In der Schweiz sind 30 Fledermausarten nachgewiesen. Davon konnten bisher 25 Arten im Kanton Graubünden festgestellt werden. Graubünden weist durch seine Zugehörigkeit zu den Nord-, Zentral-, Ost- und Südalpen bedeutende naturräumliche Unterschiede auf. Diese bewirken eine grosse Vielfalt an Lebensräumen, in welchen eine reiche Fledermausfauna vorkommt.
Nutzniesser eines Verbunds vielfältiger Waldlebensräume
Im Wald entwickeln sich viele Insektenarten, beispielsweise im feuchten Untergrund, in kleinen Tümpeln, entlang von Wegen, im Moder- und Totholz, an Waldrandsäumen oder in Lichtungen. Fledermäuse, die im Wald jagen, halten sich gerne entlang von Grenzstrukturen auf, wo ein optimales Nahrungsangebot vorhanden ist. Übergangszonen zwischen Wald und offener Landschaft oder auch Ränder von Waldlichtungen und unbefestigten Waldwegen bilden solche Grenzlinien.
Ein weiterer wichtiger Jagdbereich für Fledermäuse ist der Übergang von den Baumkronen zum freien Himmel. Mitten im Wald jagende Arten fliegen knapp über dem Waldboden oder jagen um die Baumstämme herum. Viele Fledermausarten bevorzugen vielfältig strukturierte und naturnahe Wälder mit hohem Laubholzanteil. Demgegenüber können sich einzelne Arten auch in hallenartigen und stark wirtschaftlich geprägten Wäldern zurechtfinden.
Nachfolgend werden einige Fledermausarten mit ihren spezifischen Ansprüchen an den Wald und Möglichkeiten zu ihrer Förderung vorgestellt:
Grosse Hufeisennase
Die Grosse Hufeisennase (Rhinolophus ferrumequinum) gehört zu den seltensten Fledermausarten der Schweiz. Einst allgemein verbreitet, sind heute lediglich noch drei Wochenstubenkolonien (Weibchengruppen mit Jungtieren) dieser Art bekannt. Die mit rund 100 erwachsenen Individuen grösste Kolonie der Schweiz lebt im Vorderrheintal (Raum Castrisch - Sagogn). Diese Art besiedelt warme und ruhige Dachstöcke in Kirchen und ungenutzten Privathäusern.
Dank einem Forschungsprojekt der Arbeitsgruppe zum Schutz der Hufeisennasen Graubündens (ASHG) im Jahr 1993 sind die nächtlichen Aufenthalts- und Jagdgebiete der Bündner Kolonie der Grossen Hufeisennase bekannt. Die beobachteten Tiere nutzten vom Frühjahr bis Herbst Gebiete mit einem grösseren Laubwaldanteil. Besonders im Frühling, in einer Zeit möglicher Nahrungsengpässe, sind Laubwälder als Jagdgebiete für die Grosse Hufeisennase von grosser Bedeutung. Im Gegensatz dazu meidet sie generell Gebiete mit einem hohen Nadelwaldanteil. Im Sommer und Herbst suchen die Grossen Hufeisennasen dagegen sowohl Wald wie Offenland auf. Auenwälder entlang von Vorderrhein und Glenner und flussnahe Hangwälder mit hohem Laubwaldanteil werden bevorzugt. Gebiete mit geschwungenen Waldrandlinien und einer grossen Vielfalt an Habitattypen und Lebensraumelementen im unmittelbar angrenzenden Offenland werden ebenfalls gezielt zur Jagd aufgesucht.
Abb. 2 - Auenwald bei Valendas, Jagdgebiet der sehr seltenen Grossen Hufeisennase. Foto: ASHG, E. Mühlethaler
Die Grosse Hufeisennase ist dank ihres hoch spezialisierten Echoortungssystems und ihren breiten Flügeln zu einem langsamen und wendigen Flug befähigt. Beim Wechsel zwischen Tagesquartier und Jagdgebiet fliegt sie entlang von Strukturen und Grenzlinien wie Hecken, Wäldern, Obstgartenrändern, Bach- und Flussufern und naturnahen Waldwegen. Diese Art verfügt über verschiedene Jagdtechniken. So patrouilliert sie zwischen den Bäumen von lichten Wäldern oder von Obstgärten oder entlang von senkrechten Vegetationsstrukturen wie Waldrändern in etwa 0.5 bis 3 m Höhe über dem Boden. Oder sie wartet an einem Ast am Waldrand hängend auf vorbeifliegende Insekten. Diese Energie sparende "Wartenjagd" ist charakteristisch für die Grosse Hufeisennase. Käfer, Falter, Hautflügler und Zweiflügler, darunter vor allem mittlere bis grosse Insekten (Mist-, Mai-, Juni- und Gartenlaubkäfer), bilden die Nahrungsgrundlage der auf lukrative Beute spezialisierten Grossen Hufeisennase.
