Waldböden sind im Gegensatz zu vielen landwirtschaftlich genutzten Böden weitgehend ungestört und natürlich aufgebaut, da sie weder gepflügt noch gedüngt werden. Ihre charakteristischen Bodenmerkmale erlauben einerseits Rückschlüsse auf die abgelaufenen Prozesse der Bodenbildung, und andererseits geben Bodenmerkmale wichtige Hinweise auf Eigenschaften von Waldböden und die Funktionen, welche die Böden erbringen. Dadurch kann der Boden, auf dem forstwirtschaftlich gearbeitet wird, eingeordnet und interpretiert werden (Abb. 1).
Entstehung von Waldböden
Die Entwicklung eines Waldbodens benötigt viel Zeit (Abb. 2). Die meisten Waldböden im Schweizer Mittelland entwickeln sich seit rund 10- bis 12-tausend Jahren, dem Ende der letzten Eiszeit. Auf Felsen, Moränenmaterial oder Flussschottern wirkten nach dem Rückzug der letzten Gletscher sowohl physikalische als auch chemische und biologische Prozesse, die das Gestein zerkleinerten und die mineralischen Partikel teilweise auflösten und umgestalteten. Erste Pflanzen konnten sich ansiedeln. Diese Bodenbildungsprozesse sind seit dem Gletscherrückzug bis heute wirksam. Durch das natürlicherweise leicht saure Regenwasser und die von Wurzeln abgegeben Säuren verwittert das Muttergestein und Mineralien werden aufgelöst. Aus den Lösungsprodukten bilden sich neue Mineralien sowie Tone und Eisen- und Aluminiumoxide. Je nach Verfügbarkeit des Wassers und Durchlässigkeit des Substrats werden die Stoffe im Boden in die Tiefe verlagert. Sobald sich auf einem sehr jungen Boden Vegetation entwickelt, fällt abgestorbenes Pflanzenmaterial an, das durch biologische Prozesse abgebaut wird. Ein Teil des Pflanzenmaterials wird nur unvollständig abgebaut und neu zu Humus aufgebaut (siehe Der Waldboden lebt – Vielfalt und Funktion der Bodenlebewesen).
Abb. 2. Entstehung eines Waldbodens.
- Die Bodenbildung beginnt an der Oberfläche und schreitet im Laufe der Zeit in die Tiefe fort.
- Festes Gestein zerfällt und es entstehen Klüfte und Spalten.
- Moose und Flechten siedeln sich an.
- Es entwickelt sich allmählich eine Humusschicht, auf der mit der Zeit anspruchsvollere Pflanzen wachsen.
- Bodenbildungsprozesse wandeln das Gestein mehr und mehr zu lockerer Erde um, in der schliesslich Sträucher und Bäume wurzeln und überleben können.
- Die Vegetationsdecke schützt den einmal entstandenen Boden vor Erosion durch Wind und Regen. Die Pflanzen liefern nun reichlich organisches Material, welches zu Humus umgebildet wird und so zu einer Bodenverbesserung führt.
Bodenbildungsfaktoren
Bei der Bodenbildung (Pedogenese) entwickeln sich die Böden je nach Einfluss der verschiedenen Bodenbildungsfaktoren sehr unterschiedlich. Grundsätzlich unterscheidet man fünf Faktoren, die für die Bodenbildung verantwortlich sind (Tab. 1).
Geologie: | Ausgangsgestein (z.B. Kalke, Granite, Gneise, Mischgesteine) |
Klima: | Niederschlag (feucht, trocken), Temperatur (kalt, warm) |
Relief: | Exposition (Nord, Süd), Neigung, Geländeform (Ebene, Hanglage, Kuppe, Mulde) |
Organismen: | Pflanzen, Tiere, menschliche Tätigkeit |
Zeit: | Zeit, die ein Boden zur Verfügung hat, um sich zu entwickeln (z.B. vom Ende der letzten Vergletscherung bis heute oder nach Erosionsvorgängen bzw. Flussablagerungen) |
Bodenbildungsprozesse
Böden entstehen in der Regel sehr langsam und über mehrere tausend Jahre. Die Bodenbildung ist nie ganz abgeschlossen, weil Bodenbildungsprozesse (Tab. 2) die Böden stetig verändern.
