das Geschehen sollte jedoch beobachtet werden.

Rundholz in Rinde

Unabhängig vom Eschentriebsterben empfiehlt es sich, geschlagenes Rundholz im Winterhalbjahr zügig abzufahren, sodass es zu keinen Schäden durch Käferbefall oder durch wertmindernde Pilze kommt. Eine Übertragung der Krankheit durch das geschlagene Holz gilt als unwahrscheinlich, da die Chalara-Konidien nicht keimen und auf Holz bisher noch keine Apothecienbildung festgestellt wurde.

Verkehrssicherung

Bei stärkerem Befallsgrad kann es in Altbeständen und bei Einzelbäumen zum Absterben von stärkeren Ästen mit entsprechendem Gefährdungspotential kommen. Die Esche verliert abgestorbene Äste relativ rasch. Ferner können Stammfußnekrosen (durch den Erreger des Triebsterbens selbst oder durch sekundären Hallimaschbefall) zur baldigen Destabilisierung der betroffenen Bäume führen, was die Arbeits- und Verkehrssicherheit gefährdet. Im Zweifel müssen die Bäume entfernt werden. Kronenreduzierungen oder andere baumchirurgische Sanierungsversuche sind im Hinblick auf das Triebsterben auch außerhalb des Waldes nicht sinnvoll, da weitere Infektionen und Zustandsverschlechterungen unmittelbar zu erwarten sind.

Abschließende Empfehlung

Das Eschentriebsterben gefährdet die forstwirtschaftliche Nutzbarkeit der Esche; planmäßiges Handeln wird durch diese neue Krankheit sehr erschwert. Gegenwärtig wird empfohlen, möglichst wenig Pflegeaufwand in diese Baumart zu investieren und das Hauptaugenmerk auf die Vermeidung von Holzentwertung durch rechtzeitigen Einschlag sowie auf den Erhalt potentiell resistenter Eschen zu richten. Im Zuge von Durchforstungen sind hoch anfällige Eschen im Lauf der nächsten Jahre zu entfernen, um so möglicherweise eine sukzessive Verbesserung der genetischen Konstitution der Eschenpopulationen zu erreichen. Allerdings sind längerfristige Untersuchungen und Erfahrungen dringend erforderlich, so dass die Handlungsstrategien weiter abgesichert werden können.

Entwicklungszyklus und Biologie der Krankheit

Ab Ende Mai bis etwa August entstehen in infizierten Eschenbeständen in der vorjährigen Laubstreu die Fruchtkörper des Falschen Stengelbecherchens (Hymensocyphus fraxineus) (Abb. 3). Die von hier in großen Mengen aktiv abgeschleuderten Askosporen werden mit der Luft über große Entfernungen verfrachtet. Bei günstigen Infektionsbedingungen, welche noch genauer definiert werden müssen, werden die Eschen über die Blätter infiziert. Das Mycel kann bereits im August über die Blattstiele in die Triebe eindringen und dort die Markröhre und das Xylem infizieren sowie Kambiumnekrosen verursachen (Abb. 4, 5).

Spätestens bis zum nächsten Frühjahr sind die Triebe meist geringelt und zur Spitze hin abgestorben (Abb. 11). Erfolgt die Ringelung erst nach dem Austrieb, führt dies zur Triebwelke (Abb. 6). Im oder auf dem Pflanzengewebe, ebenso wie an mikrobiologischen Isolaten des Pilzes, kommt es am Mycel zur Bildung der Chalara-fraxinea-Nebenfruchtform (Abb. 8), deren Konidien jedoch nicht keimen, sondern nur der Befruchtung von haploiden Mycelien dienen.

Für die Bäume wirkt sich das Triebsterben im Prinzip ähnlich einem jährlich wiederholten, unterschiedlich radikalen Rückschnitt aus. Es kommt auch zu Rindenschäden (Abb. 7), Wuchsdeformationen durch Ersatztriebbildungen (Abb. 10), inneren Holzfehlern (Abb. 9), Kronenverlichtung (Abb. 11), Minderzuwachs und chronischer Schwächung sowie nicht selten auch zum Absterben. Unter Beteiligung von H. fraxineus und/oder Hallimasch entstehende Stammfußnekrosen (Abb. 12, 13) beschleunigen den Absterbeprozess. Die Infektionen kommen auf allen standörtlichen Gegebenheiten vor; jedoch scheint die Entwicklung der Krankheit auf Feuchtstandorten beschleunigt und intensiver zu verlaufen, was möglicherweise durch zusätzliche Wurzelerkrankungen bedingt sein kann.