Das gut lesbare, reich illustrierte und sehr ansprechend gestaltete Büchlein von 60 Seiten Umfang darf wohl mit Fug und Recht als kleine Eiben-Monographie bezeichnet werden. Eine detaillierte morphologische Beschreibung von Blüte und Frucht, über den Aufbau der Nadeln und die Holzanatomie bis hin zu Rinde, Stamm und Wurzelwerk schält die biologische Charakteristik der Eibe heraus und erklärt auch ihre systematische Sonderstellung im Vergleich zu den typischen Koniferenarten wie Fichte oder Föhre.

Auf die Verflechtung der Eibe mit ihrer Umwelt wird ebenfalls ausführlich eingegangen. Neben der allgemein bekannten Schattentoleranz beschreibt der Autor weitere wichtige Standortsansprüche. Bei der Darstellung des Verbreitungsareals liegt der Schwerpunkt auf dem Vorkommen in Graubünden, was für Leser, die nicht aus diesem Kanton stammen, etwas schade ist. Zahlreiche nützliche und schädigende Beziehungen mit andern Organismen von den Pilzen bis zum Schalenwild, sowie deren Bedeutung für die Ausbreitung der Samen sind mit Text und Bild illustriert.

Als seltene und spezialisierte Baumart verdient die Eibe eine vermehrte Aufmerksamkeit und Förderung durch den Forstdienst. Im entsprechenden Kapitel wird hier vor allem auf das sensible Verhalten bei stärkeren Eingriffen mit Freistellung und auf den starken Wilddruck, der die Verjüngung oft stark beeinträchtigt, eingegangen.

Wohl allgemein bekannt ist die Verwendung von Eibenholz für die Herstellung von Pfeilbogen und Armbrust im Mittelalter, sowie die Giftigkeit der Eibe insbesondere für Mensch und Haustiere. Beide Themenbereiche werden ausführlich behandelt und damit unser Halbwissen fachlich fundiert gefestigt. Die Bedeutung der Eibe für den Menschen seit der Steinzeit mit dem Höhepunkt der Nutzung im Mittelalter wird ausführlich erläutert, ebenso wie die heutige eingeschränkte Nutzung des Holzes für Spezialarbeiten. Auch die Verwendung der schnitttoleranten Eibe in der Gartengestaltung sowie im kulturellen Bereich sind Themen dieses Kapitels.

Besonders interessant sind die detaillierten Ausführungen zum Gift der Eibe (Taxin), seine unterschiedlichen Konzentrationen in den einzelnen Baumteilen, sowie die Schilderung der toxischen Wirkungen und Vergiftungserscheinungen. Auch auf die weniger bekannte medizinische Verwendung von Eibenextrakten als Heilmittel weist der Autor hin. Der Mystik und dem verborgenen Charakter dieser düster wirkenden und geheimnisvollen Baumart sind zum Abschluss einige philosophische Gedanken gewidmet.

Wer das kleine Buch aufmerksam durchgelesen hat, wird Jürg Hassler wohl zustimmen, dass die Eibe nicht nur als "Baum des Todes", sondern im ewigen Spiel von Werden und Vergehen ebenso auch als "Baum der Wandlung" verstanden werden kann.
 

Hassler-Schwarz, J. (2015), Die Eibe. Eine Beschreibung der physischen und mythischen Eigenschaften sowie der kulturellen Bedeutung in Graubünden. Calven Verlag, Chur, ISBN 978-3-905261-39-4. 2. erweiterte Auflage, 60 Seiten.

Preis: Fr. 25.00 (ca. 23.00 €) zzgl. Porto und Verpackung

Rezension von Markus Bichsel, dipl. Forstingenieur ETH, CH-7000 Chur