Die Europäische Wildkatze (Felis silvestris silvestris) ist in Färbung und Körpergröße unserer Hauskatze sehr ähnlich. Allerdings entwickelte sich die Wildkatze, die seit mindestens 300.000 Jahren in den Wäldern Mitteleuropas lebt, niemals zu einer Haustierrasse. Auch wurde die Art niemals kommerziell als Pelzlieferant genutzt. Dennoch hat der Mensch die Population in Deutschland stark beeinflusst.
Die vier bis fünf Kilogramm schweren Wildtiere ernähren sich hauptsächlich von Mäusen, dennoch lastete ihnen ein negatives Image an. Fürsten und andere Grundherren zahlten teilweise Schussgelder für die Erlegung von Wildkatzen. Die Wildkatze verschwand schließlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus Bayern. Aus dem Bayerischen Wald ist die letzte Erlegung aus dem Jahr 1914 bekannt.
Die Rückkehr der Wildkatze nach Bayern
Gegenwärtig existieren in Deutschland zwei weitgehend isolierte Schwerpunktvorkommen der Wildkatze. Die größte Teilpopulation lebt in den bewaldeten Mittelgebirgsregionen (Rheinland-Pfalz, Saarland, Nordrhein-Westfalen und Hessen) und hat Anschluss an das letzte größere Vorkommen in Mitteleuropa. Der zweite Verbreitungsschwerpunkt befindet sich in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Der deutsche Gesamtbestand wird derzeit auf etwa 3.000 Tiere geschätzt.
Die Rückkehr der Wildkatze nach Bayern ist ein langwieriger Prozess. Sie verursacht zwar keine Konflikte mit Landnutzern oder der Bevölkerung, da sie weder für den Menschen noch für Haustiere oder Schalenwild eine Bedrohung darstellt, doch ihr großer Raumanspruch und ihre ausgedehnten Wanderungen erschweren die dauerhafte Etablierung und die Ausbreitung in unserer dicht besiedelten Kulturlandschaft. Wildkatzen haben einen verhältnismäßig großen Aktionsraum, der zwischen 200 und 1.000, manchmal sogar bis zu 5.000 Hektar umfasst. Weite Strecken legen vor allem junge Wildkatzen auf der Suche nach einem eigenen Revier oder Wildkatzen, die sich in der Ranzzeit auf Partnersuche begeben, zurück. Dabei werden ihnen oft die Überquerungsversuche von Straßen zum Verhängnis.
Wussten Sie schon... ?
- Wildkatzen schwimmen recht gut und jagen mit Vorliebe die an Gewässern lebende Schermaus.
- Wildkatzen sind Einzelgänger, sie beanspruchen ihr Revier ganz für sich allein.
- Wildkatzen nutzen Duftstoffe zur Reviermarkierung, Verständigung und Erkennung von Artgenossen – sie kommunizieren fast ausschließlich über den Geruchssinn.
- Nur Hauskatzen bzw. Wohnungskatzen halten beim Gehen ihren Schwanz in die Luft – Wildkatzen nie.
Wildkatzen für den Spessart
Die "bayerischen" Wildkatzen stammen zum größten Teil aus dem Zucht- und Auswilderungsprogramm des Bund Naturschutz e.V. (BN). Zwischen 1984 und 2008 wurden knapp 600 Wildkatzen im Spessart, im Steigerwald, im Vorderen Bayerischen Wald und in den Haßbergen ausgewildert.
Doch bis heute sind der Populationsstatus der Wildkatze in Bayern und der Erfolg der Wiederansiedlung nicht völlig geklärt. In einem ersten wesentlichen Schritt zur Erfassung und Bewertung der Situation wurde 2001 das "Artenhilfsprogramm Wildkatze" gegründet und eine landesweite Fragebogenaktion gestartet. Zwar bietet eine solche Erhebung keinen sicheren Artennachweis, da die Wildkatze leicht mit der Hauskatze verwechselt wird, aber es wurden mit relativ geringem Aufwand wertvolle Hinweise auf mögliche Vorkommen zusammengetragen. Erst die "Lockstock-Methode" und Fortschritte in der genetischen Analyse ermöglichten, das Vorkommen von Wildkatzen zuverlässiger zu erfassen.
Mit Baldrian den scheuen Katzen auf der Spur
Während der Ranzzeit – zwischen Dezember und März – wirkt der Geruch von Baldrian extrem attraktiv auf Wildkatzen. Raue Holzlatten, mit Baldriantee beduftet, locken Kater oder Kätzin an. Die Tiere reiben mit Wangen und Flanken am Holz, um das Objekt zu markieren. Dabei bleiben Haare haften, die gesammelt und genetisch analysiert werden. Das erlaubt eine sicheren Artnachweis, ohne dass man die Wildkatze aktiv aufspüren muss. Sie ist ohnehin sehr störungsempfindlich und kommt selbst in den Kerngebieten ihrer Verbreitung in verhältnismäßig geringer Dichte vor. So gelangen in einigen Gebieten Bayerns bereits Wildkatzennachweise: im Spessart, in der Südlichen Rhön und in den Haßbergen. Ein Totfund erbrachte den Artnachweis für das Fichtelgebirge.
"Aktionsplan Wildkatze"
Abb. 2: An inneren und äußeren Randlinien geht die Wildkatze bevorzugt auf Mäusejagd, denn die Nagerdichte ist an diesen Grenzlinien besonders hoch (Foto: Philip Gilbert).
Der "Aktionsplan zur Förderung der Wildkatze" dient dazu, drei wesentliche Ziele zu verwirklichen:
- Ermittlung des Status der Wildkatze in Bayern
- Schaffung eines Bewusstseins für die Wildart
- Förderung des Wildkatzenbestandes und seiner Ausbreitung
Der Aktionsplan besteht zum einen aus konkreten Maßnahmen zur Förderung der Wildkatze, zum anderen legt er Handlungsstrategien fest, wie geplante Aktionen am erfolgreichsten umgesetzt werden können.
Die landesweite Umfrage von 2001 wurde wiederholt und wird derzeit ausgewertet. Waldpädagogische Aktivitäten zum Thema Wildkatze werden in den Leitfaden Waldpädagogik aufgenommen. Der Fragenkatalog zur Wildkatze testet das Wildkatzenwissen der Jungjäger ab. Auch bei Planung und Bau von Tierquerungshilfen (z.B. Grünbrücken) ist die Wildkatze ein Thema.
Indikator für strukturreiche Wälder
Die Wildkatze wird auch als "Waldkatze" bezeichnet. Ihre Lebensweise und die Ansprüche an ihren Lebensraum machen sie zu einem hervorragenden Indikator für große, reich strukturierte Wälder. Wo die Wildkatze auftritt, finden meist auch Arten wie Baummarder, Schwarzstorch oder Haselhuhn ein optimales Habitat vor. Die naturnahe Waldbewirtschaftung schafft die benötigten Strukturen: zahlreiche innere und äußere Randlinien und ein gewisses Angebot an Versteckmöglichkeiten, z.B. bodennahe Kleinstrukturen oder größere Baumhöhlen.
Durch die Isolation der beiden deutschen Schwerpunktvorkommen ist mittlerweile sogar eine genetische Differenzierung möglich. Eine vitale Wildkatzenpopulation in Bayern könnte die entscheidende Verbindung zwischen den beiden Vorkommen bilden.