Im Programm "Monitoring Häufige Brutvögel" (MHB) der Schweizerischen Vogelwarte werden seit 1999 jedes Jahr auf 267 Kilometerquadraten in der ganzen Schweiz die Brutvögel gezählt (Abb. 5). Vorläufer des MHB war das Programm der "Ornithologischen Jahresübersichten" (JÜB), das ab 1984 ebenfalls Daten zur Bestands-entwicklung weitverbreiteter Arten lieferte. Mit den Daten dieser Monitoringprogramme können für die allermeisten Vogelarten der Schweiz ab 1990 verlässlich Populationstrends berechnet werden.
Abb. 2 - Die Haubenmeise nistet in Höhlen, kann diese aber nur selbst bauen, wenn morsches Holz an älteren Bäumen vorhanden ist. Foto: Tero Niemi
Abb. 3 - Der Buntspecht: Die häufigste Spechtart der Schweiz ist in allen Wäldern verbreitet. Foto: Stefan Gerth
Abb. 4 - Waldbaumläufer brüten nicht in Höhlen; sie bauen ihr Nest hinter abgespaltenen Rindenstücken. Foto: Beat Rüegger
Abb. 5 - Karte der Schweiz mit den 267 MHB-Rasterquadraten. Grafik: Vogelwarte Sempach
Totholz ist im Schweizer Wald häufiger geworden
Für die Landesforstinventare (LFI) II und III wurden in den Jahren 1993 bis 1995 (LFI II) bzw. 2004 bis 2006 (LFI III) Daten erhoben, unter vielen anderen auch der Totholzvorrat. Eine Spezialauswertung der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL zeigt die Totholzvorräte, aufgeschlüsselt auf 6 verschiedene Waldtypen (Abb. 6). In allen Waldtypen hat der Vorrat an Totholz im Zeitraum zwischen den Aufnahmen für das LFI II und das LFI III zugenommen, in den meisten zudem sehr deutlich.
Grössere Populationen totholzabhängiger Vogelarten
Im selben Zeitraum (seit 1993) haben bei fünf von acht Spechtarten in der Schweiz die Bestände deutlich zugenommen: Schwarzspecht, Buntspecht, Mittelspecht, Kleinspecht und Grünspecht.
Beim Dreizehenspecht sind die Bestandszahlen zwischen 1996 und 2003 deutlich abgesunken, seit dann aber wieder am Steigen.
Beim Grauspecht ist zeitgleich ein anhaltend negativer Trend des Bestands zu verzeichnen. Für die letzte der acht Spechtarten in der Schweiz, den Weissrückenspecht, sind zu wenig Daten für eine Trendberechnung vorhanden.
Nicht nur Spechte sind abhängig von Totholz. Mehrere Meisenarten, in erster Linie die Haubenmeise und die Mönchsmeise, sowie die Baumläufer, brauchen Totholz, um Bruthöhlen bauen bzw. in natürlichen Spalten Nester anlegen zu können. Auch bei der Haubenmeise und beim Waldbaumläufer verliefen die Bestandstrends zwischen den Jahren 1993 und 2019 positiv.
Nicht nur das Totholz bestandsbestimmend
Die Populationsgrösse bei Vögeln und deren Entwicklung über die Zeit hängen direkt von der Fortpflanzungsleistung und der jährlichen Überlebenswahrscheinlichkeit ab. Diese wiederum sind stark abhängig von der Verfügbarkeit der Nahrung und anderer Ressourcen wie Nistgelegenheiten.
Für alle in diesem Artikel besprochenen Arten ist Totholz nicht nur als Ort der Nahrungssuche, sondern auch als Substrat für das Anlegen von Nestern wichtig, wenn auch nicht für alle Arten im selben Ausmass. Es ist deshalb für alle diese Arten sehr wahrscheinlich, dass die gemäss LFI stark angestiegenen Mengen an Totholz im Schweizer Wald wesentlich mitverantwortlich sind für die, je nach Art sehr deutliche, Zunahme der Bestände.
Populationsentwicklung auch von Witterung abhängig
Im Gegensatz zu den Nistgelegenheiten ist jedoch die Verfügbarkeit der Nahrung eine Variable, die sehr stark von einem anderen unabhängigen Faktor abhängt, nämlich von der Witterung.
Vor allem jene Arten, die sich von Gliederfüssern ernähren und im Notfall nicht oder nur sehr beschränkt auf Samen oder andere pflanzliche Nahrung umstellen können, zeigen in Abhängigkeit vom Verlauf des Wetters sehr starke jährliche Populationsschwankungen. Für die in diesem Artikel besprochenen Arten trifft das in erster Linie auf Mittel- und Grünspecht zu.
Schwarzspecht, Dreizehenspecht, Buntspecht und Kleinspecht schaffen es auch bei grosser Kälte und viel Schnee, an ihre Nahrung heranzukommen, weil sie sie aus dem Holz heraushacken können. Hauben- und Mönchsmeise sowie Waldbaumläufer wiederum sind durch ihre viel kleinere Körpergrösse und dem geringeren absoluten Nahrungsbedarf fähig, sich auch mit viel kleineren Beutetieren ausreichend zu ernähren. Ausserdem können sich auch die Meisen zeitweise von Samen ernähren. Für alle diese Arten dürften die stark angestiegenen Bestandsindizes mit dem erhöhten Angebot an Totholz als wesentlichem Faktor erklärt werden können.
Monitoring Häufige Brutvögel
Das "Monitoring Häufige Brutvögel" (MHB) ist eines von mehreren Monitoringprogrammen der Schweizerischen Vogelwarte Sempach. Mit dem MHB verfolgt die Vogelwarte seit 1999 im Sinn eines Frühwarnsystems die Bestandsentwicklung und allfällige Areal-veränderungen der weit verbreiteten Brutvogelarten.
Um für die Schweiz mit ihrer grossen Lebensraumvielfalt repräsentative Aussagen machen zu können, müssen viele Probeflächen bearbeitet werden. Als Untersuchungsgebiete dienen 267 Swisstopo-Kilometerquadrate, die in einem regelmässigen Netz über die ganze Schweiz verteilt sind. Damit die Bearbeitung einer so grossen Zahl von Flächen möglich ist, wird der Kartierungsaufwand der einzelnen Flächen möglichst gering gehalten. Die Aufnahmen erfolgen immer entlang derselben Route. Die Flächen werden jährlich 3-mal, oberhalb der Waldgrenze 2-mal begangen.