Böden entwickeln sich in langen Zeiträumen aus dem Ausgangsgestein durch das Einwirken von Klima, Relief und Lebewesen (Bakterien, Pilze, Bodentiere, Pflanzen). In der Schweiz sind die meisten Böden rund 10’000 Jahre alt, denn ihre Entwicklung begann mit der Freilegung des Ausgangsgesteins nach dem Rückzug der Gletscher am Ende der letzten Eiszeit. Dank heterogener Geologie und Klima ist hier auf diese Weise eine grosse Vielfalt an unterschiedlichen Waldböden entstanden (Abb. 1). Waldböden gelten als naturnah, da die Nutzung der Wälder ohne die üblichen landwirtschaftlichen Kulturmassnahmen wie Bearbeitung, Düngung oder Bewässerung auskommt.
Multifunktionalität der Waldböden
Dank ihrer Porenstruktur, ihren Oberflächen aus mineralischen und organischen Bestandteilen und ihrer Interaktion mit Pflanzenwurzeln erfüllen unbelastete, intakte Waldböden zahlreiche wichtige Funktionen in bei der Regulierung von Wasser, Nährstoffen und Kohlenstoff («Regulierungsfunktion»), der Produktion von Holz («Produktionsfunktion») und als Lebensraum für unzählige Bodenorganismen («Lebensraumfunktion»). Diese Funktionen der Waldböden sind wichtige Faktoren für die Gewährleistung von Waldökosystemleistungen, seien dies Regulierungsleistungen wie Hochwasserschutz oder Versorgungsleistungen wie sauberes Trinkwasser.
Während solche Waldökosystemleistungen oft im Fokus stehen, werden kulturelle Leistungen von Wäldern häufig unterschätzt. So liefern Waldböden Früchte und Speisepilze zum Sammeln, beherbergen viele Bodenorganismen zum Beobachten und Erforschen, und tragen so zum Wohlbefinden und zur Wissenserweiterung der Menschen bei. Ebenfalls liefern Bodenmikroorganismen den typischen duftenden Waldbodengeruch. Es sind dies flüchtige und gasförmige Terpenverbindungen, sogenannte «Geosmine», welche von Aktinobakterien stammen und für den charakteristischen Geruch frischer Erde verantwortlich sind.
Beeinträchtigungen
In den letzten Jahrzehnten erfuhren Waldböden allerdings schleichende Veränderungen, Schwefel- und Stickstoffeinträge aus der Luft nahmen zu und veränderten langsam die Verhältnisse im Waldboden. Diese Einträge veränderten die chemische Zusammensetzung der Waldböden und führten an bestimmten Orten zu einer Beschleunigung der Bodenversauerung, die an und für sich ein natürlicher Prozess ist.
In stark versauerten Böden ist das Wurzelwachstum sensitiver Baumarten durch die Freisetzung von Aluminium eingeschränkt und die mikrobielle Aktivität ist verringert. Zum Glück, und wie im Waldbericht von 2015 festgehalten, sind die Schwefeleinträge in den letzten Jahren dank strengerer Vorschriften bei den Heizungsanlagen zurückgegangen. Die Stickstoffeinträge sind jedoch immer noch hoch, und die Gefahr von Nitratauswaschung, Nährstoffverlusten und Nährstoffungleichgewichten bleibt weiterhin bestehen (mehr dazu).
In den letzten Jahren kam jedoch der Klimawandel als neue Bedrohung hinzu. Erhöhte Temperaturen, Zunahme von Hitzetagen, längere Trockenperioden sowie veränderte Intensitäten und Häufigkeiten von Starkniederschlägen und Stürmen beeinflussten die Wälder zunehmend. Zu den wichtigsten Ereignissen in der jüngsten Zeit gehören die Trockenjahre 2015 und 2018 sowie das Sturmjahr 2018. Sterben zum Beispiel grosse Baumbestände nach starker Trockenheit ab, kommt dies einer potentiellen Gefährdung der Bodenfunktionen und der mit ihnen verbundenen Ökosystemleistungen gleich.
Wenn Baumwurzeln absterben oder Bäume umgerissen werden (Abb. 3), beeinflusst dies nachhaltig die Waldböden und deren Funktionalität. Durch die Zerstörung der Bodenstruktur gelangt vermehrt Sauerstoff in den Boden, wodurch Zersetzungsprozesse ausgelöst werden, die zum Abbau des im Waldboden gespeicherten Kohlenstoffs und letztendlich zur erhöhten Freisetzung von Kohlendioxid führen. Durch den Verlust von Humus wird auch die Speicherleistung für Wasser und Nährstoffe stark beeinträchtigt. Eine weitere negative Folge kann sein, dass durch absterbende Bäume die Stabilität eines Hanges schwindet, da der Waldboden nicht mehr durch ein intaktes Wurzelwerk zusammengehalten wird, was schliesslich an steilen Hängen zu Erosion führt. Und nicht nur dies: Das Absterben der Bäume kann seinerseits zum Klimawandel beitragen, indem durch die Zersetzung des absterbenden Pflanzenmaterials vermehrt Kohlendioxid an die Atmosphäre abgegeben wird.