Förderungsmassnahmen:
- Erhaltung eines hohen Angebots an Grossinsekten im Wald durch Förderung von Baumarten wie z.B. einheimischen Weiden- und Pappelarten und einer möglichst vielfältigen Strauchschicht. Liguster und Hasel sind beispielsweise Futterpflanzen für Raupen von Faltern, welche hauptsächlich im Frühling von der Grossen Hufeisennase erbeutet werden.
- Förderung von strukturreichen Laubwäldern (z.B. alte Auenwälder mit ausgeprägten horizontalen Strukturen für die Wartenjagd, Waldweiden) und vielfältigen Laubwaldrandgebieten mit angrenzenden Extensivgrünlandstreifen.
- Erhaltung und Förderung von Landschaften, in welchen unterschiedliche Lebensräume durch linienförmige Landschaftsstrukturen (Hecken, Feldgehölze, Alleen, Obstbaumreihen, usw.) miteinander vernetzt sind.
Kleine Hufeisennase
Der Kanton Graubünden weist mit rund 1850 erwachsenen Tieren in 24 Wochenstubenkolonien nahezu die Hälfte des schweizerischen Gesamtbestands der vom Aussterben bedrohten Kleinen Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros) auf (Stand 2009). Die weitaus kopfstärkste Teilpopulation dieser Fledermausart besiedelt das Untere Lugnez und die Tallagen des Vorderrheintals zwischen Valendas und Trun. Weitere kleinere Vorkommen befinden sich im Vorderen Schanfigg zwischen Lüen und Chur und im Domleschg. Der bündnerische wie auch der gesamtschweizerische Bestand der Kleinen Hufeisennase zeigt in den letzten Jahren einen stetigen, sehr erfreulichen Aufwärtstrend. Diese Art besiedelt warme, ungestörte Dachstöcke von Kirchen und Privathäusern.
Bezogen auf ihre Jagdgebiete sind die Kleinen Hufeisennasen "Waldtiere". Gemäss einer vor wenigen Jahren durchgeführten Untersuchung in den Kantonen Graubünden und Bern jagt diese Fledermausart fast ausschliesslich in Waldgebieten in klimabegünstigten Lagen. Im Lugnez handelt es sich dabei um Busch- und Hangmischwälder sowie Auenwälder. Ein bevorzugter Waldtyp konnte aufgrund der bisherigen Untersuchungen von Jagdgebieten (CH, D, A, GB) nicht ausgemacht werden. Lediglich ein hoher Strukturreichtum und die Nähe zu Gewässern spielen eine gewisse Rolle. Von grosser Bedeutung sind auch linienförmige Strukturen (z.B. Hecken, Baumreihen) als Verbindung zwischen den Tagesquartieren und den Jagdgebieten, die oft in nächster Nähe zu den Tagesquartieren liegen.
Förderungsmassnahmen:
- Erhaltung von naturnahen Bächen und von feuchten Stellen im Wald.
- Erhaltung und Förderung von Hecken und Baumreihen als Verbindung von Tagesquartieren und Jagdgebieten.
Grosses Mausohr
Im Kanton Graubünden sind 5 gemischte Wochenstubenkolonien des Kleinen Mausohrs und des Grossen Mausohrs (Myotis myotis) bekannt. Diese liegen in den Regionen Churer Rheintal, Vorderrheintal und Domleschg. Die Mausohr-Kolonien liegen klar ausserhalb von geschlossenen Waldgebieten, jedoch befinden sich wichtige Jagdgebiete des Grossen Mausohrs auch im Wald. Gemäss einer Untersuchung in der Ostschweiz jagt diese Art nicht nur im Waldesinnern, sondern ebenso regelmässig ausserhalb des Waldes, in Wiesen, Weiden und Äckern.
