Der Klimawandel wird große Auswirkungen auf unsere Wälder und die Forstwirtschaft haben. Deshalb müssen wir rechtzeitig geeignete Anpassungsstrategien entwickeln. Doch wie sollen diese aussehen? Wie kann der Waldbau auf die zahlreichen Unsicherheiten reagieren? Und zu welchen Maßnahmen können wir unseren Waldbesitzern guten Gewissens raten?
Der Klimawandel ist mittlerweile wissenschaftlich und politisch akzeptiert. Über aktuelle regionalisierte Klimamodelle des Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie wissen wir, dass sich in Bayern die Durchschnittstemperatur erhöhen und die Niederschlagsmenge und ihre jährliche Verteilung verändern wird. Extremereignisse wie Trockenphasen im Sommer und Stürme werden zunehmen. Artenspektren und Dominanzen unserer Forstschädlinge werden sich ändern. Aber nach wie vor werden auch kalte Winter und Spätfröste auf unsere Baumarten einwirken.
Klimawandel als Unsicherheitsfaktor
Aufgrund der langen Produktionszeiträume müssen wir bei der Waldbewirtschaftung bereits heute versuchen, die Wälder so zu gestalten, dass sie mit den Folgen des Klimawandels bestmöglich zurecht kommen werden. Um dabei komplexe Zusammenhänge, wie sie beim Klimawandel auftreten, erfassen und darstellen zu können, benötigen wir Modelle wie die Klimahüllen (Kölling , Zimmermann 2007). Das Klimahüllenmodell arbeitet mit der natürlichen Verbreitung der Baumarten und den Faktoren Niederschlagssumme und Jahresdurchschnittstemperatur. Es liefert uns damit wichtige grundsätzliche Aussagen über das Gedeihen der Baumarten unter Konkurrenz und unter den zukünftigen Klimabedingungen. Das Modell hat damit aber auch gewisse Grenzen. So werden die Anfälligkeit für Klimaextreme wie Dürreperioden oder Spätfröste, aber auch die Reaktion unterschiedlicher genetischer Herkünfte nicht erfasst. Diese Fakten müssen jedoch mit in die Überlegungen einbezogen werden, um zu konkreten standortsbezogenen Anbauempfehlungen zu kommen.
Damit bleiben zwar viele Unsicherheitsfaktoren für unsere waldbauliche Arbeit, aber so pardox es klingen mag: Gerade diese Unsicherheiten sind es, die unser Handeln bestimmen müssen. Die beste Möglichkeit, sich gegen Unsicherheiten abzusichern, ist – ähnlich wie bei einem Aktiendepot – das Risiko zu streuen. Auf ökologische Begriffe übertragen: Wir müssen eine möglichst hohe Diversität im Bezug auf Baumarten, Genetik und Waldstrukturen erreichen. Für das künftige waldbauliche Handeln gilt deshalb:
- Der Waldumbau mit klimatoleranten Baumarten muss stärker als bisher vorangebracht werden.
- Ein naturnaher Waldbau bietet geeignete Anpassungsstrategien.
Risikominderung durch Intensivierung des Waldumbaus
Abb. 2: Naturnaher Waldbau mit langfristigen und natürlichen Verjüngungsverfahren ist für die Anpassung unserer Wälder an den Klimawandel bedeutsam (Foto: Boris Mittermeier).
Das Modell der Klimahüllen zeigt, dass viele Baumarten der natürlichen Waldgesellschaften mit hoher Wahrscheinlichkeit gut mit dem Klimawandel zurecht kommen werden. Es zeigt uns aber auch, dass die Fichte auf vielen Standorten in Bayern in Zukunft Probleme bekommen wird. Trotzdem wird auch künftig die Fichte auf geeigneten Standorten insbesondere in den Mittelgebirgen und den Alpen als führende Baumart in Mischbeständen eine wichtige Rolle spielen.
Der Fichtenanteil ist in den letzten Jahren in Bayern zwar zurückgegangen, liegt aber nach den Ergebnissen der Zweiten Bundeswaldinventur immer noch bei rund 45 %. In den Wäldern bis 20 Jahre sind es 43 %. Eine Intensivierung des Waldumbaus in gefährdeten Gebieten ist also dringend erforderlich: Wir werden unsere Fichtenanteile regional deutlich stärker absenken müssen als bisher, wenn wir uns künftig nicht Katastrophen ausliefern wollen. Dies erfordert auf kritischen Standorten eine deutlich frühzeitigere Einleitung der Verjüngung von Fichtenbeständen als bisher üblich.
