1 BiCO2

Für den Erhalt der ökologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leistungen der Wälder ist es entscheidend, ihre Bedeutung als Lebensraum waldtypischer Arten und ihre Funktion als ober- und unterirdischer Kohlenstoffspeicher zu erhalten. Dabei können Forstwirtschaft, Naturschutz und Wissenschaft voneinander profitieren. Gemeinsam untersuchten sie im Projekt BiCO2 die Zusammenhänge zwischen forstlicher Bewirtschaftung, Biodiversität und Kohlenstoffvorräten im Wald, um Handlungsoptionen zur Unterstützung waldbaulicher Entscheidungen unter Berücksichtigung dieser Effekte zu erarbeiten. Das Kooperationsprojekt der NABU-Naturschutzstation Münsterland e.V., dem Institut für Landschaftsökologie der Universität Münster und dem Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und dem Bundesministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz im Rahmen des Waldklimafonds durch die Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe (FNR) gefördert.

Die Untersuchungen fanden in vier Gebieten statt, die die bundesweit flächenmäßig bedeutsamsten Standorttypen und Waldgesellschaften abdecken: Arnsberger Wald (stark saure Buchenwälder), Egge-Vorberge (mäßig nährstoffreiche Kalkbuchenwälder), Kernmünsterland (Eichen-Hainbuchenwälder auf von Stauwasser geprägten Böden) und Niederrhein (Eichen-Mischwälder auf sandigen Böden). In jedem dieser vier Waldgebiete wurden 50 Probepunkte eingerichtet, an denen zahlreiche Untersuchungen stattfanden (1). Für jeden Probepunkt wurde ein Index der forstlichen Nutzungsintensität (Forest Management Intensity Index, ForMI) berechnet, ein objektives Maß zur Einschätzung des Einflusses der Waldbewirtschaftung (2). Der Gradient reicht dabei von Wäldern ohne Nutzungsmerkmale (z.B. Naturwaldreservate) bis zu Beständen aus standortfremden Nadelgehölzen mit hohem Erntevolumen und geringem Anteil natürlich entstandenen Totholzes. 

2 Habitatstrukturen und Biodiversität

Habitatstrukturen, wie z.B. Baummikrohabitate oder Totholz, sind wichtige Einflussfaktoren für die Biodiversität, da viele Arten wie z.B. holzzersetzende Käfer an diese Lebensräume gebunden sind (Abb. 1). Baummikrohabitate (Abb. 2) sind Kleinstlebensräume an lebenden sowie stehenden toten Bäumen, beispielsweise Stamm- oder Asthöhlen, Baumpilze oder Kronentotholz (3). Das Vorkommen solcher Strukturen wurde, wie auch das Totholzvolumen, vor allem durch das Bestandesalter beeinflusst. Alte Waldbestände wiesen in dieser Hinsicht eine besonders hohe Anzahl und Vielfalt an solchen Lebensräumen auf. In Laub- und da vor allem in Eichenbeständen kamen zudem mehr Baummikrohabitate vor als in Nadelwäldern. Stehendes Totholz und einige der Mikrohabitate wie z.B. Kronentotholz oder freiliegendes Kernholz waren dagegen vom ForMI abhängig und kamen vor allem in Beständen mit geringer Nutzungsintensität vor (4).

Die untersuchten Artengruppen reagierten unterschiedlich auf die Intensität der Waldbewirtschaftung, welche somit keinen generell negativen Einfluss auf die Biodiversität im Wald hatte. Dies betraf z.B. die Moose, deren Diversität nicht direkt von der Bewirtschaftungsintensität, sondern vor allem von der Hauptbaumart beeinflusst wurde. So bevorzugten rindenbewohnende Moose vor allem Buchenwälder, während bodenbewohnende Moose in erster Linie in Nadelwäldern vorkamen (5). 

Auch bei den Vögeln waren unterschiedliche Reaktionen auf eine stärkere Waldnutzungsintensität erkennbar. Bei der Betrachtung aller Vogelarten gemeinsam ergaben sich keine Effekte der Nutzungsintensität nach ForMI auf Arten- und Individuenzahl (Abb. 3). Allerdings sank das Vorkommen der höhlenbrütenden Vögel mit steigender Nutzungsintensität (z. B. Spechte, Abb. 4), während Vögel, die in Sträuchern brüten, zunahmen.
 

