Abb. 2: Der Pfifferling hat mehrere Mykorrhiza-Partner unter den Bäumen und ist daher in Nadel- und Laubwäldern zu finden. Foto: J. Preller
Abb. 3: Der Hut des ausschließlich unter Birken vorkommenden Birkenpilzes ist unterschiedlich gefärbt. Neben Graubraun kann die Huthaut auch gelbliche und rötliche Töne enthalten. Foto: J. Preller
Abb. 4: Der wohl bekannteste Pilz – der giftige Fliegenpilz – tritt in Verbindung mit Fichten oder Birken auf. Foto: J. Preller
Abb. 5: Der Goldröhrling, hier ein junges Exemplar, wächst oft in großer Menge unter Lärchen. Foto: J. Preller
Baum und Pilz profitieren gleichermaßen von der "Mykorrhiza", der Lebensgemeinschaft aus Pilzwurzeln (Hyphen) und Baumwurzeln. Die Gemeinschaft dient nicht dem Nährstoffaustausch allein.
Ihr farbenreiches Erscheinen um diese Jahreszeit kann schnell den Eindruck vermitteln, dass die Pilze im Wald nur wenige Wochen des Jahres vorkommen. Dem ist aber nicht so. Pilze sind in Form ihres unter der Oberfläche verborgenen "Myzels", dem Pilzgeflecht, immer da und übernehmen wichtige Funktionen im Ökosystem Wald. Als "Täter" parasitieren sie an Pflanzen, Tieren oder sogar anderen Pilzen und können das Absterben des Wirtes bewirken. Sie bauen als Endglied der Nahrungskette organisches Material ab und sorgen zusammen mit anderen Zersetzern für einen funktionierenden Stoffkreislauf.
Partner der Bäume
Als Partner der Bäume helfen Pilze aber auch bei der Produktion von Biomasse im Wald. Die dafür im Rahmen der Evolution entstandene Symbiose von Bäumen und Pilzen kann stellvertretend für das komplexe, scheinbar unendliche Beziehungsgeflecht zwischen den Arten in der Natur stehen und trägt wissenschaftlich die Bezeichnung "Mykorrhiza". Aus dem Griechischen aus mykes, dem Pilz, und rhiza, der Wurzel, gebildet, wird der Fachbegriff im Deutschen landläufig mit "Pilzwurzel" übersetzt. Er beschreibt eine Lebensgemeinschaft zwischen Gehölzen (aber auch anderen Pflanzen) und Pilzen im Wurzelbereich, die sich, im positiven Sinne, als verpilzte Baumwurzel darstellt.
Rein unsichtbare und unbekannte Helfer sind die Mykorrhiza-Pilze aber dennoch nicht. Die meisten Röhrlinge und etliche Blätterpilze, beliebte Speisepilze und bekannte Giftpilze leben in enger Gemeinschaft mit Bäumen. Bekannte Beispiele sind der Pfifferling, die Steinpilze, der Fliegenpilz und die Knollenblätterpilze. Der Grad der Bindung des Pilzes an eine Baumart kann dabei sehr hoch sein und sich wie beim Goldröhrling unter Lärchen oder dem Birkenpilz bei Birken sogar auf nur eine einzige Partnerbaumart beschränken. Beim Bestimmen und Sammeln von Pilzen kann sich der kundige Pilzsammler die Mykorrhiza-Gemeinschaften zu Nutze machen: er sucht zunächst den passenden Baum und findet dann den gewünschten Pilz. Ein alter Spruch sagt: "Unter Birken, Tannen, Buchen kannst du immer Pilze suchen; unter Eschen, Erlen, Linden, wirst Du nicht viel finden". Es können gleichzeitig mehrere Mykorrhiza-Pilzarten an einem Baum vorkommen, und unterschiedliche Altersstadien des Baumes können jeweils spezielle Pilzpartner beherbergen.
Mykorrhiza keine Seltenheit
Das ausgewogene Profitieren der Partner von der Gemeinschaft ist ein typisches Merkmal von Symbiosen. Sie kommen bei Tieren und bei Pflanzen vor und sind in der Natur keine Seltenheit. Auch die Mykorrhiza im heimischen Wald ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Besonders Fichte, Kiefer und Lärche, Birke, Buche und Eiche setzen auf die Hilfe aus dem Reich der Pilze. Alles in allem gehen Nadelhölzer mehr Mykorrhizen als Laubbäume ein, was vornehmlich auf die insgesamt ärmeren Standorte zurückzuführen ist, auf denen sie wachsen. Für das Waldwachstum allgemein ist die Mykorrhiza von großer Bedeutung. Standorte mit schlechten Wuchsbedingungen konnten nur mit Hilfe von Pilzen durch Bäume besiedelt werden.
