Die Waldmast mit Schweinen war eines der ältesten und wichtigsten Haustierhaltungsverfahren und ist trotzdem bei uns seit mehr als 100 Jahren verschwunden. Den Waldweideverfahren haftet der Ruf an, eine den Wald zerstörende Bewirtschaftungsform zu sein. Anders als die Waldweide mit anderen Haustieren ist die Mast von Schweinen in Eichenwäldern der Naturverjüngung jedoch dienlich. Seit dem Jahr 2003 entwickelt sich diese Haltungsform zur Erzeugung von hochwertigem Fleisch wieder in Unterfranken.
Die Waldweide war die wichtigste Schweinehaltungsform seit der Domestikation des Schweines und hatte etwa 10.000 Jahre Bestand. Eichenwälder und z. T. auch Buchenwälder waren die wichtigste Grundlage für die Schweinehaltung. Schweinefleisch und Schweinefett wurden als sehr hochwertige Lebensmittel angesehen, so dass große Anstrengungen unternommen wurden, möglichst viele Tiere zu halten. Beispielsweise trieben im Jahre 1815 bei guter Eichel- und Bucheckernmast einzelne preußische Grenzregimenter jeweils mehrere hunderttausend Tiere (!) in die Wälder ein. Um einen möglichst hohen Eichelertrag zu gewährleisten, pflegte man Waldformen wie Hute- und Mittelwälder.
Erst mit dem neuzeitlichen Ackerbau und der Waldpurifikation (=Ablösung der verschiedenen Nutzungsrechte im Zuge der Säkularisation, Anm. d. Redaktion) im 18. und 19. Jahrhundert ist die Waldweide in weiten Teilen Mitteleuropas verschwunden. Mit dem Verlust der Haltung ist leider auch das Wissen darum verloren gegangen. Die vorhandene Literatur beschreibt viele Aspekte der Haltung nur ungenügend. Umfassende Beschreibungen, auf deren Basis die Haltung reaktiviert werden kann, sind nicht vorhanden. Damit sind wichtige Grundlagen zum Weidemanagement und zur Ertragsoptimierung nicht mehr bekannt.
Schweine im Wald durchaus positiv
Anders als in Südspanien oder in Kroatien, wo die Waldhaltung der Schweine bis heute ein wichtiger landwirtschaftlicher Betriebszweig ist, sind in Mitteleuropa kaum noch geeignete Hutungsflächen vorhanden. Die Beweidung von Hochwäldern stößt häufig auf Skepsis, da der Tierhaltung in Wäldern der Makel einer "devastierenden", d.h. zerstörerischen Waldnutzung anhaftet. Das ist sicherlich hinsichtlich der Naturverjüngung der Wälder bei Beweidung durch Rinder, Schafe oder gar Ziegen richtig. Dementsprechend war in vielen mittelalterlichen und neuzeitlichen Forstordnungen der Eintrieb von Rindern und Schafen stark limitiert und die Beweidung mit Ziegen meist ganz verboten.
Anders ist die Situation bei der Mastnutzung durch Schweine. Auch hier lagen Regelungen vor, allerdings hatten sie das Ziel, eine optimale Nutzung der vorhandenen Eicheln sicher zu stellen. Dies bedeutete, sowohl zur Ernährung der Tiere als auch monetär. Mit dem "Mast- oder Dechelgeld" aus der Waldmast sicherten sich die Landbesitzer eine der lukrativsten Einnahmen aus der Waldnutzung.
Ganz im Gegenteil zur weit verbreiteten Meinung einer devastierenden Waldbewirtschaftung auch durch Schweinebeweidung stehen Handlungsanweisungen etlicher Autoren im 18. und 19. Jahrhundert zur natürlichen Regeneration von Wäldern. Den Waldbesitzern wird dort die Waldweide mit Schweinen zur natürlichen "Besamung der Eichenbestände" sogar dringend angeraten. Die Schweine durchwühlen den Boden nach essbaren Wurzeln, Würmern, Insekten und Kleinsäugetieren. Sicherlich zerstören sie auf diese Weise gelegentlich junge Bäume, gezielt wühlen sie aber die Pflanzen nicht aus, die keinen ernährungsphysiologischen Wert für sie haben. Mit ihrer Wühltätigkeit verwunden sie aber den Waldboden und schaffen offene, vegetationsfreie Stellen. Zusätzlich verwühlen sie einen Teil der auf dem Boden liegenden Eicheln. Auf diese Weise schaffen sie hervorragende Keimbedingungen für Eichen (Abb. 2).
