Die Pflanzen der Krautschicht sind empfindliche Indikatoren für Standorteigenschaften. Sie werden durch Verschiebungen in der Baumartenzusammensetzung, insbesondere durch Veränderung des Nährstoffkreislaufs, der Lichtverfügbarkeit und der Bodenfeuchte beeinflusst. Die Vermutung liegt nahe, dass die Diversität der Krautschicht und die Wuchsleistung des Bestandes ebenfalls durch die Baumartenzusammensetzung beeinflusst werden.
Der Einfluss der Baumartenzusammensetzung auf die Diversität der Krautschicht wurde im Rahmen einer Masterarbeit in sieben submontan gelegenen Buchenwaldreservaten im Mittelland mit vergleichbaren Vegetations- und Oberbodenbedingungen sowie ähnlicher Entwicklungsphase untersucht. Das Ziel war, herauszufinden, welche Umweltparameter dabei von Bedeutung sind.
Datenerhebung in Buchenwaldreservaten
Die Aufnahme von Baumarten und Mischungsgrad erfolgte entlang von Transekten auf 61 225 m2 grossen Versuchsflächen. Dazu wurden pro Versuchsfläche je drei Vegetationsaufnahmen auf einem Quadratmeter sowie in deren Zentren Lichtmessungen gemacht und Bodenproben entnommen. Daraus ergaben sich nach Messungen und Berechnungen Daten zu:
- Arten, Deckungsgrad sowie Diversität (Shannon-Index) der Krautschicht
- Lichtverhältnissen: Deckungsgrad und totaler Strahlung
- Höhe und Art der organischen Auflagehorizonte und des Vermischungshorizontes
- pH-Wert im Vermischungshorizont
- Trockengewicht und Dichte der organischen Auflage
- Kohlen- und Stickstoffgehalt und deren Verhältnis (C:N) im Vermischungshorizont
Die Datenauswertung erfolgte mittels linearer Regressionsanalyse, Ordinationen und Clusteranalyse.
Baumartenzusammensetzung und Diversität der Krautschicht
Abb. 2. Krautschicht eines Buchen-Mischwaldes. Foto:Doris Hölling (WSL)
Die vorliegende Studie kann keinen klaren Zusammenhang zwischen der Artenzahl der Baum- und jener der Krautschicht ermitteln. Jedoch ist die Artenzahl und die Diversität (Shannon-Index) der Krautschicht auf Flächen mit einem hohen Eichenanteil signifikant grösser als auf Flächen mit einem hohen Buchenanteil oder gemischten Flächen. Dieser Effekt zeigt sich bei der Buche progressiv: die Artenzahl in der Krautschicht sinkt mit einem zunehmenden Buchenanteil in der Baumschicht. Bei der Eiche hingegen zeigte sich der Einfluss auf die Artenzahl der Krautschicht anhand eines Schwellenwertes.
Flächen mit einem Eichenanteil von weniger als 30% weisen eine geringere Artenzahlen auf als Flächen mit einem Eichenanteil über30%. Während ein hoher Buchenanteil sich demnach negativ auf die Diversität der Krautschicht auswirkt, hat im Gegensatz dazu ein hoher Eichenanteil einen positiven Einfluss.
Diese Resultate lassen vermuten, dass das Vorkommen der einzelnen Baumarten die Eigenschaften des Ökosystems (Lichtverhältnisse, Oberbodeneigenschaften etc.) und damit die Diversität der Krautschicht stärker beeinflussen als die Anzahl Baumarten per se. Es ist somit eher ein artspezifischer Einfluss vorhanden.
Baumartenzusammensetzung und Umweltparameter
Abb. 3. Eichenstreu ist besonders schwer abzubauen. Foto: Doris Hölling (WSL)
Abb. 4. Wald-Springkraut ist ein Feuchte- und Nährstoffzeiger der Krautschicht. Foto: Thomas Reich (WSL)
Abb. 5. Unter Nadelbäumen gehört Wald-Sauerklee zu den Säurezeigern in der Krautschicht. Foto: Doris Hölling (WSL)
Abb. 6. In den Aufnahmeflächen gehören Farne zu den Säurezeigern in der Krautschicht unter Nadelbäumen. Foto: Doris Hölling (WSL)
Zwischen den Arten der Baumschicht und den gemessenen Umweltparametern des Oberbodens zeigt sich im Diagramm der Gradientenanalyse eine deutliche Beziehung. Das Vorkommen von mächtigen organischen Auflagen unter Nadelbäumen wird durch die Korrelation von Fichte und Föhre mit einem hohen C:N-Verhältnis, einer grossen Dichte und einem hohen Trockengewicht der organischen Auflage sowie mit einem gut ausgebildeten Oh-Horizont abgebildet (Achse 1 im Diagramm). Das Vorkommen von Esche und Spitzahorn korreliert positiv mit einem mächtigen Vermischungshorizont (Ah-Horizont) und einem hohen pH-Wert (Achse 1 und 2 im Diagramm).
Dies deutet darauf hin, dass Eschenflächen eine bessere Nährstoffversorgung und eine höhere Streuabbaurate aufweisen als fichten- oder föhrendominierte Flächen, was sich dementsprechend positiv auf die Diversität der Krautschicht auswirken sollte. Die deutliche Verteilung der Bodenparameter entlang der ersten Achse (pH und Ah in der linken, Oh, Trockengewicht und Dichte in der rechten Hälfte des Diagramms) lässt für die horizontale Achse einen Gradienten im Säuregehalt des Oberbodens vermuten. Dies deutet darauf hin, dass die Baumarten-Zusammensetzung den Oberboden beeinflusst. Für die zweite Achse im Diagramm lässt sich kein eindeutiger ökologischer Gradient erkennen.
