Je nach Zielsetzung spielen bei der Baumartenwahl unterschiedliche Kriterien eine Rolle. Größtenteils lassen sich diese Kriterien grundsätzlich vier übergeordneten Kategorien zuordnen (Abb 1).
Entscheidungshilfe – Angepasstheit an abiotische Faktoren
Eine gute Standortkenntnis ist dabei eine grundlegende Voraussetzung für die Planung und Bewirtschaftung im Wald, da die vorherrschenden Standortverhältnisse direkten Einfluss auf die Vitalität und Stabilität der jeweiligen Baumart haben. Dabei gilt: Waldboden ist nicht gleich Waldboden. Aufgrund unterschiedlicher geologischer Ausgangsgesteine, unterschiedlicher Entwicklungsprozesse und Bewirtschaftungsformen gibt es starke regionale Unterschiede zwischen Waldböden und deren Eigenschaften. Wichtige Informationen über die bedeutendsten standörtlichen Parameter wie Bodentypen, Substrat oder Humusgehalt der Oberböden liefert dabei z. B. das Landesamt für Geologie, Rohstoff und Bergbau Baden-Württemberg (LGBR).
Eine nachhaltige und verantwortungsvolle Waldbewirtschaftung setzt neben der Kenntnis der standörtlichen Verhältnisse auch die Auseinandersetzung mit den Eigenschaften der jeweiligen Baumart voraus. Ein geeignetes Hilfsmittel, um sich einen Überblick über die Eigenschaften unterschiedlicher Baumarten zu verschaffen, stellen dabei die Ökogramme nach Ellenberg dar. Mit Hilfe eines Ökogramms lassen sich wichtige Parameter wie die ökologische Potenz und die Konkurrenzkraft einer Baumart ableiten, sowie deren Ansprüche hinsichtlich der Wasserverfügbarkeit und des pH-Wertes.
Eine weitere Hilfestellung bieten in diesem Kontext die Klimahüllen von Kölling. Die Idee der Klimahüllen basiert dabei auf dem Konzept der "ökologischen Nischen", die das Vorkommen einer Art in Abhängigkeit unterschiedlicher Umweltfaktoren beschreibt. 2007 wurden für 27 Baumarten Klimahüllen erstellt, die eine Möglichkeit bieten die klimatischen Ansprüche anhand der Parameter Niederschlag und Temperatur innerhalb des natürlichen Verbreitungsgebietes der Baumarten mit dem heutigen und (möglichen) zukünftigen Klima in Deutschland zu vergleichen.
Anschließend daran ermöglicht die Internetplattform KlimafolgenOnline.com sich über mögliche Folgen des Klimawandels in Deutschland zu informieren. Die Plattform bietet für den Zeitraum 1901-2010 (Messdaten) und den Zeitraum 2011-2100 (Simulationsdaten) unter anderem Informationen zu Parametern wie Temperatur, Niederschlag oder Waldbrandgefahr.
Entscheidungshilfe – Anpassungsfähigkeit
Neben der Angepasstheit einer Baumart an die (heutigen) standörtlichen Gegebenheiten, ist auch die Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Umweltbedingungen in Zeiten des Klimawandels ein wichtiger Faktor, den es bei der Baumartenwahl zu berücksichtigen gilt. Arten, die aufgrund einer breiten physiologischen Amplitude eine hohe Anpassungsfähigkeit aufweisen oder sich durch eine hohe Stresstoleranz auszeichnen, sind dabei von besonderem Interesse.
Informationen über die mittel- bis langfristige Anbaueignung unterschiedlicher Baumarten liefern dabei Baumarteneignungskarten. In diesen Karten wird die zukünftige Anbaueignung unter Berücksichtigung unterschiedlicher Klimaszenarien graphisch dargestellt. Zusammen mit den Vulnerabilitätskarten, in denen Waldbestände hinsichtlich der Gefährdung durch klimawandeltypische Mortalitätsrisiken klassifiziert werden, stellen Baumarteneignungskarten eine fundierte Entscheidungsgrundlage für die Baumartenwahl dar.
Eine weitere Hilfestellung zur Einschätzung der Anpassungsfähigkeit einer Baumart liefert ihr natürliches Verbreitungsgebiet. Anhand des natürlichen Verbreitungsgebietes lässt sich grundsätzlich die klimatische Nische einer Baumart ableiten. Mit den so gewonnen Informationen können Aussagen über Eigenschaften wie Wärme-, Kälte-, oder Trockentoleranz einer Baumart getroffen werden.