Humusbildung: | Zersetzung von totem organischen Material und Umwandlung zu Humus unter Mitwirkung von Bodenlebewesen |
Verwitterung: | Physikalische Zersetzung des Ausgangsgesteins in kleinere Bestandteile (Gesteinspartikel, Sand, Schluff, Ton und Mineralien) und chemische Zersetzung der festen Bestandteile |
Mineralneubildung: | Neuaufbau von Mineralien aus den Zersetzungsprodukten |
Gefügebildung: | Zusammenschluss von Bodenteilchen durch Aggregation (z.B. Verklebung der Bodenpartikel im Darm der Regenwürmer) und durch Schrumpfen und Quellen von tonhaltigem Material, und dadurch Bildung von vernetzten Hohlraumsystemen mit Poren unterschiedlicher Grösse |
Verlagerung: | Verlagerung von Tonmineralien, Humus oder Eisen aus dem Oberboden in tiefere Bodenschichten |
Die an einem Waldstandort wirksamen Bodenbildungsfaktoren und -prozesse lassen als Resultat der Bodenbildung jeweils einen standortstypischen Boden entstehen, der durch verschiedene Tiefenbereiche (Horizonte) mit spezifischen Merkmalen und Eigenschaften charakterisiert ist.
Bodenmerkmale und -eigenschaften
Der Boden ist «fast» wie ein Buch, aus dem viel herausgelesen werden kann. Beim «Lesen» des Bodens (sogenannte Bodenansprache), werden die charakteristischen Bodenmerkmale (Tab. 3) an der Stirnseite eines ausgehobenen Bodenprofils bestimmt. Diese Bodenmerkmale lassen Rückschlüsse auf Prozesse der Bodenbildung zu und weisen auf standortskundlich relevante Bodeneigenschaften wie Wasser-, Luft- und Nährstoffhaushalt hin.
Bodenfarbe: | Charakterisierung der Farbtöne der Feinerde mittels Farbtafeln; dient zur Identifikation und Abgrenzung der Horizonte, zur Abschätzung des Humusgehaltes sowie zur Erkennung von Hydromorphie |
Bodenart (Textur): | Schätzung der Korngrössenverteilung der mineralischen Feinerde (<2 mm) mittels Fühlprobe (Sand 2,0–0,05 mm, Schluff 0,05–0,002 mm, Ton <0,002 mm) |
Bodengefüge (Struktur): | Visuelle Erfassung: Einzelkorngefüge (unstrukturiert, Bodenteilchen liegen lose nebeneinander, z.B. Sandkörner), Kohärentgefüge (unstrukturiert, kompakte Masse), Aggregatgefüge (strukturiert, lockere teils stabile Gruppierung der Bodenteilchen, z.B. Krümel) |
Skelettgehalt: | Visuelle Erfassung: Volumenanteil und Grössenverteilung der Steine (Partikel >2 mm) |
Bodendichte: | Bestimmung des Widerstands beim Einstechen eines Messers in die Profilwand; je dichter desto grösser der Eindringwiderstand |
Vernässungsmerkmale: | Visuelle Erfassung der Vernässungsmerkmale: Mangankonkretionen (schwarze Punkte), Rostflecken, Marmorierungen (Fahl-Rot-Färbung), Reduktionsfarben (grau oder blau; Abb. 3) |
Porenraum: | Visuelle Erfassung der Porosität (Durchlüftung des Bodens): Anzahl der Poren und der Hohlräume |
Säuregrad: | Bestimmung des pH-Wertes mit Indikatorlösung und pH-abhängigem Farbumschlag (pH-Hellige); Bestimmung des Kalkgehalts von Feinerde und Gestein (Schäumungs-Test mit 10%iger Salzsäure) |
Durchwurzelung: | Visuelle Erfassung der Anzahl Wurzeln, getrennt nach drei Durchmesserklassen (Feinwurzeln <2 mm, Grobwurzeln 2–5 mm, Starkwurzeln >5 mm) |
Das kleine Boden-ABC
Je nach Boden verändert sich mit der Tiefe das Aussehen und damit die Bodenmerkmale mehr oder weniger deutlich. In der Bodenklassierung werden solche unterschiedliche Schichten mit spezifischen Merkmalskombinationen zu genetischen Horizonten klassiert. Die Klassierung der Bodenhorizonte unterscheidet zwischen organischen Auflagehorizonten und mineralischen Bodenhorizonten (Abb. 4).
