Ende des 20. Jahrhunderts kam es in Mitteleuropa zu zwei grossen Sturmereignissen: Vivian (1990) und Lothar (1999). Nicht nur die direkte Sturmbewältigung, sondern auch der Umgang mit dem Borkenkäfer-Folgebefall in bisher nie gekanntem Ausmass waren und sind für Forstdienste und Waldbesitzer eine grosse Herausforderung. Dieser Beitrag fasst die Erfahrungen nach dem Sturm "Vivian" sowie erste Beobachtungen nach "Lothar" zusammen. Die Autoren leiten Empfehlungen ab und zeigen offene Fragen für ein zukünftiges Borkenkäfer-Management auf.
Viel Sturmholz – in den Folgejahren viel Käferholz
Sind ausgedehnte Sturmschäden vorhanden, können diese nicht überall und innert nützlicher Frist geräumt werden. In der Regel bleiben auch viele geschwächte Bäume stehen und auch das Aufrüsten von Sturm- und Käferholz kann den Ausbruch einer Borkenkäfer-Massenvermehrung meist nicht verhindern. In der ersten Vegetationsperiode nach einem Windwurf kommt es häufig zu einer enormen Zunahme der Käferpopulation. Eine Verzehnfachung oder mehr ist während einer einzigen Generation durchaus möglich. Später tragen natürliche Feinde und Eigenkonkurrenz dazu bei, ein weiteres exponentielles Wachstum zu verhindern. Ist jedoch genügend attraktives Brutmaterial vorhanden, und spielt das Wetter mit, kann eine Massenvermehrung mehrere Jahre andauern.
Natürliche Feinde und Fallen-Fänge
Abb. 2 - Borkenkäferfallen dienen hauptsächlich der Überwachung. Die Käferpopulationen lassen sich damit nicht erheblich reduzieren. Foto: Ulrich Wasem (WSL)
Sind die Bedingungen für eine Borkenkäfer-Gradation günstig, so können natürliche Feinde (räuberische Käfer und Fliegen, Schlupfwespen, Spechte, insektenpathogene Pilze usw.) den Ausbruch einer Massenvermehrung nicht verhindern. Erst wenn die Witterung und das Angebot an attraktiven Brutbäumen für die Käfer wieder ungünstiger werden, kann der Einfluss der natürlichen Feinde so stark zunehmen, dass die Käferpopulation abnimmt.
Innerhalb einzelner, sich über mehrere Jahre entwickelnder Käfernester ist die Wirkung der natürlichen Feinde grösser. Dies ist möglicherweise mit ein Grund dafür, dass sich Befallsgebiete häufig mosaikartig und nicht flächig vergrössern. Regelmechanismen zu diesem Räuber-Beute-Wirtsbaum-Komplex sind aber nur wenige bekannt.
Räumen oder liegen lassen?
Abb. 3 - Das Aufräumen von Sturmschadenflächen ist mit grossem Aufwand verbunden und oft sehr gefährlich. Foto: Walter Schönenberger (WSL)
Im Durchschnitt betrug der auf Vivian folgende Buchdrucker-Stehendbefall 1990–1996 rund 50% der Sturmholzmenge, in den Hauptschadengebieten der Alpen 60%.
Nach Vivian gab es in der Schweiz nur wenige Beispiele, bei denen Sturmholz grossflächig liegen gelassen und keine Borkenkäfer bekämpft wurden. Bei sehr starkem Auftreten schlossen sich mosaikartig verbreitete, ungeräumte Käfernester zu grösseren Befallsgebieten zusammen. In verschiedenen Beispielen mit nur teilweise erfolgter Sturmholzräumung stieg der Buchdrucker-Folgebefall bis auf 100% der geworfenen Holzmenge oder noch höher an, so beispielsweise im Toggenburg oder in der Region Schwanden/GL.
Auf der anderen Seite zeigten Räumungsmassnahmen Wirkung: Im stark betroffenen östlichen Berner Oberland oder im Kanton Schwyz lag der Folgebefall nur zwischen 20 und 40%. Trotz beträchtlichen Streuungen zeigen diese Erfahrungen, dass rechtzeitige Räumungsmassnahmen den Buchdrucker-Folgebefall nach einem Sturmereignis auf regionaler Ebene um rund die Hälfte reduzieren können, eine Grössenordnung, die auch durch ein dänisches Experiment und mit Erfahrungen aus Schweden bestätigt wird.