Was tun wir mit bereits vorhandener Fichtennaturverjüngung? Wir sollten sie akzeptieren, wo wir sie haben, aber durch geeignete Pflege- und Durchforstungsverfahren möglichst vital und stabil erziehen. Im Einzelfall kann auf ungeeigneten Standorten auch in Erwägung gezogen werden, unerwünschten Fichtenanflug aktiv zu entfernen. Hauptziel muss es aber gerade auf den kritischen Standorten sein, durch frühzeitiges Einbringen von standortgemäßen Baumarten die Anteile der Fichte deutlicher als bisher zu reduzieren.
Wie sollen wir künftig mit der Kiefer umgehen? Diese zählt nach dem Klimahüllenmodell ebenfalls zu den kritischen Baumarten. Hier sind allerdings noch Fragen offen. Gerade die Pioniereigenschaft der Kiefer, ihre hohe genetische Variabilität und ihre breite ökologische Amplitude lassen sich mit den Klimahüllen nur bedingt abbilden. Andererseits wird aktuell in einzelnen warm-trockenen Regionen außerhalb Bayerns, wie der südlichen Oberrheinebene und dem Wallis, verstärkt ein Absterben bei der Kiefer beobachtet. Es gibt jedoch derzeit keinen Grund, den Umbau von Kiefernbeständen in dem Umfang zu forcieren, wie es bei der Fichte notwendig ist. Die Einbringung von Laubholz in Kiefernbestände war bisher ein wichtiges waldbauliches Ziel und wird dies auch künftig sein. Viel wichtiger ist es, in Kieferngebieten die Fichte nicht zu massiv in Kiefernbestände einwachsen zu lassen. Ziel muss es sein, auf geeigneten Standorten die Kiefer als führende Baumart zu halten und wo sie sich in Einzelmischung natürlich einstellt, als Mischungselement in die nächste Waldgeneration zu übernehmen.
Der Grundsatz eines naturnahen Waldbaus, den Anteil der Baumarten der natürlichen Waldgesellschaften weiter zu erhöhen, ist aktueller denn je. Buche, Eichen und Edellaubbäume scheinen mit dem Klimawandel vergleichsweise gut zurecht zu kommen. Auch die Bedeutung der Tanne wird steigen. Sie kann als massenreiche Baumart auf einem weiten Standortsspektrum die Fichte in stärkerem Umfang als bisher ersetzen. Auch die Beteiligung bewährter Fremdländer wie der Douglasie ist eine Möglichkeit, leistungsfähige und stabile Wälder zu begründen. Allerdings sollte sie nicht zu großflächig und nur in Mischung mit Laubholz eingebracht werden.
Naturnaher Waldbau – Modell mit Zukunft
Der Umbau unserer Wälder lässt sich nicht von heute auf morgen vollziehen. Kahlschläge und radikaler Bestockungswandel sind deshalb genauso wenig sinnvoll wie die Hände in den Schoß zu legen und das waldbauliche Handeln den Stürmen und den Borkenkäfern zu überlassen. Aktives waldbauliches Handeln ist auch nötig, um das zunehmende Risikopotenzial nicht auf die nächsten Generationen zu verlagern. Ein naturnaher Waldbau, wie er seit mehr als drei Jahrzehnten in Bayern mit Erfolg praktiziert wird, bietet hierfür optimale Voraussetzungen.
Neben der verstärkten Beteiligung von Baumarten der natürlichen Waldgesellschaft kann auch mit waldbaulichen Verfahren die Anpassung unserer Wälder an den Klimawandel unterstützt werden. So sollten wir künftig noch mehr als bisher auf langfristige und kleinräumige Verjüngungsverfahren setzen, um unsere Waldbestände ungleichaltrig aufzubauen.
Denn Ungleichaltrigkeit, also horizontale Diversität, ist ein Mittel der Anpassung: Wo Vorausverjüngung sowie Unter- und Zwischenstand vorhanden sind, können Ausfälle in der Hauptschicht besser kompensiert werden. Zugleich ist die Naturverjüngung als wesentlicher Bestandteil der naturnahen Forstwirtschaft auch für die Anpassung an den Klimawandel von hoher Bedeutung. Denn wir wissen, dass Naturverjüngungen bei den meisten Baumarten eine hohe genetische Vielfalt aufweisen. Damit erhalten wir ein breites und kostenloses Selektionspotenzial, das Klimaänderungen leichter abmildern kann. Vor allem aber sollten wir künftig bei der Waldbewirtschaftung auf möglichst viele Baumarten in trupp- und gruppenweiser Mischung setzen.
