Der Grad der Benadelung und Belaubung von Bäumen ist ein aussagekräftiger Indikator für den Gesundheitszustand und die Vitalität eines Waldes. Im Rahmen der jährlichen Sanasilva-Inventur wird dieser als Kronenverlichtung in den Schweizer Wäldern jeweils im Sommer systematisch erfasst. Neben der Kronenverlichtung erfassen die Mitarbeiter im Feld auch weitere Parameter wie die Kronenverfärbung oder die Stellung des Einzelbaumes im Bestand (Abb. 1).
Kronenverlichtung nimmt zu
Im zeitlichen Verlauf sehen wir seit 1990 einen deutlichen Anstieg der mittleren Kronenverlichtung sowohl bei Nadel- als auch bei Laubbäumen (Abb. 2). Dieser wäre noch deutlicher, wenn auch die Daten vor 1990 betrachtet würden. Allerdings wurde vor 1990 nur die Kronenverlichtung unbekannter Ursache erhoben, weshalb dieser Zeitraum nicht dargestellt ist.
Seit etwa 2010 werden die Jahre seltener, in denen sich der Zustand der Baumkronen verbessert hat (blaue Balken). Dies gilt besonders für Laubbäume, bei welchen sich nach 2010 die Kronenverlichtung im Vergleich zum Vorjahr nur in vier Jahren verringerte. Gleichzeitig zur mittleren Kronenverlichtung ist auch der Anteil geschädigter Bäume angestiegen. Und bei den Laubbäumen ist seit etwa 2004 auch eine Zunahme der Mortalität zu beobachten.
Die grössten jährlichen Zunahmen der Kronenverlichtung in einem Jahr erlitten die Nadelbäume zwischen 1999 und 2000 (u. a. durch Sturm Lothar), während dies bei den Laubbäumen zwischen 2003 und 2004 (u. a. durch Hitzesommer 2003) beobachtet wurde. Weitere Jahre mit starker Verlichtungszunahme wie 2019 oder 2014 folgen oft auf (regional) ausgesprochen trockene Sommerperioden im Vorjahr. Dies war beispielsweise 2018 und 2013 der Fall.
Die Sanasilva-Inventur ist der Schweizer Teil des ICP Forests Monitoring, das in fast allen Ländern Europas vergleichbare Daten erhebt.
Seit 1985 wurden kontinuierlich rund 1000 Bäume auf nahezu 50 Stichprobeflächen des Landesforstinventars LFI nach einem standardisierten Verfahren visuell beurteilt. Die Kronenverlichtung wird in 5 % Schritten geschätzt von 0 % (kein Nadel- / Blattverlust) bis 100 % (kompletter Nadel- / Blattverlust). Bäume mit über 25 % Kronenverlichtung gelten als geschädigt, solche mit über 60 % als stark geschädigt.
Die Beobachtungsflächen sind auf einem quadratischen 16 x 16 km-Koordinatennetz über das Land verteilt. Seit 2021 werden im Jurabogen sowie seit 2023 im Mittelland zusätzliche Flächen auf einem verdichteten 8 x 8 km-Koordinatennetz untersucht, um die hier verstärkt auftretenden Schäden genauer lokalisieren zu können.
In gewissen Regionen wie dem Südtessin oder dem zentralen Jurabogen wurden vermehrt starke Zunahmen der Kronenverlichtung in einzelnen Jahren beobachtet (Abb. 3). Diese Verschlechterungen des Kronenzustandes traten insbesondere in Regionen auf, welche im Vorjahr von einem starken sommerlichen Niederschlagsdefizit betroffen waren. Natürlich können auf den einzelnen Beobachtungsflächen auch spezifische Faktoren wie Borkenkäferbefall zu einer plötzlichen starken Zunahme der Kronenverlichtung führen, wobei jedoch diese Faktoren oft durch eine vorherige Schwächung der Bäume durch Hitze und Trockenheit begünstigt werden.
Der Sommer 2022 war nicht nur geprägt von ausserordentlicher Hitze, sondern auch von ausgeprägtem regionalem Regenmangel. Dies betraf insbesondere den südlichsten Zipfel des Tessins, aber auch grössere Gebiete in der Westschweiz (Abb. 4). Die Auswirkungen davon zeigten sich auf den meisten betroffenen Beobachtungsflächen bei der darauffolgenden Sanasilva-Inventur im Jahr 2023 (Abb. 3). Auf einigen Flächen wie z. B. im Südtessin setzte allerdings bereits recht früh im Sommer 2022 ein Absterben der Blätter ein, weshalb dort starke Zunahmen der Kronenverlichtung teilweise schon 2022 beobachtet wurden.
Künftig noch mehr Trockenstress für Bäume zu erwarten
Die langjährigen Beobachtungen der Sanasilva-Inventuren deuten darauf hin, dass der zunehmende Trockenstress hauptverantwortlich für die Verschlechterung des Kronenzustandes seit 1985 ist. Dieser kann hauptsächlich auf die steigenden Temperaturen und den damit verbundenen erhöhten Wasserverlust der Bäume an die Atmosphäre zurückgeführt werden. Neben weiter steigenden Temperaturen dürften in den kommenden Jahrzehnten auch die Sommerniederschläge abnehmen, womit sich die Auswirkungen der Trockenheit auf die Gesundheit des Schweizer Waldes nochmals verschärfen würden.
(TR)