Die Auflage- und Mineralerde-Horizonte werden je nach Merkmalskombinationen einem bestimmten Horizont zugeteilt und mit einem Buchstaben gekennzeichnet: L, F, H sind Auflagehorizonte, A, B, C sind mineralische Horizonte. Je nach Bedingungen des Standortes (Geologie, Klima, Relief, Organismen, Entwicklungszustand) können weitere mineralische Bodenhorizonte vorhanden sein (Tab. 4).
A | Humushaltiger nährstoffreicher mineralischer Oberbodenhorizont. Ah: Stark humushaltiger, gut strukturierter Oberboden (oft mit Krümelgefüge) Aa: Unter Wassereinfluss an der Oberfläche entstanden, meist ohne erkennbares Gefüge, zum Teil mit Vernässungsmerkmalen, anmoorig |
E | Eluvial-Horizont: Durch Auswaschung gebleichter heller Horizont, Verlagerung von Eisen und organischer Substanz (Podsolierung). El: Durch Tonverlagerung (Lessivierung) entstandener Auswaschungshorizont, tonverarmt, über einem tonangereicherten Horizont (Bt) liegend. Meist heller als der Bt-Horizont |
B | Mineralerdeverwitterungshorizont (Unterboden) braun bis braunrot gefärbt. Veränderung der Farbe und des Stoffgehaltes im Vergleich zum Ausgangsgestein durch Verwitterung und/oder Tonneubildung. Bt: Durch Einwaschung mit Ton angereicherter Unterboden: Der Ton stammt vom darüber liegenden El-Horizont, der Tongehalt ist mindestens 3–5% grösser als im El-Horizont. Bh: Durch Verlagerung mit Humusstoffen angereicherter Unterboden: Die Humusstoffe stammen vom darüber liegenden E-Horizont. Bs: Durch Verlagerung von Eisenoxiden bzw. Sesquioxiden angereicherter Unterboden: Die Oxide stammen vom darüber liegenden E-Horizont. |
S | Stauwasser-Horizont: periodisch durch Stauwasser beeinflusster Horizont, mit gehemmter Wasserdurchlässigkeit. Sw: Stauwasser leitender Horizont, grössere Wasserdurchlässigkeit als der darunter liegende Sd-Horizont Sd: Dichter, Wasser stauender Horizont |
G | Durch Grund- oder Hangwasser beeinflusster Horizont. Go: Entstanden unter oxidierenden Verhältnissen. Mit Rostflecken im Schwankungsbereich eines Grund- oder Hangwasserspiegels. Gr: Entstanden unter reduzierenden Verhältnissen. Nahezu ständig wassergesättigter Horizont (grau-blaue Färbung). |
C | Ausgangsgestein (Lockergestein) oft angewittert, von der Bodenbildung noch nicht stark beeinflusst. |
R | Fels: Unverwittertes Ausgangsgestein |
Die Abfolge der Bodenhorizonte (A, B, C, usw.) ergibt den Bodentyp. Die folgenden Fotos zeigen das Aussehen häufiger Bodentypen im Wald der Schweiz (Abb. 5).
Die WSL führt eine umfassende Datenbank der Schweizer Waldböden. In ihrem Bodenarchiv lagern gegen 60’000 Bodenproben. Eine Fotogalerie zeigt Bodenprofil-Bildern aus Regionen der ganzen Schweiz.