Auch bei der Waldpflege können Maßnahmen der Anpassung greifen. Durch Förderung klimatoleranter Mischbaumarten bei Pflege und Durchforstung erhöhen wir die Diversität und damit die Anpassungsfähigkeit der Bestände. Wo bereits jetzt die Mischbaumarten in der Fichte fehlen, ist der konsequente Waldschutz gegen Borkenkäfer und die frühzeitige Einbringung von Mischbaumarten dringlicher denn je. Ein weiterer Faktor sind schließlich rechtzeitige und konsequente Pflegeeingriffe, um die Vitalität der Einzelbäume zu erhöhen. Denn vitale Bäume in verringerter Konkurrenzsituation werden auch mit klimainduziertem Stress durch Trockenheit leichter fertig.
Entscheidend ist es aber vor allem, die Rahmenbedingungen für den Waldumbau optimal zu gestalten. Das gilt besonders für die Schaffung angepasster Wildbestände. Angesichts der großen Aufgaben und der hierzu nötigen hohen Investitionen, die der Waldumbau von den Waldbesitzern verlangt, ist die Umsetzung des Grundsatzes "Wald vor Wild" heute wichtiger denn je. Hierzu sind vielerorts noch große Anstrengungen nötig.
Neue Forschungsschwerpunkte
Abb. 3: Buchenvoranbau unter Fichte: Eine Intensivierung des Waldumbaus in gefährdeten Gebieten ist dringend erforderlich (Foto: R. Nörr).
Die Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel müssen künftig einen breiten Raum in der forstlichen Forschung einnehmen. Dies gilt ganz besonders für die Erarbeitung von Baumartenempfehlungen. Die Klimahüllen sind hier ein wichtiges Hilfsmittel. Aber wir müssen als nächsten Schritt zu konkreten standortsbezogenen Aussagen kommen. Dabei müssen zahlreiche weitere Faktoren mit einbezogen werden. Den genetischen Fragen, vor allem der Eignung unterschiedlicher Herkünfte und lokaler Rassen, müssen wir uns dabei intensiv widmen. Gerade bei der Tanne gibt es Herkünfte, die speziell an warm-trockene Klimabedingungen angepasst sind. Auch bei der Douglasie, die von vielen als der ideale Ersatz für die Fichte gesehen wird, spielt die Frage der Genetik eine entscheidende Rolle. In ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet in Nordamerika nimmt die Douglasie mit ihren Rassen ein sehr weites Standortsspektrum ein. Aber nur ein Teil dieser Bestände wurde für Anbauten in Mitteleuropa beerntet und wiederum nur ein Teil dieser Bestände ist für die Saatgutgewinnung zugelassen. Hier müssen wir eine intensive wissenschaftliche und praxisbezogene Diskussion auf breiter Basis führen.
Um das Spektrum der künftig zur Verfügung stehenden Baumarten zu erweitern, müssen wir uns auch verstärkt mit dem Anbau von nicht heimischen Baumarten beschäftigen. Dabei können wir zum einen bereits auf ein großes Potenzial von Versuchsanbauten aufbauen. Zum anderen müssen wir uns mit weiteren erfolgversprechenden Arten beschäftigen und durch Anbauversuche entsprechende Erfahrungen sammeln.
Unser bisheriges Leitbild der naturnahen Forstwirtschaft, insbesondere die Erhöhung der Anteile von Laubholz und Tanne, die Schaffung gemischter und gestufter Bestände, bleibt auch unter den Aspekten des Klimawandels ein Modell mit Zukunft. Entscheidend ist es, den Waldbesitzern zu vermitteln, dass wir auf den Klimawandel reagieren müssen, aber auch reagieren können. Für überstürztes Handeln besteht dabei aber keinerlei Anlass. Oder wie es Dr. Lutz Spandau, Vorstand der Allianz Umweltstiftung formuliert: "Was wir brauchen, ist Sachverstand, Ruhe und Pragmatismus – und vor allem eine Haltung, die sagt, wir werden das bewältigen".
Franz Brosinger leitete das Referat Waldbau und Nachhaltssicherung des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Stefan Tretter war stellvertretender Leiter dieses Referats.