Untersuchungen an Kunststoffseilen haben gezeigt, dass die Minderung der Bruchkraft bereits bei relativ geringem Seilabrieb bedeutende Werte erreicht und dadurch der geforderte Sicherheitsfaktor nach kurzem Einsatz deutlich unterschritten werden kann. Es ist dringend notwendig, den Grenzzustand des Seiles rechtzeitig zu erkennen! Erste Ergebnisse einer Versuchsreihe des BFW und die dazu entwickelte Messmethodik zeigen einen möglichen Weg zur laufenden Überprüfung und Kontrolle des Seiles durch den Anwender auf.
Die neuen Kunststoffseile haben ergonomische Vorteile und wirken sich daher positiv auf Produktivität und Forstarbeiter-Gesundheit (Garland 2003, Pilkerton 2004, Stampfer 2010) aus. Zur sicheren Anwendung nicht ummantelter Kunststoffseile fehlen aber erforschte Merkmale zum Erkennen der Seil-Ablagereife – ähnlich wie es bei Stahlseilen durch Zählen der Drahtbrüche möglich ist.
Als mögliche Indikatoren für die Ablagereife der Kunststoffseile gelten die mit fortschreitender Be- und Abnutzung eintretende Oberflächenveränderung sowie der Faserverlust. Erste Versuchsreihen des BFW haben gezeigt, dass an Hand der Oberflächenveränderung der Seilzustand nicht sicher beurteilt werden kann.
Durch die rauen Bedingungen im forstlichen Einsatz wird die Oberfläche der Seile sehr rasch aufgeraut und verändert sich in der Folge trotz fortschreitendem Abrieb kaum. Auch die vielfach zitierte Annahme, dass der Faserpelz die Faser darunter schütze, konnte nicht bestätigt werden. Im Gegensatz zu den optisch schlecht erkennbaren Veränderungen veränderte sich die verbleibende Zugfestigkeit der Seile mit zunehmender Abnutzung sehr deutlich.
Auch bei einem an der Oregon State University durchgeführten Laborversuch fiel die Bruchkraft eines 12-litzigen Seiles mit 92 %, 81 % beziehungsweise 60 % der ursprünglichen Bruchkraft überproportional zu dem nach dem Durchtrennen von ein, zwei oder drei Litzen verbliebenen Faserquerschnitt von 92 %, 83 % beziehungsweise 75 % (GARLAND, J., et al., 2003).
Auf Basis dieser Erkenntnisse hat das BFW ein vom Lebensministerium beauftragtes DAFNE-Forschungsprojekt gestartet, das mit Unterstützung der wichtigsten Seilhersteller durchgeführt wird. Ziel: die Ermittlung von einfach feststellbaren Ablagekriterien für Forstseile aus UHMPEFasern (zum Beispiel Dyneema).
Ein weiteres Ziel des Projektes ist es, Gesetzmäßigkeiten im Verhältnis zwischen dem Faserverlust und der Reduktion der Bruchkraft zu finden. Die Feststellung des Faserverlustes soll dabei mit einfachen Mitteln erfolgen, wie sie auch im Wald zur laufenden Kontrolle und Überprüfung des Seiles verwendet werden können.
Folgende Dyneema-Seile von österreichischen Herstellern und Vertreibern wurden in das Projekt einbezogen:
- Dynaforce (Grube Forst),
- StratosWinchLight in H- und S-Ausführung (Teufelberger),
- StyriaPower (Haase),
- DynaRed (Interforst),
- DynaOne (Gleistein & Sohn), sowie
- Amsteel Blue (Koller Forsttechnik).
Künstlicher Abrieb
Um einerseits die erforderliche Anzahl unterschiedlich abgenutzter Seilproben in angemessener Zeit zu erhalten und andererseits aber die Wiederholbarkeit und Vergleichbarkeit der Ergebnisse der Untersuchung sicherzustellen wird der Abrieb künstlich herbeigeführt. Um dennoch eine möglichst praxisnahe Beanspruchung der Testseile zu gewährleisten, wird der angenommene Abrieb beim Zuzug über rauen Boden mittels einer eigens entwickelten Versuchsanlage naturnah simuliert. In der ersten Phase des Projektes wurden verschiedene 12-litzige Seilprodukte aus Dyneema-Faser mit Nenndurchmesser 14 mm in vier Abriebstufen und einer Null-Variante untersucht (Abbildung 1).