Umweltparameter bei Buche und Eiche
Da Buche und Eiche im Zentrum des Diagramms liegen, kann für diese Baumarten kein Zusammenhang zu den gemessenen Umweltparametern aufgezeigt werden. Aus der Literatur sind mehrere Mechanismen und Faktoren bekannt, über welche diese beiden Baumarten die Diversität der Krautschicht indirekt beeinflussen. Dazu gehören zum Beispiel die schwer abbaubare Streu beider Baumarten oder die hohe Lichtdurchlässigkeit der Eichenkronen. Dass diese Einflüsse hier nicht nachgewiesen werden können, liegt vermutlich daran, dass Fichte, Föhre und Esche die gemessenen Umweltvariablen stärker beeinflussen und somit den Effekt der Buche und der Eiche überdeckt haben. Gründe dafür können aber auch andere, nicht gemessene Umweltparameter sein (z.B. Bodenfeuchtigkeit oder phytotoxische Substanzen).
Krautschicht und Umweltparameter
Das Diagramm von Krautschicht und Umweltparametern zeigt drei Artengruppen, die sich ökologisch unterscheiden. Dies deutet auf einen Einfluss der gemessenen Licht- und Nährstoffparameter auf die Diversität der Krautschicht hin.
Feuchte- und Nährstoffzeiger
Entlang der ersten Achse auf der linken Seite des Diagramms sind Feuchte- und Nährstoffzeiger zu finden: Wald-Springkraut (Impatiens noli-tangere), Kleines Springkraut (Impatiens parviflora) und Grosses Hexenkraut (Circaea lutetiana).
Im unteren rechten Quadranten (im Diagramm braun gefärbt) sind alle Pflanzen basischer und eher trockener Standorte angesiedelt. Dazu gehören zum Beispiel die Vogelfuss- Segge (Carex ornithopoda) und das Wald-Habichtskraut (Hieracium murorum agg.) sowie viele Kalksträucher (Crataegus sp., Ligustrum vulgare etc.).
Im oberen rechten Quadranten (im Diagramm grün gefärbt) sind vor allem Aufnahmeflächen angesiedelt mit Nadelbäumen in der Baumschicht und Säurezeigern in der Krautschicht wie der Heidelbeere (Vaccinium myrtillus) oder dem Wald-Sauerklee (Oxalis acetosella, oberflächlicher Säurezeiger) sowie Farne (z.B. Athyrium filix-femina).
Aus dieser ökologischen Gruppierung lässt sich schliessen, dass die horizontale Achse einen Gradienten in der Öffnung des Kronendachs darstellt, welcher die unterschiedliche Lichtverfügbarkeit und Bodenfeuchte erklärt und die horizontale Achse einen Säure-Basengradienten.
In der Studie korrelieren diese Umweltparameter am stärksten mit der Krautschicht. Nur für wenige Arten der Krautschicht lässt sich ein direkter Zusammenhang zu den gemessenen Lichtvariablen herstellen. Deshalb scheint die Lichtverfügbarkeit die Diversität der Krautschicht nur gering zu beeinflussen. Der Grund dafür kann in der Anpassung der Buchenwaldarten an schlechte Lichtverhältnisse liegen: viele Arten schliessen ihren Entwicklungszyklus bereits vor dem vollständigen Laubaustrieb ab oder sind sehr schattentolerant.
Nährstoffverfügbarkeit und Abbaurate
Die Nährstoffverfügbarkeit und die Abbaurate, spielen für die Diversität der Krautschicht eine grosse Rolle. Es sind nur wenige Arten mit einem hohen C:N-Verhältnis und einer mächtigen organischen Auflage (Oh-Horizont, hohe Dichte und grosses Trockengewicht des Oberbodens) positiv korreliert. Ein hohes C:N-Verhältnis deutet auf schwer abbaubare Streu, die mächtige organische Auflage auf erschwertes Keimen der Samen und der Gefahr von Frostereignissen und Austrocknung hin.
Viele Arten sind dagegen positiv mit einem hohen pH-Wert und einem mächtigen Ah-Horizont assoziiert. Ein mächtiger Ah-Horizont ist gekoppelt an eine gut abbaubare Streuschicht, meistens Mull, mit einer hohen biologischen Bodenaktivität und einer guten Nährstoffverfügbarkeit. Ein hoher pH-Wert erhöht das Nitratvorkommen im Boden und begünstigt so die Krautschicht.
Für die Artenzahl und die Diversität (Shannon-Index) der Krautschicht sind also von den untersuchten Umweltparametern besonders die Dichte der organischen Auflage, das C:N-Verhältnis, der pH-Wert, der Ah-Horizont und der Deckungsgrad wichtig. Dabei wirken sich hohe Werte für pH, Ah-Horizont und Deckungsgrad positiv, ein hohes C:N-Verhältnis und eine grosse Dichte der Auflage hingegen negativ auf die Diversität der Krautschicht aus.
Mischbestände lassen noch Fragen offen
Die Übertragung der hier aufgefundenen, kleinräumigen artspezifischen Einflüsse auf das Bestandesniveau ist nicht einfach. Je dominanter eine Art ist, desto stärker werden ihre spezifischen Eigenschaften die Bestandeseigenschaften bestimmen. Je vielfältiger jedoch die Baumartenzusammensetzung ist, desto mehr werden die einzelnen artspezifischen Eigenschaften abgeschwächt, und das Erkennen eines Arteffektes auf die ökologischen Prozesse im Wald wird nahezu unmöglich. Bezüglich der Ökologie von Mischbeständen bestehen daher noch viele Fragen, welchen sich die Forschung widmen darf und soll.