Das intensiv ausgebaute Verkehrsnetz, der steigende Fahrzeugbestand und die steigende Gesamtfahrleistung führen zu einer stetigen Zunahme der Lebensraumzerschneidung [8, 7]. Damit erhöht sich auch das Risiko von Wildunfällen, die sich seit Jahren auf kontinuierlich hohem Niveau bewegen [2]. Um der enormen Zahl an Wildunfällen mit Präventionsmaßnahmen effizient begegnen zu können, ist das Wissen über die Lage und Verteilung der Wildunfälle zwingend notwendig! Allerdings werden Wildunfälle bisher weder vollständig flächendeckend noch nach einem einheitlichen System erhoben. 

In einer Analyse des Unfallgeschehens mit Daten der amtlichen Unfallstatistik auf Landesstraßen wird der Anteil von Unfällen mit Hindernissen auf der Fahrbahn (darunter fallen auch alle Wildunfälle) mit lediglich 1% angegeben [4]. Die Dunkelziffer der nicht erfassten Unfälle gilt daher als sehr hoch. Diese wird vom Deutschen Jagdverband auf 1 Mio. pro Jahr geschätzt, während im Rahmen einer portugiesischen Studie die Autoren [3] von 3 Mio. Wildtieren sprechen, die in Deutschland jedes Jahr durch Straßenverkehr getötet werden.

Dokumentation eines Wildunfalles

Bisher werden Wildunfälle auf verschiedenen Wegen und in der Regel nur von betroffenen Personen gemeldet. Zum einen sind es Personen, die den Schaden am Fahrzeug von ihrer Kraftfahrzeugversicherung erstattet haben möchten und die zum Unfall hinzu gerufene Polizei, zum anderen dokumentieren Jägerinnen und Jäger oder auch Revierleitende Wildunfälle in ihrer Streckenliste. Liegt bei einem Wildunfall z.B. keine Kaskoversicherung vor, sind nur kleinere Bagatellschäden am Fahrzeug entstanden oder liegt eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit vor, z.B. Trunkenheit am Steuer, kamen bisher Wildunfälle bei der Polizei in Baden-Württemberg nicht oder nur selten zur Meldung. Folglich wurde nur ein Bruchteil der Wildunfälle dokumentiert als sich tatsächlich ereigneten [1]. In den jagdlichen Streckenlisten wurden zwar Wildunfälle dokumentiert, allerdings ohne Angabe von Koordinaten. Ein weiterer Dokumentationsweg, das Tierfundkataster, ermöglicht zwar die exakte Aufnahme eines Wildunfalls, jedoch basiert das System auf freiwilliger Eingabe.

Auch die Meldewege sind unterschiedlich: Ortsansässige wenden sich häufig direkt an den Jagdpächter oder Jagdpächterin bzw. Revierleitende, ohne dass die Polizei informiert wird. In anderen Fällen wird die Polizei oder die Gemeinde benachrichtigt, aber nicht die Jägerin oder der Jäger. Aus den unterschiedlichen Dokumentationswegen resultieren für einen bestimmten Streckenabschnitt folglich meist unterschiedliche Wildunfallzahlen an verschiedenen Stellen. Selten können alle gemeldeten Wildunfälle eines Jahres, beziehungsweise eines Jagdjahres in einer Statistik zusammengeführt werden.

Jagdliches Wildtierportal vs. Polizeiliches Euska-System

Mit der Einführung des Wildtierportals zum 1. April 2023 in Baden-Württemberg bei der Obersten Jagdbehörde erfolgt nun erstmals verpflichtend die Dokumentation von Wildunfällen direkt in ein zentrales Online-Portal mit genauen Angaben zur Lage, Tierart, Uhrzeit und Datum (www.wildtierportal-bw.de). Gleichzeitig dokumentieren die Polizeidienststellen seit dem 28. April 2021 erstmalig auch Wildunfälle mit reinen Sachschäden ohne Personenschäden (Kategorie 5) im polizeiinternen Euska-System (Elektronische Unfalltypensteckkarte). Mit dieser Umstellung liegen für Baden-Württemberg erstmals flächig Wildunfalldaten mit geographischer Verortung und lagegenauer Kenntnis vor. 

