Der Nährstoffhaushalt in einem Wald unterscheidet sich grundsätzlich von jenem landwirtschaftlicher Produktionsflächen. Während in der Landwirtschaft alljährlich mit entsprechendem Nährstoffexport geerntet wird, erfolgt die Holzernte im Wald in weit grösseren Zeitabständen von mehreren Jahren bis Jahrzehnten mit langen Umtriebszeiten von 100 und mehr Jahren. So lange verbleiben die Nährstoffe der Bäume im Ökosystem Wald, und je nach Erntestrategie wird nur ein mehr oder weniger grosser Teil der Biomasse entfernt.

Die Landwirtschaft behilft sich mit intensiven Düngungen, die den hohen Nährstoffbedarf befriedigen und die Nährstoffverluste kompensieren. Im  Schweizer Wald ist dies per Gesetz verboten (Waldgesetz 1991). Es gilt daher, mit den vorhandenen Nährstoffen haushälterisch umzugehen, zumal der Wald in der Schweiz bewirtschaftungsbedingt vielfach auf nährstoffärmere Standorte zurückgedrängt wurde.

Nährstoffentzug bei verstärkter Energieholznutzung

In den letzten Jahren wurde die Energieholznutzung im Wald vor allem im Schweizer Mittelland intensiviert. Da ein Grossteil der Nährstoffe in Blättern, Zweigen und Rinde gespeichert ist, wird der Nährstoffentzug durch eine intensivierte Ernte deutlich erhöht.

Abbildung 2 veranschaulicht diese Zusammenhänge am Beispiel der Fichte: Gegenüber einer vollständigen Derbholznutzung ohne Rinde, wobei nur Holz ab 7 cm Durchmesser ohne Rinde geerntet wird, werden aus dem Bestand bei einer Vollernte (Nutzung aller Holzsortimente inkl. einem Grossteil der Nadeln, des Reisigs und der Rinde) nur 1,4-mal mehr Biomasse exportiert, jedoch je nach Nährstoff 3- bis 9-mal mehr Nährstoffe entnommen. Diese Zusammenhänge gelten annäherungsweise auch für Buchenwälder, wo die Holzernte traditionell im laubfreien Zustand erfolgt.

Die seit einigen Jahren steigende Holznachfrage hat vielerorts bereits zu einer intensivierten Nutzung geführt. Hierbei werden vermehrt auch Holzsortimente, die bislang im Wald verblieben sind, für energetische Zwecke entnommen. Grundsätzlich führt die grössere Entnahme von Biomasse zu einer Zunahme des Nährstoffexports. Entsprechende mögliche Konsequenzen sind die Abnahme der verfügbaren Nährstoffe im Boden, Bodenversauerung und Wachstumsreduktionen.

Bei einer intensivierten Holznutzung besteht die Gefahr, dass an nährstoffarmen Standorten die Nährstoffversorgung der Nachfolgegenerationen nicht mehr nachhaltig ist, dass also mehr genutzt wird, als natürlicherweise im Boden vorhanden ist oder durch Gesteinsverwitterung oder Nährstoffdeposition nachgeliefert werden kann. Gleichzeitig gibt es viele Standorte, die sehr gut nährstoffversorgt sind und an denen eine intensive Nutzung ohne Bedenken für die Nährstoffversorgung erfolgen kann. Es gilt, sowohl die problemlosen wie auch die sensitiven Standorte zu identifizieren.

Nährstoffsituation in Schweizer Waldböden

Einen repräsentativen Überblick über die Nährstoffausstattung von Schweizer Waldböden gibt eine systematische Bodeninventur auf einem 8 × 8 km- Netz, die 1993 durchgeführt wurde. Stellvertretend für alle Nährstoffe werden hier die basischen Kationen Kalzium, Magnesium und Kalium beziehungsweise deren prozentuale Anteile an der Belegung der gesamten Kationenaustauschkapazität, der sogenannten Basensättigung, betrachtet. Abbildung 3 zeigt die durchschnittliche Basensättigung der 172 Bodenprofile der Inventur in Abhängigkeit des durchschnittlichen pH-Wertes des Bodens sowie die relative Häufigkeit in den Basensättigungsklassen.

In der Basensättigungsklasse von 90 bis 100 % sind weitaus am meisten Böden vorhanden (59 %). Beinahe drei Viertel aller Böden haben eine Basensättigung von mehr als 50 %. Das sind Böden, die nicht allzu sauer und bezüglich Nährstoffen als gut ausgestattet einzuordnen sind. Die Basensättigung ist jedoch eine relative Grösse (%), die nichts über die absolute Menge der vorhandenen Nährstoffkationen aussagt. Deshalb wurde die durchschnittliche Basensättigung auch in Abhängigkeit ihrer Kationenaustauschkapazität betrachtet.

