Die Lecanosticta-Nadelbräune wird durch die wahrscheinlich vor etwa 50 Jahren aus Mittel- oder Nordamerika eingeschleppte Pilzart Lecanosticta acicola verursacht. In Europa sind neben einigen nicht heimischen Kiefernarten vor allem Latschen (P. mugo), Spirken (P. uncinata), Schwarzkiefern (P. nigra), in Slowenien und im Mediterrangebiet Aleppo-Kiefern (P. halepensis) betroffen. Weißkiefern (P. sylvestris) werden ebenfalls befallen, die Nadelverluste sind jedoch im Allgemeinen gering. 

Die Infektion erfolgt an Nadeln aller Jahrgänge. Nach der Infektion verbraunt die äußere Nadelhälfte, während die innere längere Zeit grün bleibt. Auf den Nadeln werden infektiöse Sporen gebildet. Wiederholter Neubefall desselben Baumes über mehrere Jahre führt zu zunehmenden Nadelverlusten. Im Spätstadium sind nur mehr lebende und typischerweise verkürzte Nadeln des jüngsten Jahrganges vorhanden („Pinselstadium“). Normalerweise dauert es mehrere Jahre, bis dieses Stadium erreicht wird, der Krankheitsfortschritt am infizierten Baum kann aber auch, vermutlich beeinflusst durch lokalklimatische Parameter, Witterung und Bestandesstruktur, schneller erfolgen. Im Unterschied zu anderen Nadelkrankheiten der Kiefer bleibt die Lecanosticta-Nadelbräune am befallenen Baum aktiv, sie verschwindet nicht, wenn der Baum älter wird. Am Ende des langjährigen Krankheitsverlaufes steht das Absterben der befallenen Bäume. 

Zuerst Befall von Latschen in Gärten, …

Bis vor etwa zehn Jahren war Lecanosticta acicola in Europa insgesamt zwar selten, in einigen Ländern jedoch lokal häufig (Schweiz, Österreich). Typisch war der Befall von Latschen/Spirken im urbanen Bereich (Gärten, Parks...). In einigen Ländern (Deutschland, Tschechien, Slowenien) wurde die Krankheit auch an Latschen und Spirken in Mooren entdeckt. In Wäldern war sie ausgesprochen selten. 

...dann in alpinen Schutzwäldern

In Österreich wurde die Lecanosticta-Nadelbräune erstmals 1996 im Stadtgebiet der niederösterreichischen Gemeinde Hollenstein an der Ybbs nachgewiesen, im Jahr 2008 auch in einem angrenzenden Weißkiefernbestand. Danach blieben Neufunde auf Einzelbäume im urbanen Bereich beschränkt. 2015 wurde das erste epidemische und großflächige Auftreten in natürlichen Waldbeständen (alpine Schutzwälder im östlichen Karwendelgebirge und den Lechtaler Alpen) und 2018 ein Befallsgebiet im westlichen Karwendelgebirge entdeckt. Die Mortalität lag in den Latschen-/Spirkenbeständen meist unter 10%, die große Anzahl stark erkrankter Bäume lässt jedoch einen deutlichen Anstieg in naher Zukunft erwarten. 2020 wurde die Krankheit an Spirken im Pinzgau nachgewiesen.

2016 erfolgte der erste Nachweis der Krankheit auf Moorstandorten im Bundesland Salzburg (Latschen). Daraufhin wurden Latschenmoore in mehreren Bundesländern auf Lecanosticta-Vorkommen überprüft. Von diesen wiesen etwa ein Viertel der Bestände Infektionen mit Lecanosticta acicola auf. Die Forschung zur Lecanosticta-Krankheit erfolgte größtenteils in Nordamerika an dort heimischen Kiefernarten. Betreffend europäische Wirtsbaumarten sowie die Epidemiologie unter alpinen Bedingungen besteht entsprechender Forschungsbedarf. Auch ist über möglicherweise resistente Kiefernherkünfte wenig bekannt. 

Kurz gefasst:

  • Die Lecanosticta-Nadelbräune wird durch die aus Mittel- oder Nordamerika eingeschleppte Pilzart Lecanosticta acicola verursacht. 
  • Bis vor etwa zehn Jahren war Lecanosticta acicola in Europa insgesamt eher selten.

Einschleppung

Die vermutlich mehrfache Einschleppung in Europa erfolgte höchstwahrscheinlich mit Kiefernpflanzgut. Eine gewisse Rolle könnte auch der Tourismus spielen, wofür Fälle einer Ausbreitung ausgehend von Kiefern an stark frequentierten Wegen sprechen. Innerhalb Europas ist neben dem Verbringen von verseuchtem Pflanzgut auch eine Verbreitung durch kontaminierte Kleidung, Schuhwerk oder Fahrzeuge denkbar. Auffällige Ausbreitungsmuster in Mooren, wo Latschenzweige lokalen Bräuchen zufolge geschnitten werden (Advent), lassen kontaminiertes Schnittwerkzeug als weiteren Verbreitungsweg vermuten. Vermutlich fungieren auch Vögel, Wild und Insekten als Vektoren.

Handlungsbedarf

Die Gefahr einer epidemischen Ausbreitung der Lecanosticta-Nadelbräune ist in Österreich sehr hoch, von der neben den Latschenmooren mittelfristig vor allem der montan/alpine Latschengürtel bedroht ist. Daraus ergibt sich dringender Handlungsbedarf. Zum einen sollten effiziente Maßnahmen gegen Neueinschleppungen durch den Menschen ergriffen werden. Dies betrifft in erster Linie den Handel mit Kiefernpflanzen, wo ein striktes Überwachungssystem nötig wäre, aber auch potenzielle Einschleppungen durch den Ferntourismus. Eine verbesserte Kontrolle auf Flughäfen ist hier eine Möglichkeit, illegal mitgebrachte Kiefernpflanzen rechtzeitig abzufangen. Infizierte Kiefern im urbanen Raum sollten erfasst und sachgerecht entsorgt werden. Zur Verhinderung von Einschleppungen in Latschenmooren sind letztlich partielle Sperren besonders schützenswerter Bestände zu überlegen.

Die Ausweitung der bestehenden Befallsgebiete im alpinen Latschengürtel kann realistischerweise nur verlangsamt und kaum unterbunden werden. Gefragt sind regionale Konzepte, die auf eine Isolierung von Befallsherden hinauslaufen (Schaffung Latschen-freier Barrieren). Dazu ist freilich eine genaue Abgrenzung der Herde eine der wichtigsten Voraussetzungen. Das Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) erarbeitet zurzeit auf Projektebene Grundlagen für effiziente Maßnahmen. In Slowenien läuft seit einigen Jahren ein innovatives Projekt zur Verhinderung der Krankheitsverbreitung durch den Menschen: in stark von Touristen frequentierten Bereichen wie etwa auf Campingplätzen oder entlang von Wanderwegen werden infizierte Kiefern selektiv entfernt, um zu verhindern, dass die Krankheit über Kleidung, Schuhwerk oder Autoreifen fernverbreitet wird.

Das Projekt „Krankheiten und Schädlinge an Baumarten für den klimafitten Wald der Zukunft“ wurde vom Waldfonds gefördert (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft).

Weiterführende Literatur kann bei den Autoren erhalten werden.