Die Wildunfalldaten sind damit aber getrennt in zwei unabhängigen Systemen gespeichert. Alle Wildunfälle, die sich im Jagdrevier ereignen, also auch jene, die durch die Polizei aufgenommen wurden, müssen als Fallwild in der Jagdstatistik erscheinen. Daher muss damit gerechnet werden, dass alle polizeilich aufgenommen Wildunfälle auch in der Jagdstatistik vertreten sind. Ein örtlicher und zeitlicher Abgleich der jagdlich sowie polizeilich aufgenommen Wildunfalldaten des Jagdjahres 2022/2023 spiegeln diese Konsequenz jedoch nicht wieder. Kein polizeilich aufgenommener Wildunfall hat ein jagdlich aufgenommenes Pendant, dass sich mit der gleichen Tierart, in einem 50 m Radius um und innerhalb von zwei Stunden vor oder nach dem polizeilich aufgenommenen Wildunfall ereignet hat. Zukünftig wird sich zeigen, wie sich dieser Trend weiter entwickelt und in wie weit sich die beiden Systeme in der Genauigkeit der Daten angleichen.

Seit der Einführung der Dokumentation von Wildunfällen mit reinen Sachschäden bei der Polizei im April 2021 bewegt sich die Höhe der jährlich polizeilich aufgenommenen Wildunfälle bei durchschnittlich 21.000, im Wildtierportal bei 24.000 Wildunfällen. Das Rehwild ist in beiden Erfassungssystemen am häufigsten von Wildunfällen betroffen, gefolgt vom Rotfuchs und Dachs/Schwarzwild.

Mit den Polizeidaten konnten die Wildunfallstrecken mit besonders hohen Wildunfallzahlen für Baden-Württemberg herausgearbeitet werden (Abb. 4). Diese sind auf der Homepage der FVA als dynamische Karte dargestellt.

Schon jetzt tragen die im Wildtierportal vermerkten Wildunfalldaten zu einer erheblich verbesserten wissenschaftlichen Einschätzung bei. Damit können nicht nur Jahresverläufe der Wildunfälle abgebildet werden, sondern mit der fachlichen Expertise der Jägerinnen und Jäger ist es nun möglich, z.B. den Jahresverlauf getrennt für Tierarten und deren Alter und Geschlecht abzubilden (Abb. 5). Hier werden schon lange vermutete Zusammenhänge aufgezeigt, wie z.B, dass das Wildunfallgeschehen von Rehen dem Reproduktionszyklus folgt und Rehe aufgrund unterschiedlichen Geschlechts und Alters im Jahresverlauf abwechselnd stark von Wildunfällen betroffen sind.

Mit der georeferenzierten Angabe des Wildunfallstandorts kann zudem das Ziel weiterverfolgt werden, Wildunfallpräventionsmaßnahmen effektiver zu gestalten. Auf Basis der Informationen wann, wie viele und vor allem welche Tierarten in Wildunfallhäufungen verwickelt sind, können Empfehlungen zu Präventionsmaßnahmen spezifischer ausgearbeitet und für die betroffenen Straßenabschnitte individualisiert werden. Dabei ist es unerlässlich, ein möglichst vollständiges Bild der Wildunfallsituation zu haben. So zeigt das Beispiel am Landkreis Böblingen, dass die Straßen mit Wildunfallhäufungen, die von der Polizei, beziehungsweise der Jägerschaft dokumentiert wurden, sehr stark voneinander abweichen (Abb. 6). Eine Detailansicht zeigt dies für einen kleinen Ausschnitt des Landkreises, in dem wenige Wildunfälle von der Polizei aufgenommen wurden. Bei ausschließlicher Nutzung der polizeilich aufgenommenen Wildunfälle wäre hier keine auffällige Wildunfallsituation sichtbar.

Fazit

In der Wildunfallanalyse ist es unabdingbar, die genaue Lage von einem Wildunfall zu wissen, um stark betroffene Straßen identifizieren zu können und mit (sinnvollen) Präventionsmaßnahmen auszustatten. Wichtig wäre, die Kommunikation zwischen Polizei und Jägerschaft bei einem Wildunfall zukünftig zu verbessern. Jägerinnen und Jäger sollten immer zu einem Wildunfall in ihrem Revier informiert werden. Ein Pilotprojekt mit den Testpolizeipräsidien Ravensburg und Reutlingen ermöglichte bis Ende September 2024 der Polizei Einsicht in das Wildtierportal, in dem sie bei einem Wildunfall die Kontaktdaten für die jagdliche Ansprechperson abfragen konnten. Die Rückmeldung war durchweg positiv. Gleichzeitig sollten die Wildunfälle so genau wie möglich mit Lage, Datum und Uhrzeit sowohl bei der Polizei als auch bei der Jägerschaft dokumentiert werden. Eine Zukunftsvision wäre die Dokumentation der Wildunfälle in einer gemeinsamen Datenbank, die sowohl von der Polizei als auch Jägerschaft bedient wird. Dies würde zu einer erheblichen Vereinfachung der Arbeit für Polizei und Jägerschaft, sowie einer enormen Verbesserung der Datengrundlage der Wildunfallsituation in Baden-Württemberg beitragen.