Neben der Holzproduktion wird die Wichtigkeit weiterer Ökosystemleistungen des Waldes für Umwelt und Gesellschaft immer deutlicher. Aufgrund ihrer langfristigen Produktionszeiträume ist die Forstwirtschaft bei deren Bereitstellung mit zusätzlichen naturalen und finanziellen Risiken konfrontiert.
Dazu wurden für einen Privatwaldbetrieb in Bayern (Deutschland) verschiedene Totholzziele mit verschiedenen Anreicherungsstrategien kombiniert und als Restriktion in das betriebliche Optimierungsmodell integriert. Der Vergleich der verschiedenen Lösungen ermöglicht eine Ableitung von kostenminimalen Strategien für die verschiedenen Ziele. Die Kosten variieren stark mit dem angenommenen Totholzziel und werden von der gewählten Aushaltungsvariante (Ganzbaum, Starkholz, Äste), von der Baumart (Nadel- oder Laubholz) und vom vorgegebenen Zeithorizont für die Erreichung des Zieles beeinflusst.
Totholz
Totholz ist ein sehr wichtiger Bestandteil des Ökosystems Wald. Er dient als Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten und darüber hinaus als entscheidender Baustein des Nährstoff- und Kohlenstoffkreislaufs.
Totholzforschung
Ein weiter Bereich der Totholzforschung beschäftigt sich mit den Auswirkungen unterschiedlicher Totholzmengen auf die Biodiversität. Die Studien ergaben deutliche Unterschiede zwischen Naturwäldern und Wirtschaftswäldern. Die Totholzmengen natürlicher Wälder liegen im Schnitt um den Faktor zwei über denen in bewirtschafteten Wäldern.
Totholznachschub
Abb. 2 – Aktives Totholzmanagement: Buche vier Jahre nach dem Ringeln. Foto: Peter Langhammer
Der Totholznachschub erfolgt dabei durch zufällige Ereignisse wie Wind, Feuer, Insekten, Krankheitserreger und Konkurrenzsituationen zwischen den Individuen. Gleichzeitig führen verschiedene Abbaumechanismen zu einer stetigen Totholzreduktion.
Um die biophysikalischen Prozesse zu modellieren, wurden zahlreiche Ansätze entwickelt. Neben der umfangreichen Erforschung der Mechanismen der Totholzentwicklung findet sich nur wenig zum Totholz-Management. Ein Modul welches Auswirkungen von Managemententscheidungen auf die Totholzentwicklung darstellen kann, existiert bereits ("Der WaldPlaner"). Ein Modell, das es erlaubt, die kostengünstigste Strategie zur Erreichung von bestimmten Totholzzielen zu ermitteln, fehlte dagegen. Mit modernen Optimierungsansätzen kann jetzt diese Lücke geschlossen werden, wie der folgende Artikel darlegt.
Planung
Das ökonomische Ziel der Gewinnmaximierung wird erweitert um Aspekte eines kontinuierlichen Holzangebots (Produktziel) und einer dauerhaft vorgehaltenen Liquidität und Holzreserve (Sicherheitsziel). Auch aus dem Begriff der Nachhaltigkeit folgt letztlich die Notwendigkeit einer Planung unter Risiko.
Der Vorteil aller mathematischen Modellierungsansätze ist, dass sie im Prinzip beliebig erweiterbar sind. So lassen sich z.B. Module zur Abbildung der in der Forstwirtschaft wichtigen Ökosystemleistungen integrieren, sofern es sich um quantifizierbare Grössen handelt. Das ermöglicht, Ökonomie und Ökologie über das Modell zu verknüpfen und Fragen zur optimalen Bereitstellung bei minimalen Opportunitätskosten aus diesem Bereich zu beantworten.
Ausgewählter Waldbetrieb
Tab. 1 – Übersicht über die Parameter der Totholzkonzepte. Der maximale Flächenanteil je Bestand entspricht dem Segregationsgrad.
Alle Berechnungen und Modellierungen (Details siehe Originalartikel) wurden für den Privatwaldbetrieb Eichelberg in Deutschland gemacht, der seit über 70 Jahren überwiegend naturgemäss bzw. heute orientiert an Naturwaldstrukturen und –Prozessen bewirtschaftet wird.