Prioritätensetzung und Risikomanagement
Bis in die 1980er-Jahre wurde versucht, das maximal Mögliche mit entsprechend grossem Aufwand zu erreichen. Nach Vivian zeigte sich rasch, dass beim Aufräumen von Sturmschadenflächen und der späteren Käferbekämpfung aus Kapazitäts- und Kostengründen ein differenziertes Vorgehen nötig wird und Prioritäten gesetzt werden müssen.
Ein differenziertes Vorgehen bei der Käferbekämpfung ist sehr anspruchsvoll. Waldbesitzstruktur, unterschiedliche Erschliessung, begrenzte finanzielle und technische Mittel sowie kleinräumig abweichende Gewichtungen von Waldfunktionen führen oft dazu, dass innerhalb einer Geländekammer unterschiedliche Räumungsvarianten vorkommen. Dies kann entlang der verschieden behandelten Waldbestände zu Konflikten führen. Massnahmen gegen Borkenkäfer können sich unter solchen Umständen auch kontraproduktiv auswirken.
Um Konflikten vorzubeugen, sollten zwischen Beständen mit unterschiedlicher Räumungsstrategie Pufferzonen von einigen Hundert bis zirka 1500 m Breite geschaffen werden. In der Praxis fehlt dazu aber häufig der nötige Raum, und zur phytosanitären Behandlung derartiger Zonen liegen erst wenige Erfahrungen vor. In Zukunft werden uns solche Pufferzonen herausfordern, nicht nur im Falle von unterschiedlichen Strategien der Waldbesitzer oder Forstdienste, sondern auch in der Umgebung von Waldreservaten oder Waldbeständen, welche aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr gepflegt werden.
Die praktische Umsetzung
Gemäss heutigem Kenntnisstand empfehlen wir, geländekammerweise die gleiche Strategie anzuwenden und Streuschäden vor Flächenschäden zu räumen. Mit dem Ziel einer vorbeugenden Käferbekämpfung hat das rechtzeitige Räumen der Streuschäden einen grösseren Effekt als ein Eingriff in Totalschadenflächen. Beschattete Streuwürfe trocknen langsamer aus als besonnte Flächenwürfe und bleiben für die Borkenkäfer länger attraktiv. Beschattete Stämme wirken über längere Zeit wie Fangbäume und bieten für die Käferpopulationen im verbleibenden Waldbestand weiträumig verteiltes, günstiges Brutmaterial an. Streuschäden tragen somit verhältnismässig stärker und länger zum Populationsaufbau der Käfer bei und sollten deshalb zuerst entrindet oder abgeführt werden.
Ungeräumte, flächige Windwürfe tragen in den ersten Jahren zwar auch zu einem Aufbau der Käferpopulationen bei, zahlreiche Stämme trocknen jedoch aus, bevor sie überhaupt befallen werden. Dies ist vor allem bei einem hohen Anteil gebrochener Stämme der Fall. Geworfene Stämme, welche noch über einen gewissen Wurzelkontakt verfügen, bleiben hingegen viel länger bruttauglich und können auch noch im zweiten und dritten Jahr nach dem Sturm zur Käfervermehrung beitragen. Wo möglich sollten deshalb Sturm- flächen mit einem hohen Anteil geworfener Bäume vor dem gebrochenen Holz aufgerüstet werden. Bei kleineren Mengen Sturmholz, genügender Erschliessung und vorhandenen Arbeitskapazitäten können einzeln geworfene Fichten oder Fichtengruppen auch als natürliche Fangbäume verwendet werden. Es macht durchaus Sinn, einige Stämme bis zur Besiedelung durch den Buchdrucker liegen zu lassen und sie erst danach mitsamt der Käferbrut noch vor deren Ausflug zu entrinden oder abzuführen. Dadurch kann das Ausmass des Stehendbefalls reduziert werden.