So stellte sich heraus, dass eine Vielfalt der Waldtypen die Diversität der vorkommenden Vögel auf Landschaftsebene erhöht, da z.B. in alten Buchenwäldern ganz andere Arten vorkommen als in mehrschichtigen Beständen mit Nadelbaumbeimischung.

Eine Abnahme der Artenvielfalt bei steigender Nutzungsintensität konnte bei den Flechten beobachtet werden. Viele Flechtenarten besiedelten alte Eichenbestände, während sie in Nadelbeständen selten waren. Dies ist vor allem auf die strukturellen und chemischen Eigenschaften der Borke und das notwendige möglichst hohe Baumalter zurückzuführen. 

 

3 Kohlenstoffspeicherung und Bodenökologie

Wälder leisten durch ihre Aufnahme von CO2 aus der Luft einen wichtigen Beitrag zum natürlichen Klimaschutz. Neben der Speicherung in den stehenden Bäumen spielt dabei der Boden eine entscheidende Rolle. Durch Streufall, absterbende Wurzeln, sich zersetzendes Totholz und organische Wurzelausscheidungen gelangt der Kohlenstoff in den Boden. Dieser Kohlenstoff kann u.a. durch die Bindung an Tonminerale langfristig im Mineralboden stabilisiert werden. Die mittleren Kohlenstoffvorräte aller 200 untersuchten Flächen lagen bei 292 ± 72 t Kohlenstoff pro Hektar (Corg/ha). Die oberirdischen C-Vorräte nahmen mit steigendem Bestandesalter zu. Im Mittel waren in den Bäumen inkl. Wurzeln etwa 150 t Corg/ha gespeichert (Abb. 5). Während Totholz als Lebensraum von großer Bedeutung ist, spielt es bei der C-Speicherung mit weniger als 2% an den gesamten Vorräten eine geringere Rolle.

Zwischen den Untersuchungsgebieten ergaben sich bei den C-Vorräten im Boden durch die naturräumlichen Standortunterschiede große Differenzen. In den beiden Buchenwaldgebieten der kollinen Höhenstufe war mit etwa 100 t Corg/ ha im Vergleich zu den anderen Standorten weniger C im Boden gespeichert, da die dortigen Böden, in oft steilen Hanglagen, einen hohen Steingehalt aufwiesen. In den beiden Flachlandstandorten dagegen war mehr als die Hälfte des Gesamtkohlenstoffvorrates im Boden gespeichert. Vor allem im Kernmünsterland war der Vorrat mit rund 185 t Corg/ ha sehr hoch. Dies lag neben den tiefgründigen, weitestgehend steinfreien Böden auch an den staunassen Bedingungen auf den Pseudogley-Böden, die eine Zersetzung der Streu verlangsamen und zur Bildung mächtiger organischer Auflagen führen (Abb. 5)

Die wirksamsten Stellschrauben, über die Bewirtschaftung eine langfristigere und stabilere C-Speicherung im Boden zu fördern, liegt in der Baumartenwahl und im Bestandesalter. Insbesondere tiefwurzelnde Baumarten wie z.B. Buche oder Eiche sind förderlich, da sie über ihre Wurzeln im Laufe der Zeit den Kohlenstoff in tiefere Bodenhorizonte einbringen. Hinzu kommt, dass die Streu von Laubbäumen durch ihre chemische Zusammensetzung leichter zersetzbar ist als die von Nadelbäumen (6). Dies trifft in besonderem Maße auf Erle, Ulme, Hainbuche und Esche zu. Laubbaumarten tragen i.d.R. nicht so stark zur Versauerung des Bodens bei wie Nadelbäume. Ein höherer pH-Wert verbessert die Versorgung der Pflanzen mit vielen Nährstoffen, beschleunigt Nährstoffumsatzprozesse (7) und schafft z.B. bessere Lebensbedingungen für Regenwürmer. Diese erfüllen wichtige Funktionen bei der Zersetzung und Verlagerung von organischem Material und somit auch bei der Stabilisierung von Kohlenstoff im Mineralboden.
 