Die untersuchten Grossen Mausohren jagten bevorzugt in einschichtigen, hallenartigen Hochwäldern und nur vereinzelt in zweischichtigen, durch Ober- und Mittelschicht gebildeten Waldbeständen. Die übrigen mehrschichtigen Waldtypen wurden ebenso gemieden wie Wälder mit ungleichförmiger Bestandesstruktur. Das Grosse Mausohr bevorzugt unterholzfreie ältere Wälder mit relativ niedriger Stammdichte. Eine frei zugängliche Bodenfläche (geringe Vegetationsbedeckung bis max. 25 %) und ein möglichst hindernisfreier Luftraum in Bodennähe ermöglichen dieser Fledermausart eine erfolgreiche Bodenjagd auf Laufkäfer. Die Beute wird dabei in niedrigem Flug gesucht und bei einer kurzen Landung vom Boden aufgenommen. Laufkäfer sind im Wald die häufigste Beute dieser Art.
Das Grosse Mausohr nutzt hauptsächlich Waldbestände der schwachen (BHDdom = 31 - 40 cm) bis starken Baumholzstufe (BHDdom > 50 cm) mit dichtem Kronenschluss und nicht vorhandener bis schwach entwickelter Krautschicht. Das Grosse Mausohr jagt im untersuchten Gebiet, in welchem reiner Laubwald (z.B. hallenartiger Buchenwald) selten ist, am häufigsten in Laub-/Nadelholz-Mischwäldern und deutlich weniger häufig, aber regelmässig auch in geschlossenen Nadelwäldern (Fichtenwald). Die vom Grossen Mausohr bevorzugten Waldhabitate entsprechen somit am ehesten gewissen Wirtschaftswaldtypen.
Förderungsmassnahmen:
- Erhaltung unterholzfreier und krautarmer älterer Wälder mit relativ niedriger Stammdichte (insbesondere alte Buchenwälder und strukturell ähnliche Waldtypen).
Braunes Langohr
Das Braune Langohr (Plecotus auritus) kommt im ganzen Kanton Graubünden vor. Die bekannten Kolonien besiedeln Estriche und Fassadenhohlräume. Diese Fledermaus kann aber auch in Baumhöhlen, Vogelnist- und Fledermauskästen Jungtiere aufziehen.
Gemäss neueren Telemetrie-Studien (D, Schottland) jadt das Braune Langohr im Wald, aber auch in Obstgärten und Parks, über Wiesen und Weiden. Die Waldhabitate reichen vom reinen Nadelwald (Fichte, Föhre) über den Laubmischwald bis hin zum reinen Laubwald. Wichtig sind Strukturen, die das Absammeln von Beute an Oberflächen wie Blättern und Stämmen ermöglichen.
Abb. 4 - Das Braune Langohr ist unter anderem auf Waldbestände mit einem hohen Alt- und Totholzanteil angewiesen. Foto: www.fledermausschutz.ch
Langohren fliegen langsam und sehr nahe an der Vegetation. Sie jagen gerne in der Baumwipfelregion. Hauptsächliche Beuteinsekten sind Nachtfalter, darunter viele mittelgrosse Eulenfalter und Wurzelbohrer-Arten. Aber auch Schnaken, Ohrwürmer, Spinnen und Hundertfüssler werden erbeutet. Diese werden verstärkt in den eher schmetterlingsarmen Monaten im Frühjahr und ab September von ganz verschiedenen Oberflächen abgelesen. In nadelholzreichen Wäldern kann das Braune Langohr daher nur jagen, wenn Laubholz zumindest im Nebenbestand oder Unterwuchs vorhanden ist.
Förderungsmassnahmen:
- Naturnahe Waldbewirtschaftung mit Belassen eines hohen Alt- und Totholzanteils (Baumhöhlen!).
- Förderung von Laubholz im Nebenbestand oder im Unterwuchs von Nadelwäldern.
Wasserfledermaus
Von dieser Fledermausart sind bisher im Kanton Graubünden vor allem Einzeltierfunde, Beobachtungen jagender Individuen über Wasserflächen und ein Sommerquartier bei Domat/Ems bekannt. Ihre Verbreitung in Graunbünden ist aus methodischen Gründen noch ungenügend erfasst, doch deutet die Verteilung der Einzeltierfunde darauf hin, dass sie in einem grossen Teil des Kantons vorkommt.