Wie der Bodentyp ist die Humusform das Spiegelbild der an einem Waldstandort wirkenden Bodenbildungsfaktoren und hängt damit auch vom Waldbestand und seiner Bewirtschaftung ab. Im Schweizer Wald bilden sich in normal durchlässigen Böden die typischen Humusformen Mull, Moder oder Rohhumus. An Standorten mit langanhaltenden Vernässungsphasen und oft anaeroben Verhältnissen bis an die Oberfläche bilden sich die Nasshumusformen Anmoor und Torf (anaerob = ungenügende Versorgung mit Sauerstoff). Die Humusformen setzen sich aus dem Oberboden und den dazugehörenden organischen Auflagehorizonten zusammen (Abb. 6).
Der Humusformen-Schlüssel (Abb. 7) erlaubt eine schematische und rasche Bestimmung der Humusform von Waldböden.
Abb. 7. Humusformen-Schlüssel zur vereinfachten Bestimmung der Humusform von Waldböden. L: Streu-Horizont (deutlich erkennbare Pflanzenreste), F: Fermentations-Horizont (mehrjährige, fermentierte, teilweise zersetzte Streu, Pflanzenrückstände z.T. noch erkennbar), H: Humusstoff-Horizont (humifiziertes, rein organisches Material, Herkunft der Pflanzenrückstände nicht mehr erkennbar), A: humoser, mineralischer Oberboden, Aa: stark humoser, mineralischer Oberboden (anmoorig, meist nass, strukturlos), Ah: humoser mineralischer Oberboden (meist krümelig).
Entwicklung und Verbreitung der Waldböden
In der Schweiz mit ihren vielfältigen Geländeformen und geologischen Formationen haben sich auf engstem Raum unterschiedliche Waldbodentypen entwickelt. Je nach Kombination der Bodenbildungsfaktoren entsteht als Resultat der Bodenbildung entweder ein Rohboden (A-C), ein entwickelter Boden (A-B-C) oder ein durch Wasser beeinflusster Boden (A-G, A-S) (Abb. 8).
Rohböden sind kaum entwickelt und werden in Abhängigkeit des Ausgangsgesteins unterschiedlich benannt. Bei kalkfreien Ausgangsgesteinen wird der Rohboden als Ranker, auf Mischgesteinen als Regosol und auf kalkhaltigen Ausgangsgesteinen als Rendzina bezeichnet. Rohböden (Abb. 9, grau) findet man in der Schweiz vor allem in den Alpen und im Juragebirge, Nassböden (hellblau, dunkelblau) am Alpennordhang und in Senken des Mittellandes. Podsole (rot) bilden sich vorzugsweise in den Alpen.
Funktionen von Waldböden
Wichtige Kriterien, die zur Bewertung eines Waldbodens beigezogen werden, sind die Regulation des Nährstoff- und Wasserhaushalts, Filter- und Pufferfunktionen, sowie die Lebensraumfunktion für Bodenlebewesen (vergleiche auch Der Waldboden lebt – Vielfalt und Funktion der Bodenlebewesen). Die Ressource Boden ist eine wichtige Lebensgrundlage und in menschlichen Zeitmassstäben nicht erneuerbar (BAFU 2017). Unsere Waldböden sind jedoch vielfältigen Belastungen ausgesetzt, wodurch ihre natürliche Funktionsfähigkeit gefährdet wird. Die Spannweite der Belastungen reicht von Verdichtung (siehe Merkblatt «Physikalischer Bodenschutz im Wald – Bodenschutz beim Einsatz von Forstmaschinen») über Versauerung durch übermässige Stickstoffeinträge bis zur Belastung mit Schwermetallen.
Literatur
Eine ausführlichere Beschreibung der verschiedenen Bodenhorizonte, Bodentypen, Humusformen und Funktionen der Waldböden sowie weitere Literaturhinweise finden sich im Originalartikel (PDF).
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