Viele Forstbetriebe und forstliche Zertifizierungssysteme streben eine Erhöhung des Totholzanteils an. In der Regel sind diese Bestrebungen durch Naturschutzziele motiviert und orientieren sich beispielsweise am Alt- und Totholzkonzept Baden-Württemberg. Wenn Totholz im Wald verbleibt, kann die bei der Zersetzung freiwerdende organische Substanz in den Boden gelangen und dort gespeichert werden. Dies kann die Kohlenstoffspeicherung in Waldböden erhöhen und ist somit entscheidend für einen erfolgreichen Klimaschutz.
Wohin fließt der Kohlenstoff?
Wie sich Totholz zersetzt und welche Faktoren die Abbauprozesse steuern, ist schon intensiv untersucht worden. Zum Verbleib des aus dem Totholz freigesetzten Kohlenstoffs ist aber deutlich weniger bekannt. Welcher Anteil des Kohlenstoffs in den Boden gelangt und unter welchen Bedingungen er im Boden gespeichert werden kann, ist bislang noch nicht eindeutig geklärt. Insbesondere zum Einfluss des Standorts und des forstlichen Managements gibt es noch erheblichen Forschungsbedarf.
Im Verlauf der Zersetzung von Totholz wird der darin gespeicherte Kohlenstoff teilweise in Form von Kohlenstoffdioxid (CO2) in die Atmosphäre freigesetzt und stellt somit eine Kohlenstoffquelle in der Treibhausgasbilanz dar. Der Transport in den Boden in Form fester Partikel und in gelöster Form, etwa durch Bodentiere oder mit dem Niederschlagswasser, kann die Kohlenstoffsenke in Waldböden erhöhen.
Welche Ziele verfolgt TotC?
Werden die Kohlenstoffflüsse im Umfeld von liegendem Totholz kontinuierlich gemessen, können Bedingungen identifiziert werden, unter denen Kohlenstoff bevorzugt im Boden gespeichert oder aber über die Gas- oder Wasserphase ausgetragen wird. Genau das erfassen Forscherinnen und Forscher der FVA-Abteilung Boden und Umwelt im Projekt TotC. Mit Hilfe der so gewonnenen Daten sollen sowohl Gesamtbilanzen der Kohlenstoffflüsse erstellt als auch Dynamiken der Kohlenstoffspeicherung und deren Standortabhängigkeit identifiziert werden. Ebenfalls untersucht wird, ob sich durch den Eintrag von organischer Substanz zusätzlich das Wasserrückhaltevermögen und der Nährstoffhaushalt von Waldböden positiv beeinflussen lassen.
Einblick in das Projekt: Erfassung der Kohlenstoffflüsse
Die FVA erfasst seit etwas mehr als zwei Jahren die Kohlenstoffflüsse unter liegenden Totholzstämmen sowie auf benachbarten, nicht von Totholz beeinflussten Kontrollflächen. Die Untersuchungsflächen wurden so ausgewählt, dass unterschiedliche Standorte und Baumarten abgedeckt sind. Neben den Baumarten Buche und Fichte werden Totholzstämme auf Flächen mit verschiedenem Ausgangssubstrat (karbonatisch/silikatisch) und daraus folgend unterschiedlichem Versauerungszustand (pH-Wert) untersucht. Um den Effekt des Bodenwasserhaushalts zu erfassen, werden Stämme auf einem süd- und einem nordexponierten Hang untersucht. Aufgrund der unterschiedlichen klimatischen Verhältnisse auf den Hängen sind im Boden auf dem südexponierten Hang trockenere und wärmere Bedingungen vorzufinden – im Gegensatz zum nordexponierten Hang.
Die mittels Saugkerzen gewonnenen Bodenwasserproben werden in regelmäßigem Turnus entnommen. Im Labor der FVA wird die Konzentration an gelöstem organischem Kohlenstoff analysiert. Zusätzlich werden im Wald die Bodenfeuchte und -temperatur erfasst. Beide Parameter stellen wichtige Steuergrößen bezüglich der Kohlenstoffdynamiken in Waldböden dar. Um die Stoffeinträge in das Waldökosystem zu ermitteln, wird zusätzlich der Niederschlag analysiert.
Die CO2-Austräge aus dem Totholz werden durch sogenannte Kammermessungen bestimmt. Dabei wird die CO2-Konzentration in einer geschlossenen Kammer über einen gewissen Zeitraum gemessen. Über den Anstieg der Konzentration und unter Berücksichtigung von Temperatur und Luftdruck werden die CO2-Austräge berechnet.
Über die Analyse von Bodenaggregaten wird untersucht, wie stabil der in den Boden eingetragene Kohlenstoff in der Bodenfestphase gespeichert und ob der Gehalt an Kohlenstoff im Umfeld von Totholz im Vergleich zu den Kontrollflächen erhöht ist.
Gelöster organischer Kohlenstoff im Bodenwasser
Erste Auswertungen der Analysen zeigen auf fast allen Untersuchungsflächen signifikant höhere Konzentrationen an gelöstem organischem Kohlenstoff im Bodenwasser unter Totholz im Vergleich zu den Kontrollflächen. Diese Effekte sind nicht nur auf den Oberboden begrenzt, sondern bis in eine Tiefe von 60 Zentimetern erkennbar. Die bisherigen Ergebnisse deuten an, dass die Konzentrationen vor allem von der Baumart und dem standörtlichen Wasserhaushalt abhängen. Höhere Konzentrationen an gelöstem organischem Kohlenstoff konnten einerseits unter Buche im Vergleich zur Fichte, andererseits auf dem südexponierten im Vergleich zum nordexponierten Hang gemessen werden. Wie stabil der in den Boden eingetragene Kohlenstoff in der Bodenfestphase gespeichert ist und ob durch die Einträge mit dem Bodenwasser tatsächlich die Kohlenstoffsenke des Waldbodens langfristig gestärkt wird, werden chemisch-physikalische Analysen von Bodenaggregaten zeigen.
Wie geht es weiter?
Sowohl die Baumart als auch der Wasserhaushalt des Bodens haben offenbar einen Einfluss auf die Dynamiken des Kohlenstoffs im Boden. Inwieweit die höheren Konzentrationen an gelöstem organischem Kohlenstoff im Bodenwasser unter Totholz Einfluss auf die Speicherung von Kohlenstoff in der Bodenfestphasenehmen können, müssen weitere Auswertungen zeigen.
Zusätzlich soll der Einfluss des Totholzes auf landesweit verteilten Waldflächen mit unterschiedlichen Totholzmengen und Standorteigenschaften bewertet werden. Dafür werden die Kohlenstoffvorräte Baden-Württembergs auf Basis von bisherigen Inventuren wie der Bundeswaldinventur (BWI) und der Bodenzustandserhebung (BZE) quantifiziert und mit Totholzinventuren verknüpft. Die im Projekt gewonnenen Erkenntnisse sollen in standortspezifische Managementempfehlungen für die Forstpraxis einfließen, damit durch eine gezielte Totholzanreicherung im Wald, zusätzlich zu den positiven Einflüssen auf den Artenschutz und die Biodiversität, auch eine Stärkung der Kohlenstoffsenkenfunktion der Waldböden erreicht wird.