Neue Schadorganismen können heimische Arten im Zuge des Konkurrenzkampfes verdrängen, sie können aber auch zur Bedrohung und Ausrottung von Wirtspflanzen führen, solange nicht entsprechende Räuber oder Parasiten wirkungsvoll eingreifen.
Unter der Prämisse Klimaerwärmung in Mitteleuropa können folgende Risikoszenarien in Zusammenhang mit der Ausbreitung und Vermehrung von Forstschädlingen abgeleitet werden:
- Die Klimaerwärmung beschleunigt die "natürliche" Ausbreitung (Einwanderung) von Schadorganismen in Richtung Norden.
- Eingeschleppte Schadorganismen, die bisher bei uns nicht überlebt hätten, können sich nun ausbreiten und etablieren.
- Aufgrund ungenügender phytosanitärer Kontroll- und Bekämpfungsmaßnahmen etablierten sich eingeschleppte Quarantäneschadorganismen in Nachbarländern und breiten sich aus. Fehlende klimatische "Barrieren" begünstigen die Ausbreitung auch nach Österreich.
- Die Borkenkäfergradationen sind nicht mehr ausschließlich ein Problem für sekundäre Nadelwälder der Tieflagen, sondern gefährden nun auch Hochlagenbestände.
Arealerweiterung mediterraner Schadorganismen
Als Beispiele für die in den letzten Jahren erfolgte "natürliche" Ausbreitung (Arealerweiterung) von mediterranen Schadorganismen nach Österreich können folgende Schädlinge genannt werden:
Japanischer Eichen-Seidenspinner (Antheraea yamamai)
Dieser wunderschöne Großschmetterling (Abbildung 1) wurde in Laubwäldern an Eichen im südöstlichen Österreich (Steiermark, Burgenland, Kärnten) entdeckt. Der Schädling stammt aus dem Fernen Osten (Amurgebiet bis Südchina und Japan). Er wurde nach Europa zur Seidengewinnung importiert und besiedelte bereits vor 100 Jahren ein kleines Sekundärareal in mediterranen Ländern. Seine Wirtsbäume in Europa sind Eichen und möglicherweise auch Kastanien. Die grünen Raupen verursachten bisher keine ausgeprägten Schäden an den Blättern von Eichen.
Malvenwanze auf Linden (Oxycarenus lavaterae)
Die submediterrane Art aus Südeuropa gehört zu den Bodenwanzen, sie saugt dort an Malvengewächsen, bei uns kommt sie in Massen an den Stämmen von Linden vor. Sie kann ihr Areal wegen höheren Temperatursummen ausweiten. In Österreich ist sie bisher im Burgenland, Steiermark, Niederösterreich und Wien entdeckt worden. Ihre physiologische Wirkung auf die Wirtspflanzen ist in den Einwanderungsgebieten noch nicht genau erforscht worden.
Schädlinge kurz vor der Ausbreitung nach Österreich
Kiefern-Prozessionsspinner (Thaumetopoea pityocampa)
Diese Schmetterlingsart ist ein häufiger Schädling an Kiefern im Mediterrangebiet. In Mitteleuropa tritt er gelegentlich auf, richtete aber bisher aufgrund ungünstiger Winter-Temperaturverhältnisse kaum Schäden an. Die Ausbreitung in Südtirol, in Slowenien und im Wallis in der Schweiz ist primär auf den Anstieg der Wintertemperaturen zurückzuführen. Die maximale Frosttoleranz liegt bei 15°C (durchschnittlich bei: -8°C).
Abbildung 2: Nest des Kiefern-Prozessionsspinners
(Foto: BFW - Hans Hauer)
Damit Larven im Winter fressen können, müssen Perioden mit Tagestemperaturen über 9°C und die Nachttemperaturen über 0°C während der Winterperiode vorkommen. Die Raupen überwintern in den Nestern (Kälteschutz) und wandern im Frühjahr in Form einer "Prozession" von den Bäumen, um sich im Boden zu verpuppen (Abbildung 2).
Nach einer Puppenruhe, die wenige Monate bis vier Jahre dauern kann, schlüpfen die Falter. Im Sommer erfolgen die Paarung und danach die Eiablage an der Basis von Kiefernnadeln. Etwa einen Monat später schlüpfen die Raupen, häuten sich zweimal und beginnen mit der Anlage des Winternestes. Dieser Schädling ist ähnlich wie der Eichen-Prozessionsspinner wegen der Gifthärchen der Raupen, die zu allergischen Reaktionen führen können, äußerst unangenehm für Menschen.
Mediterrane Waldgärtnerart Tomicus destruens
Diese Borkenkäferart ist nahe verwandt mit dem Großen Waldgärtner (T. piniperda). Die Unterscheidung ist nur von Spezialisten anhand der Anzahl der Haarreihen zwischen zweiter und dritter Naht der Fühlerkeulen möglich. T. destruens ist die vorherrschende Art in mediterranen Ländern (Spanien, Südfrankreich, Portugal, Italien). Temperatur und Feuchtigkeit sind bisher die begrenzenden Faktoren für die Verbreitung gewesen.
In Italien gilt er als gefährlichster Kiefernschädling, in Spanien kommt er auf verschiedenen Pinus-Arten vor, im Gegensatz zum Großen Waldgärtner vor allem in den trockeneren Gebieten. Ein wesentlicher Unterschied zu unseren Waldgärtner-Arten ist die Hauptflugzeit der Käfer im Herbst. Es gibt bereits erste Berichte über das Auftreten von T. destruens in Kroatien an der Aleppo-Kiefer als Folge der extremen Sommertrockenheit und Hitze im Jahr 2003.
Asiatischer Laubholzbockkäfer
Seit Beginn dieses Jahrtausends sind in verschiedenen Orten Europas Befallsflächen zweier gefährlicher asiatischer Bockkäferarten (Abbildung 3) (Anoplophora glabripennis = ALB & A. chinensis = CLB, Merkblatt als Download) entdeckt worden.
Abbildung 3: Asiatischer Laubholzbockkäfer
In diesen Gebieten wurden im Umkreis von Handelsfirmen oder Gärtnereien, die Waren mit Verpackungsholz oder Bonsaipflanzen aus China bezogen haben, verschiedene Laubbaumarten von diesen Quarantäneschädlingen attackiert. Diese Bockkäferarten sind an unsere klimatischen Bedingungen bestens angepasst und finden hier, da sie als äußerst polyphag eingestuft sind, eine breite Anzahl von Wirtsbäumen vor.
Besonders kritisch ist die Befallssituation in den 16 Provinzen von Mailand, das Befallsgebiet umfasst bereits mehr als 60 km2. Die Bekämpfungsmaßnahmen
- Fällen und Verbrennen von sichtbar befallenen Bäumen,
- Ausgraben und thermisches Vernichten von Wurzelstöcken,
- Anbringen von Folien im Bereich des Baumkreises zur Verhinderung des Ausschlüpfens der Käfer aus den Wurzeln
- sowie die Anwendung von Pestiziden
können bei diesem Befallsausmaß nur mehr mit sehr großem Aufwand erfolgreich angewendet werden. Aufgrund der Nähe zu Österreich und der Schweiz besteht große Gefahr, dass sich der Bockkäfer auch in diesen Ländern etabliert. Da der Schädling in Italien bereits bei 24 verschiedenen Baum- und Straucharten entdeckt wurde, ist davon auszugehen, dass in Europa praktisch alle Laubbaumarten potenziell gefährdet sind.