Abbildung 1: Zugfestigkeit des unbenutzten Seiles und nach künstlich herbeigeführtem Abrieb in vier Stufen Quelle: BFW-FAST Ort
Feststellung des Faserverlustes
Die mit fortschreitender Abnutzung eingetretenen erkennbaren Veränderungen an der Seiloberfläche wurden zunächst bildlich dokumentiert. Eine Methode zur Quantifizierung des Faserverlustes musste erst gefunden werden. Die erste versuchte Methode, den Faserverlust durch Anschätzen der Querschnittsreduktion an den Einzelfäden der 12 Litzen des Seiles zu erfassen, wurde auf Grund der subjektiven Beeinflussbarkeit und wegen zu starker Auflockerung des Seilgefüges verworfen.
Die Ermittlung des Faserverlustes durch Anschätzung des Verlustes an herausgelösten Einzelfäden der Seile führte zu starker Auflockerung des Seilgefüges.
Ermittlung des Querschnittsverlustes durch Vermessung der einzelnen Litzen mit spezieller Schublehre.
Besonders bei stärker abgenutzten Seilen ließ ein zu starker Eingriff in die verbliebene Seilstruktur eine unerwünschte Reduktion der Restbruchkraft vermuten. Auf der Suche nach Objektivierung sowie geringerer Auflockerung des Seilkörpers wurde eine Messmethode in Anlehnung an die Umfangsvermessung runder Gegenstände mittels Bandmaß entwickelt. Dabei wird mittels einer Schlinge aus dehnungsarmem Garn und einer speziell präparierten Schublehre der Umfang der einzelnen Seillitzen unter konstanter Messkraft vermessen.
Der so ermittelte Seilquerschnitt wird zur Berechnung des Faserverlustes mit dem ebenso ermittelten Querschnitt des unbeschädigten Seiles verglichen. Natürlich wäre es einfacher, den Gesamtumfang des Seiles zu vermessen. Durchgeführte Versuche brachten aber wegen der durch den "Faserpelz" vorgetäuschten Querschnittszunahme keine brauchbaren Resultate. Bei Vermessung der einzelnen Litze an ihrer schwächsten Stelle bleibt der Faserpelz hingegen ohne Einfluss auf das Ergebnis.
Erste Versuchsergebnisse
Die Ergebnisse der Bruchkraftprüfungen an den ersten 76 Seilproben lassen – wenig überraschend – einen Zusammenhang zwischen den gemessenen Restbruchkräften und dem errechneten Querschnittsverlust erkennen (Abbildung 2). Die Einzelergebnisse sind aber ziemlich weit um ihre Trendlinie gestreut, sodass eine Zuordnung eines bestimmten Abriebwertes zu einer bestimmten verbliebenen Bruchkraft – also die gewünschte Korrelation – nicht möglich erscheint.
Abbildung 2: Restbruchkraft (%) in Relation zum Restquerschnitt (%) – alle Seilprodukte. Quelle: BFW-FAST Ort
Betrachtet man aber die Ergebnisse der Bruchkraftprüfungen getrennt nach unterschiedlichen Seilprodukten, zeichnet sich eine wesentlich bessere Korrelation der Einzelwerte mit ihrer jeweiligen Ausgleichsgeraden ab (Abbildung 3).
Abbildung 3: Restbruchkraft (%) in Relation zum Restquerschnitt (%) – getrennt nach verwendeten Seilprodukten. Quelle: BFW-FAST Ort
Für weiterreichende Rückschlüsse sind die Ergebnisse auf Grund der viel zu geringen Anzahl der Seilproben pro Seilprodukt jedoch noch ungeeignet.
Nächste Schritte im Projekt
Wegen des unterschiedlichen Verlaufes der Ausgleichskurven verschiedener Seilprodukte gleicher Ausgangsfestigkeit wird die Untersuchung weiterer Seilproben zunächst auf das Produkt eines einzigen Herstellers konzentriert und erst in weiterer Folge auf andere Produkte ausgedehnt.
Zusätzlich wird versucht, abgenützte Seilproben (vom gleichen Hersteller und möglichst von gleicher Dimension) aus dem tatsächlichen Forsteinsatzes zu erhalten und zum Verifizieren der Ergebnisse aus den künstlich erzeugten Abriebproben nach der gleichen Methode zu analysieren.
Ausblick
Gelingt in den nunmehr geplanten Versuchsserien die Bestätigung dieser Methode, die mit leicht verfügbaren und in der Anschaffung günstigen Messwerkzeugen ausgeführt werden könnte, wäre ein wichtiger Schritt zur Sicherheit der wachsenden Zahl der Anwender getan. Mit zumutbarem Aufwand könnten sie das Erreichen der Ablagereife des Seiles rechtzeitig erkennen und damit den in der Norm für forstliche Seilwinden (EN 14492-1) vorgesehenen Sicherheitskoeffizienten (Seilfestigkeit = 2-fache Windenzugkraft) einhalten.