Wasserfledermäuse (Myotis daubentonii) ziehen ihre Jungtiere oft in Aufrisshöhlen oder Spechthöhlen alter Bäume auf. Laubhölzer (Buchen, Eichen) in der Nähe von Stillgewässern werden dabei bevorzugt. Die Wasserfledermaus benutzt Wasserläufe, Tobelwälder oder weitere Strukturen als Leitlinien bei ihrem abendlichen Ausflug in ihre Jagdgebiete an Weihern und Seen. Der Wald ist für diese Art in erster Linie Quartierstandort, kann aber vor allem in Gewässernähe auch als Jagdgebiet genutzt werden.
Förderungsmassnahmen:
- Erhaltung von totholz- und höhlenreichen Altbäumen.
- Generell Bäume stehen lassen, welche durch Blitz- oder Steinschlag entstandene Stammrisshöhlen oder Spechthöhlen aufweisen.
Mopsfledermaus
Die Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus) ist gesamtschweizerisch sehr selten und vom Aussterben bedroht. Im Kanton Graubünden sind bisher einzig drei Wochenstubenquartiere (Raum Ilanz, Prättigau, Heinzenberg bei Thusis) bekannt. Ein Winterquartier dieser Art befindet sich in einer Erzmine unweit von Ilanz.
Die Mopsfledermaus wird gelegentlich als "Urwaldfledermaus" bezeichnet. Sie bevorzugt als Sommerquartiere Naturhohlräume (Spalten) aussen an Bäumen, z.B. unter abstehenden Borken oder in Stammanrissen. Solche Quartiere entstehen durch Schäl-, Sturm- und Blitzschäden an älteren Bäumen. Kolonien von Mopsfledermäusen wechseln häufig ihr Quartier, sodass pro Kolonie ein hohes Angebot an derartigen Quartieren (ca. 1 - 2 Spaltquartiere pro Hektar) vorhanden sein muss. Die stets nahe beieinander liegenden Quartiere sind dabei für den sozialen Austausch sehr wichtig.
Die Art weicht auch auf künstliche Spaltenhohlräume an Gebäuden aus, sofern diese in Waldnähe oder im Wald selbst liegen. Sie besiedelt z.B. Hohlräume hinter Fensterläden oder Spalten hinter Aussenverschalungen, etwa an Stallscheunen oder Privathäusern. Mit dem stillen Verschwinden vieler Stallscheunen aus unseren Kulturlandschaften werden solche künstlichen Spaltquartiere zusehends rarer. Darum gewinnt der Wald als ursprünglicher Quartierstandort für die Mopsfledermaus wieder an Bedeutung. Die kälteharte Art kann im Winterhalbjahr neben Felshöhlen auch Baumhöhlenquartiere nutzen.
Abb. 6 - Die Mopsfledermaus ist spezialisiert auf kleine Falter und benötigt alte oder dürre Bäume mit abstehenden Borken. Foto: www.fledermausschutz.ch
Die in ausgedehnten Wäldern und in waldreichen Landschaften in gemässigt winterkalten Zonen lebende Mopsfledermaus ist auf schmetterlingsreiche Jagdgebiete angewiesen. Als Falterspezialistin braucht sie ein über das Sommerhalbjahr hinweg gleich bleibendes, hohes Angebot an kleinen Nachtfaltern und anderen kleinen Weichkörperinsekten, von denen sie sich überwiegend ernährt. Lichte Wälder mit einem grossen Blütenreichtum in der Kraut- und Strauchschicht sind daher für diese Art sehr wichtig. In geschicktem Zickzackflug überfliegt sie während ihrer Jagd solche lichten Wälder sowie Waldränder und Hecken in der Höhe der Baumkronen. Sie jagt auch gerne direkt über der Wasseroberfläche.
Förderungsmassnahmen:
- Naturnahe Waldbewirtschaftung mit hohem Alt- und Totholzanteil.
- Belassung auch von "unordentlich" aussehenden Dürrholzbeständen mit abstehenden Borken.
- Schaffung eines hohen Strukturreichtums mit verschiedenen Altersklassen und Saumstrukturen, dadurch Förderung einer grossen Vielfalt an Schmetterlingen.
