Das vom Brandenburger Agrar- und Umweltministerium herausgegebene Handbuch verknüpft erstmals in leicht verständlicher Form wissenschaftliche Erkenntnisse mit praktischen Belangen.
Deutschland trägt für die Buchenwälder eine sehr grosse Verantwortung, da dort 25 % aller Buchenwälder weltweit wachsen und speziell in Norddeutschland der Anteil am weltweiten Vorkommen von Tieflandbuchenwäldern noch höher liegt.
Ziel des Naturschutzes im Wirtschaftswald sollte sein, eine grösstmögliche zeitliche und räumliche Kontinuität von naturnahen Bestandes- und Einzelbaumstrukturen im jeweiligen Buchenwald zu gewährleisten.
Forschungsprojekte für die Praxis
Abb. 2 - Glatter Laufläfer (Carabus glabratus) - dieser nachtaktive Käfer versteckt sich tagsüber unter Moospolstern oder unter liegendem Totholz. Indbesondere in der Zerfallasphase eines Waldbestandes ist diese Art anzutreffen.
Die vorgestellten Ergebnisse zu den verschiedenen Waldstrukturen und der biologische Vielfalt von Buchenwäldern in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern stammen aus zwei wissenschaftlichen Forschungsprojekten. Die wissenschaftlichen Untersuchungen fanden unter der Leitung der TU Dresden zwischen 2000 und 2003 und von 2012 bis 2014 statt. Dabei wurden die Waldstrukturen und die spezifischen Artengruppen in reifen Buchenwäldern in den beiden Bundesländern untersucht. Schwerpunkte der Arten bildeten dabei neben Brutvögeln auch holzbewohnende Insekten, Laufkäfer, Fledermäuse, Moose sowie Pilze.
Praktischer Leitfaden
Auf der Grundlage dieser Untersuchungsergebnisse entstand ein praktischer Leitfaden für Behörden, Waldeigentümer und Forstdienst. Das sehr anschauliche und reich bebilderte Buch kann sehr gut als Arbeitshilfe und Unterstützung bei der wirtschaftlichen Tätigkeit in Buchenwäldern eingesetzt werden. Auf den ausklappbaren Buchseiten findet der Leser zahlreiche Beispiele, die ihn in der praktischen Arbeit unterstützen können.
Optisch sehr ansprechend, sensibilisiert das Buch sehr gut für die zahlreichen Strukturen in heimischen Wäldern, erklärt die Bedeutung der auftretenden Entwicklungsformen an Bäumen und macht die enorme Bedeutung gerade auch der kleinen, oft unscheinbaren Naturwaldelemente sichtbar.
Abb. 3 - Bäume, deren Splint durch Blitzeinwirkung freigelegt ist, werden als Initialstadium von Grosshählenbildungen erhalten. Die umfassende freiklegung führt zwangsläufig zur Ansiedlung holzabbauender Pilze. Auch diverse Insekten oder die Bruthöhlen von Buntspechten sind dort anzutreffen.
Neben grundlegenden Informationen über die biologische Vielfalt in Buchenwäldern, erhält der Lesende konkrete waldbauliche Empfehlungen für die praktische Umsetzung von Naturschutz im Wald.
Besonders hervorzuheben sind dabei die informativen Übersichten der wichtigsten Naturwaldstrukturen wie Spechthöhlen, Kronenbruch, Zunderschwamm- oder Kletterpflanzenbäume für die Biodiversität.
Die Steckbriefe zeigen neben Skizzen und Beschreibungen der Strukturen auch deren Bedeutung für den Naturschutz. Zusätzlich werden charakteristische Arten vorgestellt, die diese Strukturen nutzen.
Untermauert werden die Empfehlungen mit den Forschungsergebnissen der zugrundeliegenden Projekte. Basierend auf den Mikrohabitatstrukturen des Intergrate+-Projektes, sind hier die wichtigsten Mikrostrukturenim Wald zusammengefasst und spezifische Empfehlungen für die Praxis gegeben.
Bemerkenswert ist es ausserdem, das Augenmerk auf ungewöhnliche Wuchsformen der Bäume zu lenken, schrägstehende, starkastige oder bizarre Bäume, welche in unserem "geraden und aufrechten Wald“ nicht immer gerne gesehen werden. Das Zulassen von sogenannten "Protzern“, welche schnell und raumfordernd aufwachsen, und diese als zukünftige Biotopbäume einzuplanen, ist dabei ein wichtiger Aspekt.
Das Buch schließt mit Hinweisen zu Monitoring und Erfolgskontrolle, einem Literaturteil sowie Artregistern der Pflanzen, Pilze und Tiere mit deutschen und wissenschaftlichen Artnamen.
Abb. 4 - Steckbrief mit Beschreibungen der Strukturen, deren Bedeutung und Empfehlungen für die Praxis.
Abb. 5 - Charakteristische Arten für die jeweiligen Strukturen.
Obwohl das Buch bereits 2017 in 3. Auflage erschienen ist, lohnt es sich trotzdem auch jetzt nochmals darauf aufmerksam zu machen, da es ein umfassendes Werk ist, dass es verdient hat, noch weiteren Leserkreisen zugänglich gemacht zu werden. Und dessen Inhalt immer noch aktuell ist und in weiten Teilen universell auch auf andere Laubwälder, teilweise sogar Nadelwälder, übertragbar ist.
Das Buch ist eine interessante und aufschlussreiche Lektüre für alle Waldbesitzer, Förster und Waldnaturschutzinteressierte, die sich mit der Frage beschäftigen, wie unser Wald naturschutzfreundlicher gestaltet werden kann - ein rundum gelungenes Praxishandbuch für einen umfassenden Waldnaturschutz.
Informationen zum Buch:
Susanne Winter, Heike Begehold, Mathias Herrmann, Matthias Lüderitz, Georg Möller, Michael Rzanny & Martin Flade: Praxishandbuch – Naturschutz im Buchenwald. Naturschutzziele und Bewirtschaftungsempfehlungen für reife Buchenwälder Nordostdeutschlands. Hrsg. Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft Brandenburg, 2015. ISBN 978-3-00-051827-0.
Schutzgebühr 12 EUR