Abb. 3: An der Lägern hat ein Sturm Bäume entwurzelt. Dies führt lokal zu einer zerstörten Bodenstruktur. Foto: Peter Waldner (WSL)
Erhalt und Förderung
Angesichts seiner Multifunktionalität und der langen Zeiträume, die es zu seiner Entstehung braucht, muss der Waldboden als eine nicht erneuerbare Ressource betrachtet werden. Im Forum für Wissen 2013 stand der «physikalische Bodenschutz bei der Holzernte» im Vordergrund, das heisst insbesondere die Gefahr der Bodenverdichtung durch intensive Holznutzung, und damit der Erhalt einer guten Bodenstruktur. Letztere ist für die Ausbildung des Porenraums wichtig, der, wie oben schon erwähnt, eine zentrale Rolle bei der Erfüllung vieler Bodenfunktionen spielt.
In Forum für Wissen 2022 wurde dieses Thema wieder aufgenommen, im Sinne einer Zwischenbilanz, inwieweit die entsprechenden Massnahmen aktuell umgesetzt werden. Inwieweit sind Forstwart-Lehrlinge und Forstpersonal durch gezielte Schulung und Aufklärung in Bezug auf bodenschonende Holzernte sensibilisiert? Werden zum Beispiel nach lang anhaltenden Niederschlägen bodenschonende Massnahmen wie das Reduzieren des Reifenfülldruckes oder das Auslegen von Reisigmatten in den Rückegassen angewendet (Abb. 4). Durch Beachten solcher Leitlinien kann der Forstdienst viel zum Erhalt der Bodenfunktionalität beitragen.
Eine Schlüsselrolle nimmt die organischen Bodensubstanz (Humus) ein, da sie für die meisten Eigenschaften und Funktionen der Waldböden mitverantwortlich ist. Der Erhaltung der organischen Bodensubstanz kommt deshalb bei der nachhaltigen Bewirtschaftung von Böden und deren Klimawirksamkeit eine besondere Bedeutung zu. Wichtige Themen sind in diesem Zusammenhang die Rolle des Waldbodens als Kohlenstoffspeicher, die Nährstoffnachhaltigkeit bei der Waldbewirtschaftung, die Überwachung der Wasserverfügbarkeit, die Folgen hoher Stickstoffeinträge, und die Rolle der Waldböden als Biodiversitäts-Hotspots.
Mit einer geeigneten Baumartenwahl kann der Forstdienst sogar eine Verbesserung der Funktionalität der Waldböden erreichen. Baumarten mit verdichtungstoleranten Wurzeln wie die Erle können die Regeneration von Bodenverdichtungen beschleunigen. Andere Baumarten wie der Ahorn haben eine gut abbaubare Streu und können so der Versauerung des Bodens entgegenwirken. Und wiederum andere Baumarten, wie die Tanne oder die Eiche bewirken mit ihrem tief reichenden Wurzelwerk einen umfassenderen Nährstoffkreislauf, wodurch sich Nährstoffverluste durch Auswaschung minimieren lassen.
Zukünftige Trends
2019 wurde das Schweizer Kompetenzzentrum für Boden (KOBO) gegründet. Betrieben wird es gemeinsam von den Bundesämtern für Raumentwicklung (ARE), Umwelt (BAFU) und Landwirtschaft (BLW). Das KOBO ist eine nationale Servicestelle für Bund und Kantone und soll diese im Bodenschutzvollzug und bei der nachhaltigen Nutzung der Ressource Boden unterstützen.
Das Kompetenzzentrum koordiniert und standardisiert dazu Methoden und Instrumente für die Erhebung, Bewertung und Bereitstellung von Bodeninformationen in der Schweiz. Insbesondere werden im KOBO altbewährte mit neuen Methoden verknüpft. So sollen neue digitale Werkzeuge wie die Auswertung von Fernerkundungsdaten, spektroskopische Messmethoden für Bodeneigenschaften oder eine computergestützte Stichprobenplanung das Erheben und Auswerten von Bodeninformationen unterstützen.
Mit Hilfe von maschinellen Lern- Algorithmen sind wir seit Kurzem in der Lage, räumlich hochaufgelöste digitale Karten von Bodeneigenschaften für den ganzen Schweizer Wald zu erstellen, zum Beispiel eine Vorhersage des pH-Wertes in 5 bis 15 cm Bodentiefe (Abb. 5). Um aber Bodeninformationen als Planungshilfe für Vollzugsbehörden und forstliche Entscheidungsträger nutzbar zu machen, muss ein finaler Schritt von der Kartierung einzelner Bodeneigenschaften zur Bewertung und Kartierung von Bodenfunktionen gemacht werden. Beispiele sind Karten des Wasserretentions- oder des Säurepuffervermögens, wie sie das Bayerische Landesamt für Umwelt herausgibt.
Während aktuell für die landwirtschaftliche und urbane Raumplanung in der Schweiz erste solche Karten entstehen, fehlen sie für den Schweizer Wald gänzlich. In einem ersten Schritt werden aus Bodeneigenschaften Indikatoren für Bodenfunktionen und Ökosystemleistungen abgeleitet. In einem zweiten Schritt können dann Karten dieser Indikatoren aus den Bodeneigenschaftskarten abgeleitet oder mit den gleichen Methoden wie die Karten der Eigenschaften erstellt werden.
Einen aktuellen Trend gibt es auch in der Bodenbiologie, wo Auswertungstools und ökologische Modellierungen von Bodenlebensgemeinschaften erarbeitet werden. Zusammen genommen sind die neuen Werkzeuge wichtig, um die Bodenfunktionen in der Landnutzungsplanung adäquat zu berücksichtigen und so die vom Bundesrat 2020 erarbeitete «Bodenstrategie Schweiz – für einen nachhaltigen Umgang mit dem Boden» erfolgreich umzusetzen.
(TR)