Wimperfledermaus
Die Wimperfledermaus (Myotis emarginatus) ist eine sehr seltene, vom Aussterben bedrohte und wärmeliebende Art, die sich in Graubünden nur in den warmen Südtälern fortzupflanzen scheint. Bisher wurden zwei Wochenstubenkolonien dieser Art im Misox entdeckt (zwei weitere Wochenstubenkolonien sind im Tessin bekannt). Im Quartier vergesellschaftet sich diese Fledermausart gerne mit Hufeisennasen und Mausohren.
Die Art ist an klimatisch begünstigte, laubwaldreiche Gebiete gebunden. Sie jagt in Laubwäldern, Waldrändern, Obstwiesen, Parks und naturnahen Gärten. Sie sucht bevorzugt strukturreiche Laubwälder mit einem hohen Laubholzanteil auf, während sie Nadelwälder und offenes Gelände meidet. Die Wimperfledermaus jagt nahe an der Vegetation, auch in den Kronenbereichen, und sammelt Insekten von den Blättern ab. In Mitteleuropa werden regelmässig, besonders zur Zeit der Jungenaufzucht, auch Viehställe zur Jagd nach Fliegen aufgesucht, welche sie im auffälligen Pendelflug von der Decke abliest.
Förderungsmassnahmen:
- Erhaltung von reich strukturierten Laubwäldern im Verbund mit vielfältiger Kulturlandschaft.
Nordfledermaus
Die Nordfledermaus (Eptesicus nilssonii) ist eine kälteharte Bewohnerin der Gebirgsregion. Sie bevorzugt hier mittlere und höhere Lagen. Als einzige europäische Fledermausart reicht ihre Verbreitungsgrenze in Skandinavien bis nördlich des Polarkreises, wo sie auch in Tieflagen lebt. Ihre Wochenstubenkolonien in der Schweiz befinden sich fast ausschliesslich in höheren Lagen des Alpenraumes (Engadin) und des Juras.
Die ca. 20 im Oberengadin entdeckten Wochenstubenkolonien der Nordfledermaus besiedeln oft Spaltquartiere, gelegentlich Estrichquartiere und Baumhöhlen. In Bever kam 2009 eine Wochenstubenkolonie dieser Art in einer im Juli gefällten morschen Lärche zum Vorschein.
Abb. 7 - Junge Nordfledermaus. Diese kälteharte Art bewohnt in der Schweiz überwiegend höhere Lagen in den Alpen und im Jura. Foto: www.fledermausschutz.ch
Die Wochenstuben dieser Art sind in der Regel umgeben von gewässerreichen Nadel- und Laubwäldern. Jagdgebiete liegen häufig im Bereich von Seen und Bächen, aber auch über Hochmoorflächen, Wiesen, entlang von Waldrändern, in Wäldern und in Siedlungen. Die Nahrung (kleine Zweiflügler, Käfer, Falter) wird meist in raschem und wendigem Flug entlang von Vegetationskanten, auch im freien Luftraum bis in 50 m Höhe und an Strassenlampen erbeutet. Nordfledermäuse können grössere und hell gefärbte Beuteinsekten offenbar auch optisch erkennen.
Förderungsmassnahmen:
- Erhaltung eines hohen Angebots an Specht- und Fäulnishöhlen durch Förderung von Alt- und Totholz => Bäume mit Fäulnis- und Spechthöhlen konsequent stehen lassen.
Grosser Abendsegler
Der Grosse Abendsegler (Nyctalus noctula) zieht in Graubünden keine Jungtiere auf. Hier hält sich diese Art vor allem im Herbst zur Balz und zur Überwinterung auf. Der Grosse Abendsegler bevorzugt von Spechten gezimmerte Höhlen als Balz- und Winterquartiere. Daneben nutzt er auch Spalten in Fassaden hoher Gebäude oder spezielle Fledermauskästen.
Im Herbst hört man jeweils vor Sonnenuntergang das Balzgezirpe der Grossen Abendsegler. Geschlechtsreife Männchen halten jedes Jahr für sich eine Baumhöhle besetzt und versuchen, Weibchen zur Paarung anzulocken. Eine typische Hochzeitsgruppe besteht aus einem Männchen und sechs bis acht Weibchen. Im Winter finden sich manchmal Gruppen von mehr als 100 Abendseglern in einer Baumhöhle zusammen.
