Was bedeutet eine Vollbaumnutzung für den Bewirtschafter und die Bewirtschafterin? Sie können über die Bestandesbehandlung und das Nutzungssystem die Nährstoffbilanz steuern.
Ein Blick auf die Ergebnisse einer Biomasse-Inventur an Fichte (Ertragsklasse 8, Fichte Bayern) am Mühleggerköpfl (Tirol) zeigt dies recht deutlich: So tragen Nadeln und Blätter nur etwa 6 % zur Bestandesmasse bei, enthalten jedoch mehr als 30 % der Stickstoff- und Phosphorvorräte des Bestandes. Ähnlich liegen die Verhältnisse für die Zweige mit 7% der Bestandesmasse, aber 18 bis 23 % der Stickstoff-, Phosphor- und Kaliumvorräte. Demgegenüber nimmt Holz zwar 72 % der Bestandesmasse ein, bindet aber maximal 33 % der untersuchten Nährstoffe.
Holz- und Biomasseaufkommensstudie für Österreich
Das Projekt "Holz- und Biomasseaufkommensstudie für Österreich", welches das BFW im Auftrag des Lebensministeriums durchführte, hatte auch einen standortskundlichen Teil. Ziel war es zu prüfen, auf welchen Standorten in Österreich der Entzug von Biomasse durch Vollbaumernte die nachhaltige Versorgung des (Nachfolge)Bestandes mit den wesentlichsten Nährelementen gefährdet (mehr zu der Methodik und den Ergebnissen). Im Rahmen dieser Studie wurden für jeden Standort Nährstoffbilanzen für wichtige Nährelemente - so auch Kalium - errechnet.
Bewirtschafter steuert Nährstoffbilanz über Nutzungssystem
Anhand der als "nicht nachhaltig" bewerteten Kaliumbilanz eines Beispielstandortes (Abbildungen 1 und 2) kann gezeigt werden, welche Einflussmöglichkeiten der Bewirtschafter über die Bestandesbehandlung und die Steuerung des Nutzungssystems auf die Nachhaltigkeit der Nährstoffversorgung besitzt: Die sehr geringen Kaliumvorräte dieses Standortes wären bei Vollbaumernte innerhalb einer Umtriebszeit restlos verbraucht, obwohl durch Eintrag aus der Luft und Gesteinsverwitterung erhebliche Kaliummengen nachgeliefert werden. Die Kaliumbilanz des Standortes wäre jedoch positiv, würde nur Holz und Rinde genutzt. In diesem Beispiel wäre es auch möglich, einen Teil des Ast- und Zweigmaterials zu nutzen, ohne die Nachhaltigkeit zu gefährden.
Abbildung 2 zeigt die Entwicklung des Kaliumvorrats für den Beispielsbestand über die Umtriebszeit. Die Bestandesbehandlung ist konservativ, es werden vor der Endnutzung zwei Durchforstungen unterstellt, bei denen ertragstafelkonforme Mengen entnommen werden. Der Ansatz ist statisch, da die zeitliche Variabilität der einzelnen Bilanzglieder allenfalls implizit berücksichtigt wird (unverändertes Klima, unveränderter Eintrag und Austrag über die gesamte Umtriebszeit).
Abbildung 2: Entwicklung des Kaliumvorrats für einen Beispielstandort über die Umtriebszeit (U=150 Jahre); Unterstellt wird Vollbaumernte in Vor- und Endnutzung
Bereits durch die erste Durchforstung im Alter 30 wird der Kaliumvorrat unter das Ausgangsniveau von 280 kg/ha abgesenkt. Im Alter 43 wird das Ausgangsniveau des Kaliumvorrats wieder erreicht und in weiterer Folge überschritten. Durch die zweite Durchforstung wird der Vorrat wieder auf das Ausgangsniveau abgesenkt, danach steigt der Kaliumvorrat wieder an, bis er durch die Endnutzung auf 0 abgesenkt wird.
Checkliste und Empfehlungen
Grundsätzlich sollte vor jedem Einsatz der Vollbaumernte eine einfache Standortsbeurteilung durchgeführt werden. Die folgende Checkliste führt Kriterien an, die auf standörtliche Einschränkungen in Hinblick auf die Biomasse-Ernte hinweisen:
- Bodentyp Semipodsol, Podsol, Ranker, Bachauboden
- Boden seichtgründig (Gründigkeit < 30 cm)
- Boden mit hohem Grobanteil (Grus, Steine, Blöcke; mehr als 40 % des Bodenvolumens)
- Grundgestein nährstoffarm (z.B. Granit, Gneis, Quarzit, Quarzphyllit, Serpentin, sehr reine Kalke und Dolomite)
- historische Waldnutzungen (Schneitelung, Streunutzung)
- kühles Klima (-> langsamere Verwitterung und Nährstoffnachlieferung)
- niederschlagsarmes Klima (-> geringere Nährstoffeinträge)
- Relief: Kuppe, Oberhang, Rücken, Riedel
Je mehr Kriterien zutreffen, desto wahrscheinlicher ist es, dass am Standort die Vollbaumernte problematisch ist oder unterbleiben soll. Wenn also begründete Zweifel bestehen, ob Biomassenutzung möglich ist, sollten die Nadel- und Blattmasse, wenn möglich auch das Feinreisig, da hier ein Großteil der Nährstoffe gebunden ist, überhaupt im Wald verbleiben. Praktisch hieße das:
- Krone(nteile) und/oder den Zopf (>7 cm) im Bestand belassen,
- Vollbaumernte nicht bei jeder Nutzung (vor allem nicht in der Durchforstung) anwenden
- oder Vollbaumnutzung nur auf Teilen der Nutzungsfläche durchführen.
Einschränkungen für die Vollbaumernte können aus standortskundlicher Sicht auch aus anderen Gesichtspunkten als der Nährstoffversorgung (zum Beispiel Bodenverdichtung, Erosion) gegeben sein.
Auch die ökonomischen Grenzen von Zuwachsverlusten dürfen nicht übersehen werden. In einer Untersuchung der Universität für Bodenkultur konnte bei konsequenter Entnahme von Reisig und Nadelmasse aus jungen Fichtenbeständen ein Zuwachsverlust von 10 % nach drei Jahren, von 20 % nach 20 Jahren nachgewiesen werden. Hier gilt es, mögliche Mehrerlöse gegen mögliche Zuwachsverluste und geringere Standortsproduktivität in der Zukunft abzuwägen.