Unsere Urenkelkinder werden in anderen Wäldern spielen, als in denen wir unsere Kindheit verbracht haben. Denn: Die Klimaveränderung wird dazu führen, dass Regen und Schnee weniger oft und anders verteilt über das Jahr fallen wird. Die Mitteltemperatur wird steigen. Um wissenschaftlich fundierte Aussagen über die zukünftige Entwicklung des Klimas treffen zu können, verwenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Emissionsszenarien – sogenannte RCP-Szenarien – die von der internationalen Klimaforschung definiert werden. Kein Blick in die Glaskugel oder Science-Fiction, sondern eine faktenbasierte Arbeit. 

Bei einem Szenario mit mäßigem Klimaschutz (RCP 4.5; Treibhausgasemissionen steigen bis zur Mitte des Jahrhunderts) wird für die Steiermark im Mittel eine Temperaturerhöhung von 2 Grad Celsius im Vergleich zu der Periode 1989-2018 erwartet. Bei konstant steigenden Treibhausgasemissionen bis Ende des Jahrhunderts (RCP 8.5) wird für die Steiermark mit einem mittleren Anstieg der Temperatur von etwa 4 Grad Celsius gerechnet. Zum Vergleich: Die Klima-Normalperiode von 1991-2020 war in Österreich im Mittel um 1,3 Grad Celsiuswärmer als die vorangegangenen 30 Jahre.

Im Zuge des Projektes FORSITE „Dynamische Waldtypisierung Steiermark“ wurde für das Bundesland eine flächendeckende Modellierung von Waldstandorten durchgeführt, die neben der Charakterisierung der Standorte auch eine Einschätzung der Baumarteneignung im aktuellen und zukünftigen Klima umfasst. Da in der Steiermark eine Temperaturerhöhung um 1 Grad Celsius zu einer Verschiebung der Höhenstufen um etwa 200 Höhenmeter führt, wird die Änderung der thermischen Verhältnisse einen starken Wandel der Baumartenzusammensetzung bedeuten.

Auf nach Fürstenfeld

Anhand von zwei Beispielen soll dies verdeutlicht werden. Beispielwald 1 stellt einen Eichen-Hainbuchen-Waldstandort nördlich von Fürstenfeld auf 300 Meter Seehöhe dar. Der Boden weist eine mittlere Nährstoffversorgung auf und ist mäßig frisch bis frisch, also gut wasserversorgt. Dieser Waldtyp deckt mehr als zehn Prozent der Waldfläche in der Steiermark ab. Charakteristisch für die sehr milde Laubwaldzone ist die Waldgruppe der Eichen-Hainbuchen-Wälder auch in der Gegend um Fürstenfeld und in niederen Lagen in und um Graz vorzufinden. 

Jetzt werden die Modellrechner angeworfen: Im mäßigen Klimawandelszenario wird sich bis zum Jahr 2100 die Jahresmitteltemperatur in dieser Gegend um etwa 1,6 Grad Celsius erhöhen und der Standort entwickelt sich zu einem (kollinen) mäßig warmen Laubwald mit der Waldgruppe Balkan-Eichen-Hainbuchen. Im Falle des RCP 8.5- Szenarios (Temperaturerhöhung um 3,4 Grad Celsius) entspricht dies künftig der (sub-)mediterranen, sehr warmen Laubwald-Zone mit mediterranen Eichenarten. Dabei fällt in Summe zwar jährlich etwas mehr Niederschlag, was jedoch durch längere Trockenperioden und Vegetationszeiträume mehr als ausgeglichen wird. 

Die Konsequenz daraus: Fichte ade. Die aktuell dort noch weit verbreiteten Fichtenbestände werden Ende des Jahrhunderts in beiden Szenarien nicht mehr vorhanden sein. Neben bereits heute geeigneten Baumarten wie der Buche, Hainbuche, Winterlinde, Spitzahorn, Edelkastanie und der Stiel- und Traubeneiche werden insbesondere die Walnuss, Balkan-Eiche, Zerreiche und Flaumeiche eine gewichtige Bedeutung zukommen. Die Kinder können künftig mehr Maroni in den Wäldern finden.

Auf der Meßnerin im Hochschwab-Massiv

Rund 100 Kilometer Luftlinie davon entfernt befindet sich der Berg Meßnerin am südlichen Rand des Hochschwabmassives. Beispielwald 2 liegt auf zirka 1500 Meter Seehöhe auf karbonatischem Untergrund in der sehr kühlen Nadelwald-Zone – einem typischen (hochmontanen) Fichten-Tannenwald-Standort. Was ergibt die Prognose für das Jahr 2100? Die Jahresmitteltemperatur steigt um 2 Grad Celsius (RCP 4.5) bzw. 3,5 Grad Celsius (RCP 8.5). Dadurch findet sich der Standort Ende des Jahrhunderts im Fall einer mäßigen Klimaerwärmung in der mäßig kühlen Mischwald-Zone mit der Waldgruppe Fichten-Tannen-Buchenwald wieder, im Extremszenario in der mäßig milden Laubwaldzone mit der Waldgruppe Buchenwald. 

Für die Meßnerin lässt sich eine starke Änderung der Baumartenzusammensetzung erwarten, da der Faktor Borkenkäfer mehr Gewicht bekommt: Die höheren Temperaturen ermöglichen dessen stärkere Vermehrung. Monostrukturierte Fichtenbestände werden zurückgedrängt. Tanne, Lärche, Buche und Bergahorn werden häufiger beigemischt vorkommen. Im Extremszenario werden die Standorte Ende des Jahrhunderts sogar für Stiel- und Traubeneichen-Keimlinge geeignet sein. 