Grosse Abendsegler jagen meist in Flusslandschaften, gelegentlich aber auch an Waldrändern. Sie fliegen dabei in Baumwipfelhöhe. Ihre Nahrung besteht hauptsächlich aus kleineren schwärmenden Insektenarten wie beispielsweise Köcherfliegen, verschiedenen Mücken und Eintagsfliegen.
Förderungsmassnahmen:
- Erhaltung eines hohen Angebots an Spechthöhlen durch Förderung von Alt- und Totholz => Bäume mit Spechthöhlen konsequent stehen lassen.
Kleiner Abendsegler
Der Kleine Abendsegler (Nyctalus leisleri) ist bei uns ein regelmässiger Wintergast. Einzeltiere werden im Kanton Graubünden regelmässig und viel häufiger als solche des Grossen Abendseglers aufgefunden. Die Einzeltierfunde verteilen sich über den ganzen Kanton. Sie weisen darauf hin, dass der Kleine Abendsegler auch in höheren Lagen überwintern kann. In Graubünden ist bisher ein einziges Balzquartier bekannt. Diese Art besiedelt neben alten Spechthöhlen hauptsächlich Fäulnishöhlen in geringer Höhe über Boden, gerne auch solche in alten Obstbäumen.
Förderungsmassnahmen:
- Erhaltung eines hohen Angebots an Specht- und Fäulnishöhlen durch Förderung von Alt- und Totholz => Bäume mit Fäulnis- und Spechthöhlen konsequent stehen lassen.
Höhlenbäume am besten stehen lassen
Höhlen in Bäumen können das ganze Jahr über von Fledermäusen besetzt sein. Beim Fällen solcher Bäume besteht die Gefahr, dass Tiere verletzt oder gar getötet werden. Während der Wochenstubenzeit Mai - August sollte man Bäume mit Höhlen nicht fällen. Ist eine Fällung jedoch unumgänglich, so klären Sie bitte ab, ob Fledermäuse anwesend sind (Fledermausschutz beiziehen). Auch im Winter kann es geschehen, dass Bäume mit winterschlafenden Tieren gefällt werden. Ein Merkblatt zum richtigen Vorgehen in einem solchen Fall ist bei der Stiftung Fledermausschutz erhältlich.
Literatur
- Bontadina, F., Hotz, Th., Gloor, S., Beck, A., Lutz, M. & E. Mühlethaler, Arbeitsgruppe zum Schutz der Hufeisennasen Graubündens ASHG (1997): Schutz von Jagdgebieten von Rhinolophus ferrumequinum. Umsetzung der Ergebnisse einer Telemetrie-Studie in einem Alpental der Schweiz. In: Arbeitskreis Fledermäuse Sachsen-Anhalt e.V. , Hrsg. (1997): Tagungsband "Zur Situation der Hufeisennasen in Europa", 26.-28. Mai 1995, Nebra, Sachsen-Anhalt (D), IFA-Verlag GmbH, Berlin.
- Bontadina, F., Hotz, Th. & K. Märki (2006): Die Kleine Hufeisennase im Aufwind. Ursache der Bedrohung, Lebensraumansprüche und Förderung einer Fledermausart. Haupt Verlag. Bern-Stuttgart-Wien.
- Dietz, Chr., von Helversen O. & D. Nill (2007): Handbuch der Fledermäuse Europas und Nordwestafrikas. Franckh-Kosmos Verlags GmbH & Co. KG, Stuttgart.
- Güttinger, R. (1997): Jagdhabitate des Grossen Mausohrs (Myotis myotis) in der modernen Kulturlandschaft. BUWAL-Reihe Umwelt Nr. 288. Bundesamt für Umwelt.
- Lutz M. & E. Mühlethaler (1997): Schutzkonzept für die Kleine Hufeisennase Rhinolophus hipposideros in den östlichen Zentralalpen (Lugnez/Valsertal, Graubünden, Schweiz). In: Arbeitskreis Fledermäuse Sachsen-Anhalt e.V. , Hrsg. (1997): Tagungsband "Zur Situation der Hufeisennasen in Europa", 26.-28. Mai 1995, Nebra, Sachsen-Anhalt (D), IFA-Verlag GmbH, Berlin.
- Müller, J.P., Jenny, H., Lutz M., Mühlethaler, E. & Th. Briner (2010): Säugetiere Graubündens - eine Übersicht. Verlag Desertina. Chur. ISBN 978-3-85637-389-4
(TR)