Findlinge faszinieren von alters her. Wurden sie von der biblischen Sintflut ins Flachland geschwemmt oder allenfalls von prähistorischen Vulkanen in die Ferne geschleudert? Erst Mitte des 19. Jahrhunderts realisierte die Wissenschaft den Zusammenhang mit den Eiszeiten, dass es also Gletscher waren, welche die Findlinge ins Flachland transportiert hatten (Abb. 1). Von besonderer Bedeutung für die Biodiversität sind die Findlinge aus Silikatgestein. Im von Kalkgestein geprägten Mittelland und Jura sind sie wertvolle Lebensrauminseln (Abb. 2) für zahlreiche felsbewohnende Flechten und Moose sowie einen Farn, die nicht auf Kalkgestein wachsen können.
Abb. 2. Miniatur-Landschaft aus Flechten und Moosen auf einem Granitfindling im Mittelland: Dunkle Schüsselflechte (Xanthoparmelia pulla; braune Überzüge); Stern- und Wimpern-Granitmoos (Hedwigia stellata und H. ciliata; gelbgrüne Polster); Eifrüchtiges Kissenmoos (Grimmia ovalis; dunkelgrünes Polster). Foto: Daniel Hepenstrick (ZHAW)
Silikatische Lebensrauminseln im «Kalkmeer»
Findlinge sind erkennbar an ihrer unterschiedlichen Gesteinszusammensetzung im Vergleich zum lokalen Untergrund. Sie bieten als silikatische Lebensrauminseln in einem «Kalkmeer» einen Lebensraum für Arten, die kalkhaltiges Gestein meiden. Über 80 Flechtenarten, ungefähr 30 Moose sowie als einzige Gefässpflanzenart der Findlingflora der Nordische Streifenfarn (Asplenium septentrionale) finden hier einen Lebensraum (Abb. 3). Während diese Arten in ihren alpinen Ursprungsgebieten häufig vorkommen, sind sie im Mittelland und Jura selten.
Ökologie der Findlingflora
Der gemeinsame ökologische Anspruch aller Arten der Findlingflora ist silikatisches Gestein. Drei sich gegenseitig beeinflussende ökologische Faktoren prägen die auf einem Silikatfindling vorkommende Flora: Erstens bestimmt die Lichtverfügbarkeit die Artenzusammensetzung, zweitens beeinflusst die Grösse eines Findlings, wie viele Arten auf ihm vorkommen und drittens sind über lange Zeit gleichbleibende ökologische Bedingungen Voraussetzung, dass überhaupt Arten der Findlingsflora auf einem Silikatfindling vorkommen können.
Gefährdung und Schutzmassnahmen
Die Hauptgefährdungen für die Findlingsflora umfassen Zerstörung durch menschliche Aktivitäten, Veränderungen des Lebensraums infolge von Landnutzungsänderungen und die Entfernung von Findlinge aus der Landschaft (Abb. 4). In der Regel gelten Findlinge mit ihrer Flora als schützenswerte Lebensräume, da die Findlinge als geologisch-biologische Naturdenkmäler eine besondere biologische Vielfalt beherbergen. Einem Grossteil der Findlingsflora fehlt jedoch der explizite Schutzstatus aufgrund mangelnder Grundlagen.
Um Findlinge und ihre Flora effektiv zu schützen, ist die Sensibilisierung von Personen der Verwaltung, der Bau-, Land- und Waldwirtschaft sowie des Naturschutzes zentral. Geotop-, Biotop- oder Naturschutzinventare in denen Findlinge dokumentiert sind (Abb. 5) helfen, die Findlinge und ihre Flora in Schutz- und Nutzungsplanungen zu berücksichtigen. Das direkte Entfernen der Findlingsflora zum Klettern (Abb. 6) ist zu vermieden und typische Lichtverhältnisse sowie weitere ökologische Bedingungen zu bewahren.
Findlingflora im Wald
Wälder spielen eine wichtige Rolle bei der Erhaltung der Findlingsflora. Sie bieten natürlichen Schutz vor direkter Sonneneinstrahlung und menschlicher Störung. Die Artenzusammensetzung auf schattigen Findlingen ist anders als auf ihren sonnenexponierten Pendants, da die kühleren und feuchteren Bedingungen ein ideales Mikroklima für die Entwicklung sensibler Arten bieten. Typische Vertreter sind das Himbeer-Kissenmoos (Grimmia hartmanii; Abb. 7) und das Langblättrige Breitnervmoos (Paraleucobryum longifolium; Abb. 8), die beide Schatten und konstante Feuchtigkeit bevorzugen.
Wie schützt und fördert man die Findlingsflora im Wald?
Die Art der Waldbewirtschaftung hat einen direkten Einfluss auf die Findlingsflora. Bei der Waldbewirtschaftung sollten Findlinge weder zerstört noch verschoben werden. Asthaufen oder Holzdepots auf oder an Findlingen sind zu vermeiden. Sanfte Durchforstungen im Bereich von Findlingen sind kein Problem, doch sollten grosse Auflichtungen um Findlinge vermieden werden, damit die ökologischen Bedingungen für schattenliebende Arten der Findlingsflora erhalten bleiben. Die an lichte Bedingungen angepasste Flora von Findlingen im lichten Wald respektive auf Potenzialflächen für lichten Wald profitiert hingegen von Auflichtungen.
Fazit
Die Schweizer Findlingsflora auf Silikatgestein ist ein herausragendes Beispiel für die Bedeutung von Mikrohabitaten in der Erhaltung der Biodiversität. In einer von Kalkstein dominierten Landschaft sind Findlinge aus Silikatgestein Lebensrauminseln für spezialisierte Arten. Die Erhaltung dieser Flora erfordert eine bewusste Planung und Durchführung von Schutzmassnahmen.
Literatur
Literaturverweise finden sich im Originalartikel (PDF).
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