Wenn vom Klimawandel und seinen Auswirkungen auf alle Bereiche des Lebens geredet wird, dann entsteht häufig der Eindruck, als würde es sich um ein Ereignis der ferneren Zukunft handeln. Die Sorge darum scheint dann nicht so dringlich, die Angelegenheiten des Tagesgeschäfts gehen vor. Im forstlichen Bereich kann diese Sorglosigkeit schnell zu fatalen Folgen führen, sind doch Wälder hochgradig vom Klima abhängige Ökosysteme. Bei einer scheinbar optimistischen und das Problem vertagenden Haltung übersieht man die Tatsache, dass wir bereits mitten im Wandel stecken. Ein erstes halbes Grad globaler Erwärmung haben wir schon überschritten. Um die Auswirkungen dieses bereits abgelaufenen Klimawandels in den Wäldern zu entdecken, muss man sich allerdings auf die Reise machen und etwas näher hinschauen. Dann erkennt man die Zeichen der Zeit bereits jetzt. Klimawandel ist keine Zukunfts-, sondern eine Gegenwartsfrage.

Randexistenzen

Will man den Klimawandel im Wald beobachten, muss man an die Ränder der Verbreitung der Baumarten gehen. Jede Baumart besitzt einen klimatischen Bereich, in dessen Zentrum sie optimal gedeiht. An den Rändern geht die Vitalität zurück, bis schließlich überhaupt kein Vorkommen mehr möglich ist. Die Ökologen bezeichnen diesen Bereich auch als "ökologische Nische".

Die Grafik in Abb. 1 zeigt z.B. die von Jahrestemperatur und Jahresniederschlägen gebildete Nische (oder auch "Klimahülle") der Rotbuche. Es leuchtet unmittelbar ein, dass die mit einer Temperaturerhöhung und Abnahme der Niederschläge einhergehenden Auswirkungen des Klimawandels zuerst am äußersten linken und oberen Rand des Verbreitungsbereichs zu entdecken sind. Die jetzt schon "marginalisierten" Randexistenzen am Wärme- und Trockenrand der Verbreitung verdienen unsere besondere Aufmerksamkeit. Bei den saturierten "Mittelständlern" im Zentrum des Verbreitungsbereichs werden wir zunächst keine so großen Reaktionen auf den Klimawandel beobachten können. Am entgegengesetzten kühl-feuchten Rand ist alle Sorge überflüssig. Hier können wir im Gegenteil positive Auswirkungen des Klimawandels erwarten, weil bei dem bisher herrschenden Wärmemangel jedes Grad Wärme dankbar in Wachstum umgewandelt wird. Begeben wir uns also auf unsere Reise zu den Randexistenzen unter den Wäldern, die den Klimawandel bereits in der Gegenwart erfahren.

Wir beginnen unsere Reise im heimischen Mittelfranken am Rande des Anbaugebiets der Fichte. Dann suchen wir Südskandinavien auf, um die Wanderung der Stechpalme nach Norden zu beobachten. Wir schwenken nach Nordspanien, wo die Rotbuche ihren südwestlichsten Vorposten mehr schlecht als recht verteidigt. Weiter geht es in die Schweiz: Im Wallis zieht sich die Waldkiefer an ihrer Wärme- und Trockengrenze langsam zurück und wird von der submediterranen Flaumeiche abgelöst. Im Tessin profitieren die Hanfpalme und andere immergrüne Laubgehölze von den milden Wintern und verwildern aus den Gärten heraus in die umliegenden Wälder. Zum Schluss wechseln wir noch die Hemisphäre und begeben uns nach Australien, um uns mit den Tücken der klimatischen Spezialisierung von Baumarten vertraut zu machen. Es ist eine Fahrt ohne Reisekosten, denn die Beobachtungen wurden von Spezialisten vor Ort gemacht und für uns in der Fachliteratur aufnotiert.

Auch nach der Reise bleibt viel zu tun ...

Jede Reise bringt eine Fülle von Erkenntnissen, wenn man nur die Augen offen hält. Unsere Besuche bei Wäldern im Klimawandel werden uns, das Fehlen offensichtlicher klimabedingter Veränderungen in vielen Wäldern vor unserer Haustür nicht zu unterschätzen. Wir stehen in vielen Entwicklungen erst am Anfang, nicht alle Wälder und Baumarten sind dem Wandel gegenüber gleich anfällig. Die Beispiele der Reise zeigen jedoch, wie schnell unter gewissen Bedingungen Wälder schon auf gering erscheinende Klimaveränderungen reagieren können. Umso wichtiger ist es, den Wandel mit klimapolitischen Maßnahmen zu begrenzen und schon jetzt anfällige Wälder mit Maßnahmen des Bestockungswandels ohne Zögern an die neuen Verhältnisse anzupassen.