Im reich strukturierten Nadelwald zuhause
- Auf der Landschaftsebene sind der Waldanteil und die Vernetzung der Waldflächen entscheidend.
- Das Bestandesmosaik sollte so beschaffen sein, dass die Waldbestände mit hoher Habitatqualität möglichst gross, nah beieinander und gut vernetzt sind.
- Im einzelnen Waldbestand sind zahlreiche Faktoren für die Habitatqualität verantwortlich. Von grösster Bedeutung sind die Baumartenzusammensetzung (nadelholzreich), der Deckungsgrad (idealerweise zwischen 40 und 70 %) und ein hoher Anteil an Grenzlinien. Solche idealen Bestände bieten sowohl ausreichend Deckung als auch genügend Nahrung.
Bestände auf Talfahrt
Abb. 2 - Typischer Lebensraum des Auerhuhns in den Voralpen: offener, reich strukturierter Nadelwaldbestand. Foto: Kurt Bollmann (WSL)
Nach einem Bestandeshoch zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben die Auerhuhnpopulationen in Mitteleuropa in fast allen Regionen abgenommen. In der Schweiz hat sich der Bestand allein zwischen 1968/71 und 2001 etwa halbiert und wird heute auf etwa 450 bis 500 territoriale Hähne geschätzt. Entsprechend ist das Auerhuhn eine stark gefährdete Brutvogelart der Schweiz und eine prioritäre Vogelart für Artenförderungsprogramme. Für den Rückgang der Auerhuhnpopulationen werden verschiedene Faktoren verantwortlich gemacht, insbesondere aber der Verlust und die Fragmentierung des Lebensraums.
Rückgang an geeignetem Lebensraum auf der Schwägalp
Der Rückgang des Auerhuhnbestandes und des besiedelten Gebietes ist auch in der Ostschweiz zu beobachten. Auch in dieser Region gelten der Verlust und die Fragmentierung des Lebensraums als Hauptursachen für den Rückgang. Dieser mögliche Einfluss wurde bislang aber noch nicht untersucht. Im Rahmen einer Fallstudie im Gebiet Kreisalpen/Schwägalp, der Landschaft nördlich des Säntis, wurden darum die Veränderungen von auerhuhnrelevanten Landschafts- und Waldfaktoren während dem 20. Jahrhundert analysiert.
Die Veränderungen der Landschafts- und Waldfaktoren wurden mit Luftbildern von 1930, 1960 und 1999 quantifiziert. Mit den Resultaten von 1999 und einem statistischen Modell wurde anschliessend untersucht, welche Lebensraumfaktoren die aktuelle Verbreitung des Auerhuhns im Untersuchungsgebiet bestimmen. In diesem Modell erklären der Deckungsgrad, die Variabilität des Deckungsgrades und die Hangneigung die Verbreitung des Auerhuhns im Untersuchungsgebiet am besten:
Waldbestände mit einem Deckungsgrad von 40-70% bieten den Auerhühnern bezüglich Nahrung und Deckung ideale Habitate. Hier sind Einzelbäume und Baumgruppen mit tiefen Kronenansätzen und starken Ästen sowie eine durchgehende, üppige Bodenvegetation überdurchschnittlich vertreten. Die Variabilität des Deckungsgrades kann als Mass für die Strukturvielfalt einer Waldfläche interpretiert werden. In einer strukturreichen Fläche kann das Auerhuhn seine Bedürfnisse nach Nahrung und Deckung auf kleinstem Raum befriedigen. Das Auerhuhn besiedelt vor allem ebene und schwach geneigte Flächen. Dafür dürften die beschränkte Begehbarkeit steiler Lagen und das seltenere Vorkommen der Heidelbeere gegenüber Bergrücken und Hangkanten verantwortlich sein.
Das statistische Modell wurde anschliessend verwendet, um die Entwicklung des geeigneten Lebensraums zwischen 1930 und 1999 zu quantifizieren. Danach hat die geeignete Habitatfläche in diesem Zeitraum trotz Zunahme der Waldfläche (+7%) leicht abgenommen (−5%) (Abb. 3).
Abb. 3 - Zeitliche Entwicklung der geeigneten und nicht geeigneten Habitatflächen im Untersuchungsgebiet
Auerhuhnschutz durch Lebensraumförderung
Die geringfügige Abnahme der geeigneten Habitatfläche auf der Schwägalp zwischen 1930 und 1999 kann den starken Rückgang der Auerhuhnpopulation in diesem Zeitraum nicht erklären. Weitere Faktoren, welche in der Untersuchung nicht berücksichtigt wurden, müssen sich ebenfalls negativ auf die Population ausgewirkt haben. Vermutlich ist im Gebiet der Schwägalp eine Kombination folgender drei Faktoren für den Rückgang der Auerhuhnpopulation verantwortlich:
- Habitatverlust und -verschlechterung
- menschliche Störungen
- Einfluss von Beutegreifern
Um das langfristige Überleben der Auerhuhnpopulation auf der Schwägalp sicherzustellen, müssen neben dem aktuellen Kernlebensraum weitere Waldflächen durch das Auerhuhn dauerhaft besiedelt werden. Um dies zu ermöglichen, sind intensive Bestrebungen zur Förderung des Auerhuhnbestandes notwendig. Dazu gehören Massnahmen, welche auf die Qualität des besiedelten Lebensraumes abzielen wie beispielsweise die Erhaltung und Förderung von lückigen Waldstrukturen. Der vermutete Einfluss von Störungen und Prädation sollte genauer geprüft werden. Falls sich dieser Einfluss bestätigt, sind auch Massnahmen zur Begrenzung dieser Faktoren zu treffen. Wegegebote machen in jedem Fall Sinn, weil damit der Einfluss der Störungen für viele empfindliche Arten reduziert und gelenkt werden kann.
Die vom Auerhuhn genutzten Gebiete sollten vor allem während der Balz- und Brutzeit, sowie im Winter vor Störungen geschützt werden. Die erlassenen Wegegebote im Gebiet der Schwägalp sind daher sehr zu begrüssen.