Neben der natürlichen Verbreitung einer Baumart und der damit verbundenen klimatischen Nische ist auch die Herkunft einer Baumart innerhalb ihres Verbreitungsgebiets ein wichtiger Faktor, der über spezifische Eigenschaften wie die Trocken- oder Frosttoleranz eines Individuums entscheidet. Denn aufgrund des oftmals sehr weitläufigen Verbreitungsgebietes einer Baumart kommt es über lange Zeiträume zur Bildung lokaler Rassen, die sich an die jeweils herrschenden standörtlichen Bedingungen angepasst haben. Somit ist neben der Wahl standortsgerechter Baumarten auch die Wahl der entsprechenden Herkunft von entscheidender Bedeutung für die Etablierung vitaler und stabiler Bestände. Dabei sollte sich die Provenienz nicht nur durch eine Angepasstheit an das künftige Klima und die Erfüllung der Ansprüche an Qualität und Massenleistung auszeichnen, sondern auch die benötigte hohe genetische Diversität und eine breite physiologische Amplitude aufweisen, um sich an sich wandelnde Umweltbedingungen anpassen zu können. Neben den positiven Effekten wie erhöhte Stresstoleranz oder erhöhte Anpassungsfähigkeit birgt die Wahl der Herkunft auch Risiken. Die Wahl der falschen Herkunft kann sich negativ auf Wuchsleistung, Holzqualität und Anfälligkeit gegenüber Schädlingen auswirken. Daher ist es wichtig, die Herkunftsempfehlungen der unterschiedlichen Forstverwaltungen zu beachten.
Abb. 2: Neu begründete Bestände müssen sowohl an derzeitige wie auch zukünftige Bedingungen angepasst sein.
Foro: FVA/H. Gössl
Entscheidungshilfe – Wirtschaftlichkeit
Je nach Zielsetzung sind bei der Baumartenwahl neben ökologischen auch ökonomische Aspekte von entscheidender Bedeutung. Zur Wirtschaftlichkeit einer Baumart zählen u.a. Faktoren wie Stabilität, Produktionsaufwand, Wertschöpfung und Ertragskraft und die damit verbundene Betriebssicherheit. Auf viele dieser Faktoren nehmen allerdings auch die bereits erwähnten Aspekte Einfluss, da vitale und stabile Baumindividuen und Bestände z. B. zu einer Verringerung des Produktionsrisikos beitragen. Dennoch gibt es auch eine Reihe von Anhaltspunkten, die eine Aussage über die Leistung einer Baumart zulassen.
So können zur Ermittlung der Ertragsklasse und des laufenden Gesamtzuwachses (LGz) in gleichaltrigen Rein- und Mischbeständen Schätzhilfen angewandt werden.
Eine weitere Möglichkeit zur Einschätzung der Leistung einer Baumart liefert die sogenannte Höhenwuchsleistung. Hierfür wird üblicherweise die Höhe über dem Alter in einem Diagramm dargestellt. Mithilfe der Daten aus der dritten Bundeswaldinventur (2012) kann so aufgezeigt werden, welche Höhenwuchsleistung für eine Baumart bzw. einen Bestand in Deutschland möglich ist. Die Diagramme bieten somit einen Anhaltspunkt für die Ertragsfähigkeit einer Baumart.
Entscheidungshilfe – Waldschutz
Die Auswirkungen des Klimawandels beschränken sich nicht nur auf die in Waldökosystem vorkommende Flora, sondern auch auf die dort vorkommende Fauna. Mit dem Zusammenspiel von mehr Wärme und einer Änderung der Niederschläge können sich auch hinsichtlich des Vorkommens und der Dynamik von Insektenpopulationen Situationen ergeben, für die es bisher keinen Vergleich gibt. Die Borkenkäferkalamitäten, wie wir sie in den letzten Jahren erleben mussten, sind hierfür nur ein Beispiel. Daher sind Aspekte des Waldschutzes gerade in Zeiten des Klimawandels noch stärker bei der Baumartenwahl zu berücksichtigen. Dennoch muss man sich dabei bewusst sein, dass sich das Waldschutzrisiko einer Baumart im Zuge des Klimawandels und der Globalisierung durchaus verändern kann.
Eine zusammenfassende Einschätzung des aktuellen Waldschutzrisikos für unterschiedliche Baumarten bieten z. B. Praxishilfen oder Artensteckbriefe. In ihnen gibt es unter anderem nähere Informationen zu auftretenden Schadinsekten, Pilzen, Komplexkrankheiten und der Verbisssituation. Dabei gilt: Eine Baumart ohne Waldschutzrisiko gibt es bisher nicht.
Literatur
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Ratgeber Forstliches Krisenmanagement
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