4 Fazit und Handlungsoptionen für die Forstpraxis

Im Rahmen des Projektes wurden anhand der Untersuchungsergebnisse sowie bestehenden Wissens Handlungsoptionen für die Forstpraxis erarbeitet. So sollen waldbauliche Entscheidungen bezüglich ihres Einflusses auf die Biodiversität und die Kohlenstoffspeicherung eingeschätzt werden können. Insgesamt zeigt sich, dass nicht eine Maßnahme allein ausreicht, sondern auch die Unterschiedlichkeit von Waldbeständen und deren waldbauliche Behandlung für eine große Vielfalt an Lebensräumen und so auch für eine große Biodiversität sorgt. Folgende Empfehlungen können gegeben werden:

  • Erhaltung von mindestens zehn Biotopbäumen pro Hektar in Altbeständen
  • Totholzmenge auf mindestens 30 m3/ha erhöhen
  • verschiedene Totholztypen erhalten (z.B. stehend, liegend, besonnt, beschattet)
  • kleinflächige Eingriffe zur Schaffung von Lücken im Bestand
  • Erhöhung des Bestandesalters auf Teilflächen auch über die reguläre Umtriebszeit hinaus
  • natürliche Waldentwicklung ohne Holznutzung auf Teilflächen, beispielsweise ertragsschwachen Standorten
  • Gestaltung von gestuften Waldrändern
  • Verzicht auf Räumung auf Teilen von Kalamitätsflächen
  • Einbringung von Laubbäumen in nadelholzdominierte Bestände
  • Förderung von heimischen Lichtbaumarten
  • Verwendung von mindestens vier verschiedenen Baumarten bei der Wiederbewaldung, mit einem Schwerpunkt auf heimische Baumarten 
  • Befahrung des Waldbodens nur auf festgelegten Rückegassen bei geeigneten Bodenbedingungen 
  • Erhöhung des Gassenabstandes unter Berücksichtigung des bestehenden Rückegassennetzes
  • Einsatzmöglichkeiten von alternativen Holzrückemaßnahmen prüfen (z.B. Seilkräne oder Rückepferde)
  • Rückbau von Entwässerungsgräben zur Wiederherstellung des natürlichen Wasserhaushaltes
  • Verzicht auf flächige Bodenbearbeitung.


Weitere Informationen finden Sie auf der Projekthomepage: www.bico2.de

Literaturhinweise

(1) Wöllecke, J., Elmer, M., Hamer, U., Hölzel, N., Linnemann, B. (2023): BiCO2 Biodiversität und Kohlenstoffspeicherung in Wäldern. AFZ-Der Wald 21: 12-13.

(2) Kahl, T., Bauhus, J. (2014): An index of forest management intensity based on assessment of harvested tree volume, tree species composition and dead wood origin. Nature Conservation 7: 15–27.

(3) Bütler, R., Lachat, T., Krumm, F., Kraus, D., Larrieu, L. (2020): Habitatbäume kennen, schützen und fördern. Merkblatt für die Praxis 64. Birmensdorf: Eidg. Forschungsanstalt WSL. 

(4) Santora, L., Fornfeist, M., Wöllecke, J., Elmer, M. (2023): Einfluss der Waldbewirtschaftung auf die Strukturvielfalt. AFZ-Der Wald 21: 14-16.

(5) Meyer, M., Schaper, J., Santora, L., Wöllecke, J., Hölzel, N. (2023): Effekte der Waldbewirtschaftung auf die Biodiversität. AFZ-Der Wald 21: 24-27.

(6) Hamer, U., Klein-Raufhake, T., Meyer, M., Schaper, J., Rentemeister, K. (2023): Kohlenstoffspeicherung in Wäldern Nordrhein-Westfalens. AFZ-Der Wald 21: 21-23.

(7) Klein-Raufhake, T., Schaper, J., Hölzel, N., Hamer, U. (2023): Einfluss der Waldbewirtschaftung auf bodenökologische Prozesse. AFZ-Der Wald 21: 17-20.