Abb. 2: Wühlstelle neun Monate nach der Beweidung; deutlich erkennt man die neu aufgelaufenen Eichen (Foto: H.-H. Huss).
Renaissance der Eichelmast mit Schweinen in Unterfranken
In seiner Diplomarbeit hat sich der Verfasser intensiv mit dem historischen System der Waldweide mit Schweinen auseinander gesetzt. Fazit der Arbeit war, dass die vorhandenen Quellen die Umsetzung in die Praxis als durchaus interessant darstellten, die Realisierbarkeit aber nur in einem Versuch überprüft werden konnte. Schwierigstes Problem war dabei eine geeignete Fläche zu finden und einen Waldbesitzer, der ein Pilotprojekt mitträgt. 2003 konnte dieses Problem gelöst werden. Die Stadt Iphofen stellte ein Hutewaldrelikt (Abb. 3) mit einer Größe von knapp drei Hektar zur Verfügung und engagierte sich stark bei der Umsetzung des Projektes. Finanziert wurde das Projekt mit Mitteln des Bayerischen Naturschutzfonds. In dieser ersten Phase wurden folgende Schwerpunkte untersucht und überprüft:
- Landschaftsschutz: Hauptziel war die Überprüfung einer zusätzlichen Nutzung von Hutewäldern, um diese inzwischen sehr seltenen Biotope erhalten und sichern zu können;
- Entwicklung eines tiergerechten Haltungsverfahrens unter Berücksichtigung des Betreuungsaufwands, des Tierverhaltens, der Herdenstruktur und der notwendigen Arealausstattung;
- Ermittlung quantitativer und qualitativer Aussagen zu Eicheln als Futtermittel und deren Auswirkungen in der Schweinefreilandhaltung, Mastdauer, -abschnitt und Futterrationszusammensetzung;
- Erfassung ökonomischer Kenngrößen zu den Bereichen Weideeinrichtung und -ausstattung, Tierversorgung, Betreuungsaufwand;
- Auswirkungen auf die Fleischqualität durch analytische und sensorische Kenngrößenerfassung;
- Ermittlung potenzieller Vermarktungswege.
Die Erfahrungen hinsichtlich der aufgeführten Untersuchungsschwerpunkte waren ausgesprochen positiv. Probleme traten bei der Haltung nicht auf oder waren kurzfristig leicht zu lösen. Der Erfolg war so groß, dass sich die Projektbeteiligten entschieden, auch ohne weitere finanzielle Unterstützung auf der vorhandenen Fläche in den Jahren 2004 und 2005 weitere Schweine zu mästen und mehr Erfahrung mit der Haltung zu sammeln. Dabei wurden unterschiedliche Rassen getestet, die Besatzdichte stark variiert und Tiere verschiedener Mastabschnitte überprüft. Allerdings zeichnete sich von Anfang an ab, dass die Haltung in dem vorhandenen Hutewald allein wirtschaftlich nicht tragfähig sein kann. Die Stadt Iphofen stellte deshalb einen alten Mittelwaldkomplex mit zusätzlichen 19 Hektar zur Verfügung. Dieser wird ab Herbst 2006 beweidet. Zur Betreuung der erweiterten Haltung hat sich 2005 die EICHELSCHWEIN GmbH gegründet.
Hans-Hinrich Huss ist Initiator und Betreuer des Pilotprojektes "Hutwaldbeweidung mit Schweinen" und Geschäftsführer der EICHELSCHWEIN GmbH Freising und Iphofen.
Internet: http://www.eichelschwein.de
E-mail: info@eichelschwein.de
Abb. 3: Schweine auf der Suche nach Eicheln im lichten Hutewald (Foto: H.-H. Huss).