Die Beziehung zwischen Bäumen und Pilzen stellte sich anfangs vermutlich als reine Pilzinfektion dar, die sich dann zu einer Symbiose entwickelte, weil sie den Bäumen nutzte. Deren Wurzelsystem mit Haupt- und Seitenwurzeln hat neben der Verankerung im Boden die wesentliche Aufgabe, das für die Photosynthese notwendige Wasser samt den darin gelösten Nährstoffen aufzunehmen und in die grünen Bestandteile der Pflanze zu transportieren. Für die Aufnahme von Wasser und Nährstoffen sind hauptsächlich die Feinwurzeln zuständig. Allerdings können die Bäume trotz des komplexen Wurzelapparates sowohl die Wasser- als auch die Nährstoffvorräte im Boden nicht optimal ausnutzen. Hier kommen die Mykorrhiza-Pilze ins Spiel. Sie optimieren mit ihren "Hyphen" die Funktion der Feinwurzeln. Ihre hauchfeinen Pilzfäden erschließen den Boden noch intensiver und können so kleinste Wasservorräte und somit Nährstoffe aus dem Substrat aufnehmen.
Intensive Umarmung unter Tage
Damit der Stofftransport zwischen Pilz und Baumwurzel funktioniert, haben sich unterschiedliche Mykorrhizaformen entwickelt. Dabei ist die so genannte "ektotrophe" Variante bei heimischen Waldbäumen häufig anzutreffen. Ihre Feinwurzeln sind von einem intensiven Pilzgeflecht ummantelt, das direkten Einfluss auf das Wurzelwachstum bzw. die Neubildung von Wurzelhaaren nimmt. Feinste Pilzhyphen dringen in die Zellenzwischenräume der Wurzelrinde ein und bilden dort das nach dem deutschen Forstwissenschaftler Robert Hartig benannte Hartig’sche Netz. Letzteres sorgt mit den benachbarten Wurzelzellen für den Austausch der Nährstoffe zwischen Pilz und Baum. Für den Baum sind das besonders die Elemente Stickstoff und Phosphor, die er für sein Wachstum benötigt. Als Gegenleistung liefert er Kohlenhydrate, die im Rahmen der Photosynthese in den grünen Blättern oder Nadeln gebildet wurden. Denn den Mykorrhiza-Pilzen fehlen nicht nur das Blattgrün und damit die Fähigkeit mit Hilfe der Photosynthese Kohlenhydrate zu produzieren. Im Vergleich zu den Zersetzer-Pilzen können sie darüber hinaus organisches Material deutlich schlechter abbauen, um an nutzbare Kohlenstoffverbindungen zu gelangen. Im gegenseitigen Nährstoffaustausch schließt sich so der Kreis im Mykorrhiza-System: Für die Heranführung der für den Baum notwendigen Nährelemente erhält der Pilz-Partner im Gegenzug Kohlenhydrate, den Zucker, aus eigener Produktion.
Nicht nur reiner Nährstoffhandel
Der Anteil der Stoffabgabe von Baum zum Pilz kann erheblich sein und hängt von der Qualität des Waldstandortes und der daraus resultierenden Notwendigkeit der Mykorrhiza-Partnerschaft ab. Ein reines Austauschen von Nährstoffen ist die Symbiose aber dennoch nicht. Vielmehr profitiert der Baum durch die Myzel-bedingte Oberflächenerweiterung auch durch eine bessere Wasserversorgung. Die Mykorrhiza regt das Pflanzenwachstum an und kann vor Wurzelerkrankungen durch andere Pilze und Bakterien schützen. Auch puffert der Symbiosepilz die Aufnahme von Schadstoffen über die Wurzeln ab, indem er giftige Schwermetalle im Myzel bindet. Dieser Umstand sollte beim Sammeln und beim Verzehr von Pilzen Beachtung finden. Das umfangreiche Geflecht der Mykorrhiza-Pilze im Boden ermöglicht sogar den Nährstoffaustausch zwischen Bäumen auch unterschiedlicher Arten im Wald.
Wer so eng zusammen arbeitet, leidet bei einer Verschlechterung der Allgemeinsituation auch gemeinsam. Der Eintrag von Schadstoffen, insbesondere Stickstoff, hat vielfältige Auswirkungen auf Anzahl und Verbreitung der Mykorrhiza-Pilze, die Leistungsfähigkeit der Mykorrhizen und damit unmittelbar auch auf das Wachstum der Bäume. Wie wichtig die unterirdischen Wurzelpartner für den Zuwachs der Bäume sind, haben Wachstumsversuche mit pilzfreien Substraten gezeigt. So hängt letztlich die Vitalität eines Waldes auch vom Zustand der vorkommenden Pilze und ihrem Leistungsvermögen für das Ökosystem ab. Das gilt insbesondere für die an der Mykorrhiza beteiligten Arten.