Die Kennzahlen dieses Waldes sind:
- Holzbodenfläche: 220 ha
- Höhe: 400 m ü. M.
- Jahresmitteltemperatur: 8,3 °C
- Wasserversorgung: 850-950 mm/Jahr
- Boden: häufig lössüberlagerter Lehmboden
- Hauptbaumarten: Fichte (26%, abnehmend), Buche, Tanne (25% Weisstanne; ansteigend), Eiche;
urspr. natürliche Waldgesellschaft: Waldmeister- und Hainsimsen-Tannen-Buchenwald - jährlicher Zuwachs: 10,7 Efm/ha
Der Umgang mit Totholz ist im Konzept "BioHolz" geregelt. Das beinhaltet u.a. effiziente Totholzanreicherung, Verbesserung der Biodiversität, möglichst kostengünstige Totholz-Bereitstellung, aber auch effizient im Sinne der Arbeitssicherheit etc. Aktuelle Praxiserfahrungen und neu gewonnene wissenschaftliche Erkenntnisse werden laufend integriert. Weitere Angaben dazu sowie die genauen Berechnungen entnehmen Sie bitte dem Originalartikel.
Fragestellungen
Anhand eines Beispielbetriebs wurde folgende Hypothese untersucht:
"Die Verfolgung eines bestimmten Totholzziels hat bezüglich der Baumartenwahl, der Aushaltungsvariante und des Zeithorizonts keine Auswirkung auf das finanzielle Betriebsergebnis."
Die untersuchte Fragestellung teilt sich in zwei Aspekte:
1. Welche optimale Strategie führt zu einem vorgegebenen Totholzziel?
2. Wie unterscheiden sich die optimalen Strategien für verschiedene Ziele untereinander?
Um ein grosses Spektrum möglicher Ziele abzudecken, wurden verschiedene Totholzkonzepte aus Kombinationen der folgenden Steuergrössen
1) Totholzziel
2) Baumart
3) Zielhorizont
4) Nutzungsvariante
5) maximaler Flächenanteil
je Bestand gebildet (s. Tab. 1). Daraus ergeben sich 480 mögliche Szenarien. Das geforderte Totholzziel muss nach 5 oder 20 Jahren jeweils nur in den Beständen erfüllt werden, die Buche oder Fichte als führende Baumart aufweisen, aber das dann dauerhaft.
Für die Bereitstellung von Holz für dieses Ziel wurden drei verschiedene Totholz-Anreicherungsstrategien untersucht.
1. Variante "Ganzbaum": es werden alle Sortimente auf das Totholzziel angerechnet
2. Variante "Starkholz": es werden nur Sortimente der dritten Stärkeklasse und aufwärts angerechnet
3. Variante "Kronenmaterial": sie unterscheidet sich zwischen ihrer Nadelholz- (a) und Laubholzausprägung (b)
3a) Fichte: nur Sortimente unterhalb eines Mitteldurchmessers von 19 cm als zur Krone gehörig
3b) Buche: nur Sortimente unterhalb eines Mitteldurchmessers von 24 cm als zur Krone gehörig
Die Steuergrösse "maximaler Flächenanteil" gibt vor, wie gross der Anteil an der Bestandesfläche pro Bestand und Simulationsperiode sein darf, mit der das Totholzziel erfüllt wird. Damit kann für die Totholzbereitstellung simuliert werden, ganze Bestände für Totholz aus der Nutzung zu nehmen oder auch Schutz und Nutzung im gleichen Bestand durchzuführen. Die Opportunitätskosten der Totholzbereitstellung sind als mit dem Totholzkonzept verknüpfte mittlere jährliche Verluste interpretierbar.
Erkenntnisse
- Die Opportunitätskosten der Totholzanreicherung steigen mit der Höhe des Totholzziels deutlich an.
- Die Erreichung des gleichen Totholzziels ist mit Nadelholz (Fichte) wesentlich kostenintensiver als mit Laubholz (Buche).