Beide Betrachtungen führen zu dem Ergebnis, dass 31 der insgesamt 172 Standorte (18 %) in einem Bereich von weniger als 20 % Basensättigung liegen und eine sehr geringe Kationenaustauschkapazität von unter 50 mmolc/kg Boden aufweisen. Dies sind Verhältnisse, bei denen mit einer absoluten Knappheit an basischen Kationen gerechnet werden muss und wo bei einer intensiven Holzernte die Nährstoffnachhaltigkeit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit verletzt werden könnte. Geographisch liegen diese 31 Standorte vor allem im Kristallin des Aarmassivs sowie auf Gneisen und Glimmerschiefern im Tessin. Die wenigen Standorte, die sich im Mittelland befinden, liegen zu über 50 % auf alten Moränen sowie auf Löss und oberer Süsswassermolasse im Napfgebiet.

Dieses Ergebnis zeigt, dass die Nährstoffausstattung in Schweizer Waldböden grundsätzlich gut ist. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass weite Teile des Landes während der letzten Vergletscherung unter Eis lagen und die Bodenbildung nach dem Rückzug der Gletscher vor etwa 10'000 bis 15'000 Jahren in frischen Mischgesteinssedimenten von Neuem begann. Hingegen sind Böden aus sauren Ausgangsgesteinen oder Sedimenten des mittleren bis frühen Pleistozäns, die während der letzten Eiszeit nicht mehr vergletschert waren, stärker versauert und entsprechend auch stärker an Nährstoffen verarmt als Böden auf jungpleistozänen Sedimenten. Für diese Standorte ist bei intensiver Holzernte eine genauere Bilanzierung der Nährstoffe unter Einbezug aller relevanten Nährstoffflüsse und -pools empfehlenswert.

Relevante Nährstoffpools und -flüsse für die Bilanzierung

In Waldökosystemen sind die gespeicherten Nährstoffe – neben dem Wasser- und Wärmeangebot des Standorts – entscheidend für das Wachstum und den Ertrag der Baumbestände. Somit sind sie ein sehr bedeutender Teil des Produktionskapitals, das unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit uneingeschränkt erhalten werden soll. Die vor allem an stark versauerten Standorten immer noch andauernden Folgewirkungen früherer Nutzungsformen (z. B. Streunutzung, Waldweide) zeigen, welche gravierenden und langfristigen Ökosystem-Beeinträchtigungen entstehen können, wenn Nährstoffvorräte minimiert werden.

Veränderungen der Nährstoffvorräte in Waldböden erfolgen meist schleichend und lassen sich deshalb durch Inventuren nur ungenau und über sehr lange Zeiträume erfassen. Daher werden Eintrags-/Austragsbilanzen als Indikatoren für Veränderungen verwendet.

Als Eintrag werden die Freisetzung von Nährstoffen aus der Mineralverwitterung und die Stoffdeposition aus der Atmosphäre betrachtet (Abb. 4). Im benachbarten Ausland müssen als Einträge gegebenenfalls auch die Zufuhr von Nährstoffen über Kalkung, Ascherückführung oder Düngung berücksichtigt werden.

Als Austräge werden die Auswaschung mit dem Sickerwasser und der Export von Nährstoffen mit der Holz- bzw. Biomassenutzung in die Bilanzen einbezogen. Über lange Zeiträume von einer bis zu mehreren Umtriebszeiten sollten die Nährstoffbilanzen in etwa ausgeglichen sein. Bei defizitären Bilanzen besteht die Gefahr einer Nährstoffverarmung, bei Überschüssen (z. B. Stickstoff) das Risiko einer unerwünschten Eutrophierung und von Nährstoffungleichgewichten.

Nährstoffbilanzen bei Holzernte

Bereits in den 1970er-Jahren wurde auf die Bedeutung des Holzernte-Nährstoffexports für die langfristige Entwicklung der Nährstoffausstattung und damit die Fruchtbarkeit der Waldstandorte hingewiesen. In den 1980er- und 1990er-Jahren geriet diese Problematik angesichts der Immissionsschäden weitgehend in Vergessenheit. Ende der 1990er-Jahre häuften sich wieder Hinweise auf defizitäre Nährstoffbilanzen.

