Wälder in Österreich und ganz Mitteleuropa werden seit Jahrzehnten multifunktional bewirtschaftet. Bei dieser Bewirtschaftung wird auf einer Waldfläche nicht nur Holz produziert, sondern zugleich sichergestellt, dass alle anderen Waldfunktionen und Ökosystemleistungen erhalten bleiben. Dazu gehören neben der Nutzfunktion auch die Schutzfunktion, die Erholungsfunktion und die Erhaltung des Waldes als Lebensraum für Tiere, Pflanzen und Pilze, also für die waldtypische biologische Vielfalt. 

Diese multifunktionale Bewirtschaftung ist in Paragraph 1 des Forstgesetzes 1975 gesetzlich abgesichert und hat weitreichende Konsequenzen für die Erhaltung von Wäldern und deren Bewirtschaftung. Sie steht im Gegensatz zur segregativen Bewirtschaftung, die vor allem in Amerika oder Australien präferiert wird und bei der verschiedene Waldfunktionen auf unterschiedlichen Waldflächen realisiert werden. Hier dient beispielsweise ein Teil der Flächen ausschließlich der Holzproduktion, ein anderer Teil der Erholung und ein weiterer Teil dem Schutz der Biodiversität.

Dadurch stehen intensiv bewirtschaftete Plantagen mit Umtriebszeiten von zehn bis dreißig Jahren unberührten Nationalparks gegenüber. Der strenge gesetzliche Schutz von Wald und die Regelung seiner multifunktionalen Bewirtschaftung zahlen sich aus. So ist Europa neben Asien der einzige Kontinent, dessen Waldfläche in den letzten Jahrzehnten angewachsen ist und dessen Holzvorräte (und damit der im Wald gespeicherte Kohlenstoff) stetig zugenommen haben.

Der Klimawandel bedroht regionalwichtige Waldfunktionen

Mit dem Klimawandel, der bereits heute unseren Wald und dessen Bewirtschaftung stark beeinflusst, steht auch die Multifunktionalität auf dem Prüfstand. Eindeutige Anzeichen dafür sind die Zunahme der Schäden durch Borkenkäfer sowie direkte Schäden durch Trockenheit. Ganz unmittelbar gefährden die zunehmenden Schäden die Nutzfunktion, also die Bereitstellung des Rohstoffs Holz für die Holz- und Papierindustrie. Das zeigt sich unter anderem auch in der extrem hohen Volatilität der Holzpreise der letzten fünf Jahre, die von einem 15-jährigen Minimum im Herbst 2020 (zur Hochphase der Borkenkäferschäden) auf ein Rekordhoch im Sommer 2022 (als Folge der Coronapandemie) angestiegen sind. 

Besonders dramatisch sind die Folgen für die direkt betroffenen Forstbetriebe, denn innerhalb weniger Jahre mussten die Holzernten der nächsten Jahrzehnte als Schadholz entnommen werden und fehlen nun in den kommenden Dekaden. Zugleich wirken sich die zunehmenden Schäden auch auf die Erholungs- und Schutzfunktion aus. Zum Beispiel mussten in der Folge massiver Borkenkäferschäden zahlreiche Wander- und Radwege geschlossen werden. Viel dramatischer sind die Folgen jedoch für die ortsansässige Bevölkerung insbesondere in Bergregionen wie Osttirol und Oberkärnten. Hier bedrohen die Borkenkäferschäden nicht nur den Wald, sondern dessen essenzielle Schutzfunktion für die im Tal gelegenen Höfe und Gemeinden. Diese Schutzfunktion vor Lawinen und Steinschlag kann kurzfristig meist nur durch technische Verbauungsmaßnahmen wiederhergestellt werden.

Die Kosten dafür sind im Vergleich zu waldbaulichen Maßnahmen gewaltig. Nach Schätzungen der Wildbach- und Lawinenverbauung betragen die Kosten für technische Schutzmaßnahmen das 146-fache einer Schutzwaldpflege und etwa das Zehnfache einer Schutzwaldsanierung. Daher sind im Schutzwald genauso wie im Wirtschaftswald Umbaumaßnahmen zu klimafitten Wäldern geboten.
 

Klimafitte Wälder dienen der Sicherung der Waldfunktionen

Als „klimafit" werden Wälder bezeichnet, welche die drei folgenden Kriterien erfüllen: Erstens tragen sie zu einer fortlaufenden Entnahme von Treibhausgasen aus der Atmosphäre bei, zweitens weisen sie eine hohe Resilienz gegenüber den Folgen des Klimawandels auf (das heißt, sie können sich nach den unvermeidbar auftretenden Störungen wie Sturm, Borkenkäferbefall und Trockenheit schnell wieder regenerieren), drittens tragen sie zur Produktion von nachwachsenden Rohstoffen sowie zur nachhaltigen Versorgung der Bioökonomie bei und ersetzen dadurch fossile Rohstoffe. 

Der Weg zu klimafitten Wäldern führt über eine klimasmarte Forstwirtschaft. Welche waldbaulichen Maßnahmen dabei im Einzelnen getroffen werden müssen, hängt stark von den Voraussetzungen am Standort ab, trotzdem gibt es einige generelle Empfehlungen. Dazu gehören die Erhöhung der Baumartenvielfalt, der Einsatz von Saat- und Pflanzgut, das mit den zukünftigen Klimabedingungen zurechtkommt, eine rechtzeitige Pflege und Durchforstung, um instabile Bestände und eine Entmischung zu vermeiden, und die Regulierung der Wildbestände, um klimafitte Baumarten in der Waldverjüngung zu fördern. 

Diese durch aktive forstliche Bewirtschaftung umzusetzenden Maßnahmen stehen nicht im Widerspruch zum Schutz unserer Wälder und der Biodiversität im Wald. Ganz im Gegenteil: Durch das Einbringen und Fördern zusätzlicher Baumarten entsteht eine Vielfalt, die nicht nur als Risikovorsorge im Klimawandel gilt, sondern auch wichtige Lebensräume schafft und sichert. Daher erfüllt der Waldumbau zu klimafitten Wäldern bereits per definitionem den Anspruch der Multifunktionalität, der im Forstgesetz gefordert wird.

Für einen erfolgreichen klimasmarten Waldumbau ist nicht nur die Forstwirtschaft allein, sondern auch die Holzindustrie und die breitere Gesellschaft verantwortlich. Die Holzindustrie steht beispielsweise vor der Herausforderung, neue Holzverwendungen aus dem steigenden Aufkommen von Laubholz zu entwickeln, damit dieses in langlebigen Produkten eingesetzt werden und so als Kohlenstoffspeicher dienen kann. Die Gesellschaft wiederum ist gefordert, Holzprodukte möglichst lange wiederzuverwerten und Vorurteile gegenüber wichtigen Waldumbaumaßnahmen wie einer stärkeren Bejagung abzubauen.
 

Silvio Schüler leitet das Institut für Waldwachstum, Waldbau und Genetik am Österreichischen Bundesforschungszentrum für Wald (BFW). Zentrale Themen seiner Forschungsarbeit sind Klimawandel, Produktivität und Bioökonomie. Ein Schwerpunkt dabei ist die Entwicklung von Waldbaukonzepten der Zukunft.