- Der zeitliche Horizont, d.h. die eingeräumte Zeit, in der das Ziel erreicht werden soll, ist ein entscheidender Kostenfaktor, der in einem Totholzkonzept zu berücksichtigen ist.
- Die Totholzanreicherung mit "Kronenholz" ist die kostenintensivste Variante. Am günstigsten sind "Ganzbaum"-Konzepte, gefolgt von "Starkholz"-Varianten.
- Grössere Totholzmengen können mit Kronenholz allein nicht umgesetzt werden.
- Der Einfluss des Segregationsgrades ist in den meisten Fällen nicht übermässig ausgeprägt, kann jedoch dazu genutzt werden, eine aus ökologischen Gründen bevorzugte Variante in ihrer ökonomischen Auswirkung gegenüber den Alternativen vorteilhafter zu gestalten.
Das die Kosten mit höheren Totholzzielen ansteigen, ist ein erwartetes Ergebnis, da hier grössere Mengen an Holz nicht mehr für den Verkauf zur Verfügung stehen. Die Abfolge: Nadelholz > Laubholz sowie "Starkholz" > "Ganzbaum" sind mit der Struktur der Holzpreise erklärbar, da Starkholzsortimente und Nadelholz höhere Preise aufweisen als Schwachholz und Laubholz.
Der Einfluss des zeitlichen Managements auf die Kosten ist dagegen ein oft übersehener Faktor. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen aber, dass eine langfristigere Zielsetzung zu deutlichen Kosteneinsparungen führt und eine genauere Ableitung des zu wählenden Zeitrahmens in einem Totholzmanagementkonzept daher unbedingt enthalten sein sollte.
Einleuchtend ist, dass grössere Totholzmengen nicht ausschliesslich aus Kronenholz geliefert werden können, da ab einer bestimmten Zielmenge nicht mehr genügend Biomasse aus den Beständen bereitgestellt werden kann. Vielleicht überrascht es, dass die Kronenholzvariante die höchsten Opportunitätskosten verursacht, obwohl gerade hier nur Sortimente mit dem geringsten Marktpreis verwendet werden. Aber für diese Variante müssen verhältnismässig viele Einzelbäume bereitgestellt werden, um die geforderten Mengen aus dem schwach dimensionierten Kronenmaterial zu erfüllen. Auch wenn der ökonomisch wertvollere Teil des Stammes vermarktet werden kann, führt die Strategie zu einer grösseren Anzahl von Bäumen, die allein aufgrund des Totholzmanagements gefällt werden müssen und ihre ökonomische Hiebsreife nicht erreichen. Diese Verluste überwiegen den scheinbaren Vorteil der Verwendung von "billigen" Sortimenten für Totholzziele.
Zusammenfassend muss die aufgestellte Hypothese somit abgelehnt werden.
Sowohl Baumartenwahl, Nutzungsvariante als auch der Zeithorizont haben bedeutenden Einfluss auf die ökonomischen Auswirkungen einer Ökosystemdienstleistung wie des Totholzes.
- Aus ökonomischer Sicht sollte man Totholzstrategien langfristig anlegen.
- Ausserdem sollten möglichst Laubholz- und Ganzbaumkonzepte für die Umsetzung genutzt werden.
- Auf Kronenholz sollte nur zurückgegriffen werden, wenn es sowieso bei Hiebsmassnahmen anfällt.
- Verwendung von Laubhölzern und der Bereitstellung starker Dimensionen dient optimal zur Schaffung geeigneter Habitatstrukturen für heimische Arten.
Damit werden Synergien genutzt und sowohl ökologische als auch ökonomische Zielsetzungen erreicht.
Was heisst das für die Praxis?
Als Folgerung für die Praxis kann abgeleitet werden, dass ökonomische und ökologische Ziele in optimaler Weise miteinander vereinbart werden können, wenn der Betrieb bei der Anreicherung von Totholz eine Strategie verfolgt, die verstärkt auf die Bereitstellung von Totholz aus ganzen Laubbäumen setzt und das Ziel nicht kurzfristig zu erreichen versucht.