  • Fichter et al. (1998) fanden bei Untersuchungen des Haushalts basischer Kationen im Strengbach-Einzugsgebiet in den Vogesen, dass über eine Umtriebszeit betrachtet die Freisetzung von Kalzium durch die Mineralverwitterung weder bei Fichten- noch bei Buchenbestockung ausreicht, um die Verluste durch die Holzernte und die Auswaschung mit dem Sickerwasser zu kompensieren.
  • Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kamen auch Rademacher et al. (1999) bei der Untersuchung der Nährstoffbilanz von Kiefernbeständen auf ärmeren pleistozänen Sanden in Niedersachsen. Über die Umtriebszeit ergab sich ein deutliches Bilanzdefizit vor allem beim Kalzium.
  • Becker et al. (2000) berechneten an 45 Standorten in Deutschland die Freisetzungsrate von basischen Kationen durch die Mineralverwitterung und verglichen diese Rate mit der geschätzten Aufnahmerate dieser Kationen beim Derbholzzuwachs. An 39 der 45 Standorte überstieg die langfristige Kalziumaufnahme die Freisetzung durch die Mineralverwitterung. Die kalkulierten Aufnahmeraten der essentiellen Nährelemente Magnesium und Kalium waren an 12 Standorten nicht durch eine entsprechende Verwitterungsrate gedeckt. Die langfristige Nährstoffversorgung ist an diesen Standorten demnach auch ohne Holzernte nur bei entsprechend hoher atmosphärischer Deposition dieser Elemente oder durch Düngungsmassnahmen gewährleistet.

In der Schweiz hat das Institut für Angewandte Pflanzenbiologie (IAP) für 82 Waldflächen die Verwitterungsraten sowie alle anderen relevanten Nährstoffflüsse berechnet und entsprechende Bilanzierungen vorgenommen. Auf sechs der Flächen wurde eine dynamische Modellierung durchgeführt, wobei die Nährstoffbilanz bei Derbholzernte in zwei Fällen und bei Vollbaumernte in vier Fällen für basische Kationen negativ war. Es liegen also relevante Hinweise vor, dass die mit der Holzernte verbundenen Nährstoffentzüge an sehr armen Standorten schon bei herkömmlicher Holznutzung Risiken für die Nachhaltigkeit des Nährstoffhaushalts bergen könnten.

Vergleich gefährdeter und weniger gefährdeter Standorte

Im Schweizerischen Mittelland, wo die intensivste Holznutzung stattfindet, sind Böden aus Gesteinen, die bereits länger verwittert und der Auswaschung ausgesetzt sind, potenziell am nährstoffärmsten und am sensitivsten gegenüber einer weiteren Nährstoffverarmung. Dies sind vor allem Böden auf höherem Deckenschotter, welcher bereits im frühen Pleistozän (vor 2,5 Mio. Jahren) durch Gletscher und Flüsse abgelagert und später nur noch während der grössten Vereisungen des mittleren Pleistozäns (bis vor 150’000 Jahren) mit frischen Sedimenten bedeckt wurde.

Deshalb haben sich diese Böden bereits seit mindestens 150’000 Jahren entwickelt, verbunden mit einer natürlichen Versauerung und Nährstoffauswaschung. Die höheren Deckenschotter sind im Mittelland ziemlich verbreitet und stehen meist in höher gelegenen Gebieten wie auf dem Irchelplateau, auf dem Stadlerberg, auf den Höhenzügen des Surb- und Wehntals, auf dem Heitersberg sowie auf dem Albis an.

Es ist deshalb wichtig, an solch sensitiven Standorten die Auswirkungen einer intensivierten Holzernte auf die Nährstoffnachhaltigkeit möglichst zuverlässig abschätzen zu können. Deshalb haben wir in Buchenbeständen auf dem Irchelplateau auf höherem Deckenschotter (mutmasslich sensitive Standorte) sowie in Bülach auf Würmmoräne (mutmasslich weniger sensitiv gegenüber Nährstoffverarmung) die Freisetzung von basischen Kationen durch Verwitterung, die Biomasseproduktion sowie den Nährstoffexport berechnet und verglichen. Die Annahme war, dass sich zwischen diesen beiden Standorten aufgrund der stärkeren Versauerung der Böden auf Deckenschotter Unterschiede im Wachstum und im Elementgehalt der Baumbiomasse beziehungsweise der einzelnen Baumkompartimente ergeben würden.

Trotz Unterschieden in den Bodeneigenschaften gibt es keine signifikanten Unterschiede bei der Biomasseentnahme zwischen den beiden Standorten, was auf eine gleiche Biomasseproduktion schliessen lässt. Rund um jedes Bodenprofil wurden vier Buchen der Oberschicht gefällt und Proben der unterschiedlichen Baumkompartimente entnommen. Die Proben wurden getrocknet, gemahlen, chemisch aufgeschlossen sowie die Nährelementgehalte analysiert. Erstaunlicherweise gibt es auch hier keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Standorten. Da die Unterschiede in der Biomasseentnahme und in den Elementgehalten der Baumbiomasse nicht signifikant waren, ergeben sich auch keine signifikanten Unterschiede im Nährelementexport durch die Holzernte. Und auch in den Verwitterungsraten traten keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Untersuchungsgebieten auf.

Details zur Untersuchung und Literaturverweise siehe Originalartikel (PDF)

(TR)