Waldtypisierung und FORSITE

In FORSITE entstand ein digitales Beratungsinstrument, das für jeden Waldstandort der Steiermark konkrete Empfehlungen für eine standortangepasste, klimafitte Baumartenwahl liefert, abzurufen unter www.waldtypisierung.steiermark.at.


„Die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer können sich die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf ihren Wald für die nächsten 80 Jahre in hoher räumlicher Auflösung anschauen. Dieses Wissen können sie bei der Baumartenwahl in ihre waldbaulichen Entscheidungen einfließen lassen.“

Michael Englisch, FORSITE-Projektkoordinator am BFW
 

Zusammenspiel von Klima, Wasser und Nährstoffen

Eine Herausforderung für das Projektteam war es, die über eine Million Hektar Wald der Steiermark in ähnliche Kategorien, sogenannte Waldtypen, zusammenzufassen. Der Waldtyp ist die Basiseinheit des Standortssystems, er entspricht jeweils einer Klimazone, einer Wasserhaushaltsstufe und einer Basenklasse auf der entsprechenden Achse eines dreidimensionalen Standortssystems. 
In der forstlichen Standortskunde ging man bislang davon aus, dass diese drei Faktoren jährlich schwanken, aber zumindest innerhalb eines Zeitraums von 100 bis 150 Jahren unverändert bleiben. „Angesichts des Klimawandels muss diese Annahme korrigiert werden: Es häufen sich saisonale Anomalien, das sind Abweichungen von langjährigen Mittelwerten. Deshalb werden Klima-Extreme, wie etwa enorme Sommertrockenheit, stark zunehmen“, sagt Michael Englisch, FORSITE-Projektkoordinator am BFW.

Die Extremwerte aus dem Jahr 2003 könnten unter den künftigen Klimabedingungen im Jahr 2100 die „neuen Mittelwerte“ der Sommertemperaturen sein. Aufgrund der zu erwartenden Veränderungen der Wasser-, Wärme- und Nährstoffhaushalte im Bereich von wenigen Jahrzehnten wurde vom Projektteam das Konzept der dynamischen Waldtypisierung aufgegriffen. Dieses beschreibt ein System von veränderlichen Standortszuständen. Verwendet wurden das digitale Höhenmodell, geologische Basisdaten, Standorts- und Klimadaten sowie neu zu erhebende Standorts- und Bestandesparameter. 

Jede Baumart hat andere Ansprüche: Die eine verträgt etwa keine Staunässe, die andere meidet Kalkstandorte. Für 65 Baumarten wurden die Standortsmerkmale Klimazone, Wasserhaushalt und Basenklasse auf einer Skala von 0-10 zum Wachstumsvermögen in Beziehung gesetzt, wobei 10 die beste Eignung und Null nicht geeignet bedeutet. Dann modellierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Baumarteneignung für die aktuelle Situation und anschließend berücksichtigten sie die Klimawandelszenarien RCP4.5 und RCP8.5.

Durch diese Daten verändern sich an einem Standort das Temperaturregime und die Wasserversorgung sowie der Risikofaktor Trockenheit – und damit die Baumarteneignung. Auf die Waldtypen-Kartierung der Steiermark folgt jetzt jene für Nieder- und Oberösterreich sowie das Burgenland. Im Jahr 2022 startete das gleiche Konsortium bereits die Erhebungen, bis Februar 2025 sollen deren Wälder und die Baumarteneignungen klassifiziert und ausgewertet sein. 

Nicht nur das Erscheinungsbild der Wälder wird sich ändern, auch die Tiere im Wald müssen sich auf neue Umweltbedingungen einstellen. Zum Beispiel sind gewisse Spezialisten von Insekten an Baumarten gebunden wie etwa der Alpenbock an die Buche. Die Käfer finden sich nicht im geschlossenen Buchenwald, sondern an exponiert stehenden, durch Schneebruch, Blitz- oder Steinschlag geschädigten Buchen. Findet die Buche künftig in höheren Lagen auch gute Bedingungen vor, wird der Alpenbock mitwandern.

Vielfalt und bedrohte Tierarten

Auch der Schneehase wird mit dem Klimawandel Schwierigkeiten bekommen. Er trägt im Sommer ein rotbraunes bis bräunlich-graues Haarkleid. Im Winter ist er hingegen, bis auf die schwarzen Löffelspitzen, komplett weiß. Wenn im Winter kein Schnee mehr liegt, ist seine Tarnfarbe – das weiße Fell – von Nachteil: Er wird für seine natürlichen Feinde, wie den Fuchs, sichtbarer. 

Der Klimawandel wird auch den Kuckuck treffen, wenn er ab Mitte April aus Afrika in seine viel zu warmen europäischen Brutgebiete zurückkehrt. Da der Kuckuck seine Eier in die Nester anderer Vögel legt, bedarf es für eine erfolgreiche Brut eines exakten Timings. Zum einen müssen die Wirtsvögel in ausreichender Dichte vorhanden sein. Zum anderen ist zu dieser Zeit und während der Aufzucht der Jungen das Angebot an Insektennahrung entscheidend. Führt ein warmes Frühjahr zu einem verfrühten Vegetationsbeginn, treten auch die an der jeweiligen Pflanze vorkommenden Insekten früher auf. Die Vögel brüten dann bereits zeitiger. Die Synchronisation ihres Brutgeschäfts und der Ankunft des Kuckucks ist somit nicht mehr gegeben. 

Umso wichtiger ist es, die Vielfalt unserer Landschaft außerhalb von Schutzgebieten zu erhalten und den Arten Ausweichräume und Wandermöglichkeiten zu schaffen. Dann werden unsere Urenkelkinder den Kuckuck hoffentlich auch weiterhin „aus dem Walde rufen hören“.