Abb. 2: Kirschenstamm mit glatter Rinde und den typischen mit Lentizellen. (Foto: Weidner)
Abb. 3: Stamm der Vogelkirsche. (Foto: Aldinger)
Verbreitung, Standortsansprüche und Holzverwendung der Vogelkirsche
Die Vogelkirsche, auch Süßkirsche genannt, ist ein schnellwachsender Laubbaum mit breiter kegelförmiger Krone. Charakteristisch ist die rötlich-braune Rinde, die sich mit zunehmendem Alter wegen der vielen Lentizellen ringförmig in waagerechten Streifen ablöst und rissig wird (s. Abb. 1 und 2).
Die Kirsche gehört zur Gattung der Rosengewächse (Rosaceae). Sie ist in ganz Europa heimisch, mit Ausnahme von Nordosteuropa und Teilen der Mittelmeerküste. Sogar in Nordamerika, Vorderasien und Nordafrika ist sie bereits eingebürgert. Sie ist die Wildform der Süßkirschen, welche bei uns im Obstbau bekannt sind. Ihr Lebensraum erstreckt sich vom Tiefland bis auf 1000 m Höhe. In den Alpen und im Kaukasus kommt sie in Strauchform noch bis in Höhen von 2000 m vor. In Baden-Württemberg ist sie überall verbreitet mit Ausnahme der Hochlagen des Schwarzwaldes.
Standort und Zuwachs
Die Kirsche ist sowohl auf tiefgründigen, frischen, nährstoffreichen als auch auf mäßig trockenen bis trockenen Standorten in der kollinen und submontanen Höhenstufe konkurrenzfähig. Sie reagiert empfindlich gegenüber Staunässe; bei Überflutung stirbt sie rasch ab. Auf sommerwarmen, frischen nährstoffreichen Standorten wächst sie an Waldrändern oder in Au- und Laubmischwäldern. Besonders wüchsig ist sie in der kollinen Höhenstufe. So findet die Vogelkirsche optimale Standortsbedingungen beispielsweise in Eichen-Hainbuchenwäldern auf nährstoff- und kalkreichen Lehmböden. Andererseits zeichnet sie sich auch durch ihre Hitze- und Trockenheitsresistenz aus. So kann sie gelegentlich als Pionier auf Schuttflächen vorkommen; in höheren Lagen tritt sie an Waldrändern auf.
In der Jugend, etwa bis ins Alter von 20 Jahren, zeigt sie guten Höhenzuwachs und eine hohe Schattentoleranz, was ihr im Konkurrenzkampf im Bestand mit Esche und Bergahorn zugute kommt. Wenn sie sich in der Dickungsphase durchsetzt, benötigt sie ab dem Baumholzalter freien Kronenraum. Sie kann dann auf besten Standorten bis zu 30 m hoch und über 100 Jahre alt werden. In dieser Phase ist sie auch optimalen Buchenstandorten selbst der Buche überlegen, die danach aber aufholt und sie später überwächst.
Kirschen kommen natürlich nicht in Reinbeständen vor, sondern stets vereinzelt als Begleitbaumart. Für ihr Wachstum benötigt sie ausreichenden Standraum. Sie verjüngt sich natürlich über Samen und häufig über Wurzelbrut. Typische Begleitbaumarten sind Ahorn und Esche. Der Anteil der Kirsche an der baden-württembergischen Waldfläche liegt bei unter 1 %.
Blüten und Früchte
Die Vogelkirsche gilt zwar im Allgemeinen als frosthart, jedoch sind besonders ihre Blüten spätfrostgefährdet. Ihre Blütezeit fällt in den Zeitraum März–April und dauert ca. eine Woche. Die Blüte fällt damit in eine Zeit, in der häufig die letzten Frosttage auftreten. Die Blüten können dann erfrieren, oder Regen und Kälte verhindern eine Bestäubung durch Bienen oder Hummeln. Während der Blütezeit im Frühjahr sind Vogelkirschen wichtige Nahrungsquellen für diese Insekten, die auch im Wesentlichen die Bestäubung der Blüten übernehmen. Die Blätter produzieren an ihrem Stiel Nektardrüsen und locken so im Sommerhalbjahr Raubinsekten an, die den Baum von bestimmten Schadinsekten freihalten.
Nicht nur Menschen genießen die süßen Früchte; Kirschen stellen auch für Vögel, wie schon der Name des Baumes erkennen lässt, eine wichtige Ernährungsgrundlage dar. Auch Säugetiere, zum Beispiel Mäuse, legen sich Wintervorräte mit Kirschkernen an. Somit tragen diese Tiere auch zur Verbreitung der Kirsche bei: Vögel scheiden die unverdauten Kerne wieder aus oder der Nahrungsvorrat wird nicht wieder gefunden und unter günstigen Bedingungen kommt es später zur Keimung. Somit ist die Vogelkirsche das ganze Jahr über vielen Lebewesen ein wichtiger Futterlieferant.
Einen besonderen ästhetischen Wert hat die Vogelkirsche nicht nur im April, wenn ihre weiß-rosa Blüten Waldränder und Kirsch-Regionen in ganz Europa schmücken. Auch ihr Herbstlaub mit orange-roter Färbung ab Mitte Oktober wirkt sehr dekorativ.
Kirschbaumholz und seine Verwendung
Das Kirschbaumholz hat einen gelb-rötlichen bis rotbraunen Kern und einen gelblich-weißen Splint, teilweise mit grünlichen Streifen; durch Lichteinfluss kann die Farbe nachdunkeln, es entsteht dann eine warme, hell-goldgelbe bis dunkel-rotbraune Farbtönung. Die Nachfrage nach Kirschbaumholz ist zwar marktüblichen Schwankungen unterworfen, es ist aber seit Jahrhunderten ein beliebtes Holz für Möbel (besonders in der Biedermeier- und Jugendstil-Zeit). Sowohl Furnier als auch Massivholz wird für hochwertige Innenausstattung in der Möbelindustrie verwendet. Auch im Musikinstrumentenbau ist Kirschbaumholz gefragt und im gehobenen Fahrzeugbau wird Kirschbaum-Furnier als Verkleidung des Armaturenbrettes eingesetzt. Für Furnierqualität, werden teilweise sehr hohe Festmeterpreise von bis zu 2.000 € bezahlt.